Konklave 115 Kardinäle zogen in die Sixtinische Kapelle ein

ROM · Die Tür zum Jüngsten Gericht steht offen. Ganz hinten an der Kopfwand der Sixtinischen Kapelle ist bereits Michelangelos berühmtes Fresko zu erspähen. Jetzt ziehen sie einer nach dem anderen in einer weiten Linkskurve in Richtung dieses Gemäldes vom Ende der Menschheit.

 Gläubige beobachten im Regen auf dem Petersplatz im Vatikan auf Videomonitoren den Einzug der Kardinäle in die Sixtinischen Kapelle.

Gläubige beobachten im Regen auf dem Petersplatz im Vatikan auf Videomonitoren den Einzug der Kardinäle in die Sixtinischen Kapelle.

Foto: dpa

Die 115 Kardinäle tragen ihre roten Liturgie-Gewänder. Sie singen, sehen konzentriert und mancher von ihnen gar ein wenig eingeschüchtert aus. "Veni Creator Spiritus", lautet ihr Lied, als sie ihre Plätze eingenommen haben, "Komm, Schöpfer Geist". Vor dem Schwur, den jeder Kardinal einzeln im Angesicht des Jüngsten Gerichts abgibt, hebt Angelo Scola aus der zweiten Reihe links noch einmal den Kopf und sieht sich das Fresko an. Vielleicht wird der Erzbischof von Mailand hier ja zum Papst gewählt.

Am Vormittag haben sich die Kardinäle noch einmal die Hände geschüttelt. Zum Zeichen des Friedens während der Vormittags-Messe im Petersdom. Viele lächeln dabei beseelt, es sieht alles sehr harmonisch aus. Doch niemand kann leugnen, dass auch Meinungsverschiedenheiten mit in die Sixtinische Kapelle einziehen. Einige Spaltungen, die selbst der emeritierte Papst Benedikt XVI. deutlich angesprochen hatte, sind kaum zu verstecken.

Sie werden sich in der Wahl widerspiegeln, da sind sich die Beobachter einig. Auf der einen Seite stehen die Anhänger von Camerlengo Tarcisio Bertone, der selbst keine Chancen hat, aber einen der Kurie nahestehenden Kandidaten durchbringen will, offenbar ist das der deutschstämmige Brasilianer Odilo Pedro Scherer. Doch wie man hört, hat dieser sich bei den letzten Beratungsgesprächen mit einer Rede zur Verteidigung der umstrittenen Vatikanbank bei vielen diskreditiert. Oder ist man, indem man solche Details weiter verbreitet, bereits selbst Teil eines Spiels?

Die italienische Presse ist sich jedenfalls sicher, dass Scherers wichtigster Gegenspieler, der Mailänder Angelo Scola im Konklave durchstartet. "Scola hat schon 50 Stimmen", schrieb etwa der Corriere della Sera. Zur erforderlichen 2/3-Mehrheit von 77 Stimmen wäre es da nicht mehr besonders weit. Aber da ist wohl auch der Wunsch Vater des Gedankens. Die insgesamt etwas desillusionierten Italiener hoffen nach zwei Ausländern endlich wieder auf einen Papst aus dem eigenen Land.

Konklaven haben ihre eigene Dynamik. Und vielleicht behält ja auch diesmal der römische Volksmund recht, der behauptet: "Wer ins Konklave als Papst geht, kommt als Kardinal wieder heraus." So war es etwa beim zweiten Konklave 1978, als die Anhänger der hoch gehandelten Kardinäle Giuseppe Siri und Giovanni Benelli sich gegenseitig blockierten. Keiner der beiden Kandidaten konnte im Fortlauf die Stimmen des anderen gewinnen, die Folge war ein Umschwenken auf einen absoluten Außenseiter. Der Pole Karol Wojtyla wurde wenig später als Johannes Paul II. bekannt. Auch seinen Vorgänger Albino Luciani, der als Johannes Paul I. nach nur 33 Tagen als Papst gestorben war, hatten die Wenigsten auf dem Zettel.

Natürlich gibt es den Mitläufer-Effekt auch unter Kirchenmenschen. Viele im aktuellen Kollegium waren zu Beginn des Konklave nicht auf einen Kandidaten festgelegt. Wenn nun einer der Favoriten schnell viele Stimmen hinter sich bringt, könnten nicht wenige auf den Sieger-Zug aufspringen. Sonst müssen sie möglicherweise damit leben, dem neuen Papst ihre Stimme versagt zu haben.

Der kanadische Kardinal Thomas Christopher Collins jedenfalls hat zur Sicherheit noch einmal den größten Hunger gestillt. In einem der klerikalen Szene-Treffs im Borgo Pio, dem Ristorante Venerina, bestellte er kurz vor dem Konklave einen großen Teller Spaghetti Carbonara. "Wenn wir nach dem dritten Tag noch keinen Papst gewählt haben, setzen sie uns auf Wasser und Brot", scherzte der Kardinal. Collins bezog sich damit auch auf die Wahl Gregor X. (1271-1276) in Viterbo, die dreieinhalb Jahre dauerte. Irgendwann schlossen die Bewohner der Stadt die Kardinäle ein, trugen das Dach des Gebäudes ab und setzten ihnen die kargen Grundnahrungsmittel vor, die auch Kardinal Collins fürchtet.

Das letzte Konklave, das länger als vier Tage dauerte, fand 1831 statt. 45 Tage harrten die Kardinäle aus, dann wurde Bartolomeo Alberto Cappellari zu Gregor XVI. gewählt. Im 20. Jahrhundert ging es immer recht schnell. Nie dauerte das Konklave länger als vier Tage. Sollte es auch diesmal so sein, dann kommt Kardinal Collins spätestens am Samstag wieder in den Genuss seiner geliebten Spaghetti Carbonara.

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