Cop23: Zwischen Weltrettung und Jamaika Angela Merkel spricht von Klimawandel als "Schicksalsfrage"

Bonn · Auf der Klimakonferenz haben nun die hochrangigen Vertreter aus fast 200 Ländern das Wort. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron äußern sich zu Klimawandel und der Rolle der USA.

Die Rede von UN-Generalsekretär Antonio Guterres dauert gerade ein paar Minuten, da rattern im Saal „New York“ des WCCB noch einmal die Kameras. Emmanuel Macron, der französische Staatspräsident, ist zu spät gekommen. Er schüttelt noch schnell zwei Hände und setzt sich dann leise auf den leeren Platz in Reihe vier. Dort, inmitten von Vertretern von fast 200 Ländern, zieht Macron den Dolmetscher-Kopfhörer über und taucht erst einmal in der Menge unter, bis er später seinen Auftritt auf der Bühne haben wird.

An diesem Mittwochnachmittag hat sich die Welt im WCCB versammelt. Staats- und Regierungschefs, Minister, Beamte – Hunderte internationale Gäste sind nach Bonn gekommen, um das so genannte „High Level Segment“ zu eröffnen, die entscheidende Phase der Klimakonferenz Cop23. Drinnen im Saal wird Weltpolitik gemacht, draußen liegen rote Teppiche, warten schwarze Limousinen und Polizeieskorten, ein Hubschrauber knattert über der Stadt. Wie in alten Hauptstadtzeiten.

Zur Eröffnung treten ans Pult: UN-Chef Guterres, der Cop-Gastgeber und Premierminister von Fidschi, Frank Bainimarama, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der mahnt Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel an. „Wir wissen um die Dramatik und spüren die Folgen schon heute“, sagt Steinmeier. Er erwähnt Hurrikans, Fluten und Hitzewellen, und schließt daraus: „Diese Dramatik, diese Dringlichkeit – sie mahnt uns alle zu großer Eile und zu entschlossenem Handeln“.

Klimawandel laut Merkel eine "Schicksalsfrage"

Bald darauf tritt Angela Merkel ans Mikrofon. Eingeflogen von mühsamen Jamaika-Verhandlungen in Berlin, kann sie heute vor der Weltöffentlichkeit noch einmal die Klima-Kanzlerin geben, als die sie sich gerne sieht und als die sie die Welt lange gesehen hat. Wie eine Klima-Kanzlerin ausdrücken kann sich Merkel auf jeden Fall noch. Der Kampf gegen den Klimawandel sei „die zentrale Herausforderung der Menschheit“, mahnt sie. Es handele sich um eine „Schicksalsfrage“.

Viel war spekuliert worden, inwieweit ihre Rede in Bonn ein Signal für die Sondierungen zwischen CDU, CSU, Grünen und FDP sein würde. Noch am Abend wollten die Sondierer in Berlin einen der größten Streitpunkte abräumen, das Thema Klima. Die Grünen wollen die 20 ältesten Kohlekraftwerke sofort abschalten, bis etwa 2030 die restlichen. FDP und CDU bremsen und verweisen auf Jobs und Versorgungssicherheit. Das Klima muss sich so lange gedulden, bis hier ein Kompromiss gefunden ist.

In Bonn macht Merkel nun das, was sie am besten kann: Im Ungefähren bleiben, einerseits-andererseits. Sie betont, wie wichtig die Klimaziele bei den Verhandlungen seien und räumt ein, dass Deutschland „Schwierigkeiten“ habe, sie zu erreichen. Sie mahnt, dass auch die Braunkohle einen wesentlichen Beitrag dazu leisten müsse. Aber wie genau dieser Beitrag aussehe, „das werden wir in den nächsten Tagen miteinander ganz präzise diskutieren müssen“. Man müsse eben auch Arbeitsplätze und die Bezahlbarkeit von Energie im Auge behalten.

Es sind keine Visionen für eine klimafreundliche Welt, die Merkel an diesem Tag in Bonn entwickelt. Es ist der schnöde Blick in die Welt des Machbaren, der bis zum Jamaika-Verhandlungstisch reicht. Die Vertreter der untergehenden Südseeinseln im Saal sind von dort aus nicht sichtbar.

Amerika immer wieder Thema der Konferenz

Für die Visionen sind ohnehin andere zuständig, allen voran Frankreichs Präsident Macron. Er muss nicht auf Grüne, FDP und CSU Rücksicht nehmen, er kann frei reden. Der Franzose knöpft sich in seiner Rede vor allem die USA vor, nachdem Präsident Donald Trump im Sommer verkündet hat, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Macron fordert nun Europa auf, die von Amerika aufgerissene Lücke bei der Finanzierung von Klimaforschung auszufüllen. Der wichtige Weltklimarat IPCC sei bedroht, so Macron, da Washington entschieden habe, nicht mehr für die Finanzierung zu garantieren. „Daher schlage ich vor, dass Europa Amerika ersetzt“, sagt Macron unter Applaus.

Überhaupt, die USA. Im Saal sind aber nicht nur Hunderte Würdenträger, sondern auch ein großer Elefant. Ein sprichwörtlicher. Die USA sind offiziell auf der Cop23 nur durch eine niederrangige Diplomatin namens Judith Garber vertreten, abgesehen von den inoffiziellen, sehr vernehmbaren Trump-Gegnern wie Al Gore, Michael Bloomberg und Arnold Schwarzenegger. Und dennoch ist Amerika auch beim Treffen der Weltpolitiker immer wieder Thema.

Steinmeier nennt Trump oder die USA nicht beim Namen, er drückt sich etwas verschwurbelt aus und macht einen Ausflug ins Maritime. „Die internationale Politik – wie übrigens auch das Klima – ist ein schwerfälliger Tanker“, so der Bundespräsident. „Und vielleicht möchte so mancher, der sich heute noch von der Kommandobrücke ins Beiboot verabschiedet, in ein paar Jahren doch wieder an unser großes Schiff andocken.“ Merkel immerhin erwähnt Trump direkt. Das breite Bündnis „America’s Pledge“, das sich in den USA formiert hat und trotz Trump den Kampf gegen den Klimawandel weiterführt, das, so die Kanzlerin „möchte ich sehr begrüßen“.

Ab diesem Donnerstag, wenn Merkel, Steinmeier und Macron längst wieder weggeflogen sind, wird auf der Cop23 noch richtig gearbeitet. Minister aus allen Ländern halten je drei Minuten lange Statements, bis Freitagabend soll ein Ergebnis vorliegen. Es ist zu hoffen, dass es nicht mühsamer wird als am Jamaika-Verhandlungstisch in Berlin.

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