Kommentar zu den Kartell-Vorwürfen Aktiv aufklären

Meinung | Bonn · Die Reaktionen der beschuldigten Konzerne fallen bislang überaus schmallippig aus. Dabei sollte doch klar sein, dass die schweren Vorwürfe nur durch aktive Aufklärung aus der Welt zu schaffen sein werden, kommentiert GA-Redakteur Kai Pfundt.

Bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bestimmte ein Netzwerk von Konzernchefs, Spitzenbankern und Gewerkschaftsführern in trauter Eintracht mit großen Teilen der Politik, wohin Deutschland wirtschaftlich steuerte. Deutschland AG nannten Wirtschaftsforscher dieses wirkungsmächtige Geflecht. Die Globalisierung machte der Deutschland AG den Garaus. Bei den nun aufgedeckten „Gesprächskreisen“, in denen sich die Premiumhersteller Daimler, BMW sowie Porsche und Audi zusammen mit der Konzernmutter VW auf Vorgehensweisen zumindest in technischen Fragen oder im Umgang mit Zulieferern einigten, handelt es sich um eine Art Deutschland AG im Miniformat.

Das primäre Ziel dieses Autosyndikats: gemeinsame Regelungen zum gegenseitigen Vorteil zu beschließen. Solche Absprachen müssen nicht zwangsläufig wettbewerbswidrig sein. Die Technik-Harmonisierung durch Din-Normen zum Beispiel dient dem Vorteil aller, weil sie bei Produkten garantierte technische Standards festlegt.

Die bisher bekannten Informationen über die Fünfer-Gesprächskreise legen allerdings den Verdacht nahe, dass sich Vereinbarungen aus den Konzern-Kungelrunden durchaus negativ ausgewirkt haben: auf Verbraucher, Zulieferer, Aktionäre und Konkurrenten. Sollte sich zum Beispiel der Verdacht bewahrheiten, dass durch Absprachen in den Fünferzirkeln aus Kostengründen die Abgasreinigung bei Dieselmotoren wissentlich verschlechtert wurde, müssen sich die Beteiligten auf eine Verfahrenslawine gefasst machen.

Nicht passiv

Deutsche und europäische Behörden, Anteilseigner oder Kunden bleiben in solchen Fällen nicht passiv. Der VW-Konzern hat diese Erfahrung in den USA in den vergangenen Jahren mit Milliardensummen bezahlt. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass möglicherweise sogar Absprachen über Beschaffungs- oder Verkaufspreise getroffen wurden, drohen empfindliche Sanktionen. Wegen unerlaubter Preisabsprachen verdonnerte die EU erst 2016 führende europäische Lkw-Hersteller zu einem Bußgeld von knapp drei Milliarden Euro. Alleine Daimler musste eine Milliarde Euro zahlen.

Die an den Gesprächskreisen beteiligten Autokonzerne, Perlen dieser deutschen Kernindustrie, müssen nun detailliert aufklären, was sie da miteinander verhandelt haben. Sie müssen, wenn sie denn können, den Verdacht restlos ausräumen, dass ihre Absprachen sich für Kunden, Zulieferer oder Mitbewerber nachteilig ausgewirkt haben. Und wenn nicht, die Konsequenzen tragen. Eines ist bereits heute absehbar: Dieser Zeit und Ressourcen fressende Prozess wird eine Menge unwillkommener Schlagzeilen produzieren.

Die Reaktionen der beschuldigten Konzerne fallen übrigens bislang überaus schmallippig aus. Dabei sollte doch klar sein, dass die schweren Vorwürfe nur durch aktive Aufklärung aus der Welt zu schaffen sein werden.

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