Kommentar zur Regierungsbildung in Madrid Armes Spanien

Meinung | Bonn · Es wäre dringend nötig, den politischen Dämmerzustand zu beenden, indem Spanien sich befindet. Doch bei den Parteien ist keine Einsicht in Sicht.

 Der Schein trügt: Regierungschef Mariano Rajoy (l.) und Sozialistenführer Pedro Sánchez finden keine Einigung.

Der Schein trügt: Regierungschef Mariano Rajoy (l.) und Sozialistenführer Pedro Sánchez finden keine Einigung.

Foto: dpa

Bei uns werden Politiker und mediale Öffentlichkeit schon nervös, wenn sich die Regierungsbildung ein paar Wochen hinzieht. Keine 40 Tage dauert das in Deutschland im Durchschnitt.

Von solchen Verhältnissen können die Spanier nur träumen: Seit der Parlamentswahl am 20. Dezember 2015 ist das Land praktisch unregierbar. Jeder Versuch der Regierungsbildung scheiterte, auch die Neuwahlen im Juni brachten nicht die erhoffte Lösung. „Die Menschen haben Rajoy gewählt“, hieß es nach dieser Wahl einmütig. Der konservative amtierende Regierungschef hatte zwar die absolute Mehrheit wieder verfehlt, aber trotzdem die Wahl klar gewonnen.

Doch die Bürger hatten die Rechnung ohne die starrsinnigen Parteien gemacht, die sich um Wählerwillen und das Wohl des Landes wenig scheren. Sollte – was höchst wahrscheinlich ist – die Regierungsbildung im Parlament am Mittwoch wieder scheitern, geht das politische Tauziehen, das inzwischen eher einem Schmierentheater gleicht, in eine neue Runde.

Eigentlich wäre eine solche Hängepartie die klassische Ausgangslage für eine große Koalition. Doch die Gräben zwischen Sozialisten und Konservativen sind ganz offensichtlich zu tief für diese Lösung, die wenigstens dem politischen Dämmerzustand, in dem sich das Land befindet, ein Ende setzen könnte. Dabei wäre dies dringend nötig: Der Reformstau in Europas viertgrößter Wirtschaftsmacht ist gewaltig, die Arbeitslosenquote hoch, die Staatspleite näher als dauerhafter Aufschwung. Doch Einsicht ist nicht in Sicht. Armes Spanien.

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