Plagiatsvorwürfe Schavans schwieriger Umgang mit dem Plagiatsvorwurf

Berlin · Die Bundesforschungsministerin schweigt zu den Plagiatsvorwürfen. Doch Schavans Amt als politische Repräsentation der deutschen Wissenschaft macht den Umgang mit der Attacke aus dem Internet nicht leichter.

 Bundesbildungsministerin Annette Schavan.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan.

Foto: dpa (Archivbild)

Dieser Tage lag eine Einladung in der Post: Am 23. Mai verleiht die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2012 - die wohl angesehenste Auszeichnung für Nachwuchsforscher. Alles, was in der deutschen Wissenschaftsszene Rang und Namen hat, wird bei der Feier in Berlin wieder mit dabei sein, um die erfolgreichen Jungforscher zu ehren.

Festrednerin ist laut Programm Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Wie man es auch dreht und wendet - ein fader Beigeschmack bleibt, seitdem Schavan im Internet am Pranger eines anonymen Plagiatsjägers steht und ihr wissenschaftliches Fehlverhalten bei ihrer vor 32 Jahren eingereichten Doktorarbeit vorgeworfen wird.

Zur Klarstellung: Schavan ist nicht verurteilt. Auch sie hat die Universität Düsseldorf aufgefordert, die Vorwürfe zu überprüfen. Doch die für die Attacke angeführten Belege sind für Jedermann im Internet öffentlich einsehbar. Und so mancher Wissenschaftler oder auch Interessierte, der sich einmal der Mühe einer akademischen Arbeit unterzogen hat, wird sich in den vergangenen Tagen selbst ein Urteil gebildet haben, wie die oberste politische Repräsentantin der deutschen Wissenschaft in jungen Jahren als Studentin gearbeitet hat.

Ihre Dissertation "Person und Gewissen - Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" will Schavan damals "nach bestem Wissen und Gewissen" geschrieben haben. Als die Vorwürfe am vergangenen Mittwoch bekannt wurden, versprach Schavan spontan schnelle Aufklärung und Rechenschaft über die Quellen. Nun schweigt sie.

"Jetzt beschäftigt sich die Universität damit. Bis dahin werde ich nichts sagen", rechtfertigte sich Schavan bei Nachfragen von Journalisten am Freitag bei einem Besuch in Friedrichshafen am Bodensee. Doch es werden nicht die letzten Fragen gewesen sein. Der anonyme Blogger, der sich hinter dem Pseudonym "Robert Schmidt" verbirgt, legte am Wochenende nach.

In einem schriftlich mit "Spiegel Online" geführten Interview verlangte er von Schavan insbesondere Aufklärung über zwei angeblich abgeschriebene Textpassagen, bei der die Ausführungen "durch die sehr spezielle Wortwahl eindeutig einer Quelle zugeordnet werden" könnten. Diese Quelle - so der Plagiatsjäger - sei aber in der ganzen Arbeit nicht erwähnt. Es geht dabei um Interpretationen von Sigmund Freuds Ausführungen zu Eros, das Streben nach Lust und die Vermeidung von Unlust durch den Psychologen Ernst Stadter.

Dass Schavan beim Parteinachwuchs ihres CDU-Heimatverbandes Baden-Württemberg seit langem einige politische Gegner hat, ist bekannt. So war es auch nicht verwunderlich, dass der Landeschef der Jungen Union, Nikolas Löbel, am Wochenende zur Attacke blies. Er erinnerte daran, dass Schavan dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit ihrer scharfen Kritik an den Plagiaten in dessen Dissertation den "Todeskuss" gegeben habe. Wer bei anderen die Maßstäbe so hoch ansetze, "bei dem muss schon jede Fußnote in einer Dissertation stimmen.

Auch ein bisschen schummeln geht da nicht", urteilte der Jungpolitiker. Und auch der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) wagte sich vor: "Für eine Bildungsministerin genügt es nicht, sich hinter der Anonymität des schavanplag-Bloggers zu verstecken. Sie muss uns vielmehr eine erneute Salami-Taktik wie im Fall zu Guttenberg ersparen und endlich umfassend Stellung nehmen", so der RCDS-Bundesvorsitzende Frederik Ferreau - selbst ein Jura-Doktorand.

Der Fall Schavan und der ihr vorgeworfene lockere Umgang mit Quellen hat bei weitem nicht das Kaliber von Guttenbergs Fehlverhalten - der komplette Textteile anderer Verfasser kopierte und in der Doktorarbeit als sein geistiges Eigentum ausgab. Das räumt selbst Schavans anonymer Plagiatsjäger ein. Doch was den Umgang mit ihrer Dissertation so kompliziert macht, ist ihre besondere Stellung als Bildungs- und Forschungsministerin des Bundes. Auch wenn sie ihren Doktortitel nach dem Prüfverfahren behalten sollte - und davon geht nach wie vor ein Großteil der Wissenschaftsszene aus -, bleibt ein Imageschaden.

Zwei CDU-Kultusminister, Roland Wöller (Sachsen) und Bernd Althusmann (Niedersachsen), mussten sich bereits wegen Plagiatsvorwürfen vor Promotionsausschüssen verantworten. Beide kamen mit einem blauen Auge davon. Bei Wöller hieß es 2007, "die Menge der Übereinstimmungen" mit einer Fremdarbeit sei "bedenklich". Gleichwohl wollten die Prüfer einen "Täuschungsvorwurf im akademischen Sinne" nicht unterstellen.

Bei Althusmann stellten die Prüfer im Dezember 2011 "Mängel von erheblichem Gewicht" fest und erkannten darin einen "Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis", nicht aber wissenschaftliches Fehlverhalten. Auch wenn beide Kultusminister ihren Doktor-Titel behalten durften - ohne Nachwirkungen und Ansehensverlust blieben die Affären nicht.

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