GA-Interview mit Armin Laschet „Wir brauchen eine Perspektive für Bonn“

Bonn · Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet spricht im Interview über innere Sicherheit, die Landtagswahl und Olympia.

Die Sicherheitspolitiker der Union überbieten sich in Forderungen. Was haben ein Burkaverbot oder ein Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft mit innerer Sicherheit zu tun?

Armin Laschet: Nichts. Das größte Problem für die innere Sicherheit ist derzeit die terroristische Bedrohung. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Und man muss wissen: Für türkische Staatsbürger gibt es derzeit keine doppelte Staatsbürgerschaft. Wer eingebürgert wird, muss die türkische abgeben. Lediglich EU-Unionsbürger dürfen die alte Staatsbürgerschaft behalten ebenso wie Bürger einiger weniger anderer Staaten wie der USA, Schweiz oder Israel. Bei uns geborene Kinder erhalten seit dem Jahr 2000 neben der der Eltern auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Dass sie sich zwischen 18 und 23 entscheiden müssen, wurde abgeschafft. Mit der Inneren Sicherheit hat diese Debatte nichts zu tun. Dass sind Phantomdiskussionen.

Wird das ein Wahlkampfthema?

Laschet: Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen mit Sicherheit nicht.

Burkaverbot?

Laschet: Ich behaupte, hier hat kaum jemand bisher eine blaue, afghanische Burka mit ihrem Gitterfenster gesehen. Was man sieht, häufig in Bad Godesberg, ist die schwarze Niqab, ein Gesichtsschleier, den allerdings dort häufig Medizintouristinnen tragen. Dies gefällt mir nicht, aber man kann nicht alles verbieten, was einem nicht gefällt. Wenn aber eine Frau ein Kind aus dem Kindergarten abholt, oder auf einem Amt ist oder im Straßenverkehr, dann muss sie erkennbar sein. Hier sind klare Regelungen erforderlich. Auf die haben sich die Innenminister der CDU zu Recht verständigt.

Zweites großes Thema Integrationspolitik. Sie waren in der Union einer der ersten, der sich darum gekümmert hat. Was ist zu tun?

Laschet: Die Kernfrage lautet: Wie gelingt ein Aufstieg durch Bildung? Der, der hier eine Ausbildung findet, wird nicht so schnell in Kriminalität oder Fundamentalismus abrutschen wie der, der perspektivlos ist. Bildung und Arbeit sind der Schlüssel zu erfolgreicher Integration. Das ist eine Daueraufgabe, übrigens auch jetzt für die Flüchtlinge. Je schneller die Deutsch lernen können und arbeiten, desto besser sind die Chancen für eine erfolgreiche Integration.

Muss man über ein Einwanderungsgesetz nachdenken?

Laschet: Faktisch haben wir ein Einwanderungsgesetz, aber es ist sehr kompliziert in unzählige Verwaltungsvorschriften aufgesplittert. Ein neu geordnetes Einwanderungsrecht zu schaffen, könnte vieles vereinfachen, es ist allerdings auch eine Mammutaufgabe. In Anbetracht der großen Aufgaben, vor denen die Politik gerade steht, hat das keine Priorität. Wichtig für die Debatte ist aber: Man muss sauber zwischen Asyl und Einwanderung trennen. Asyl ist für Schutzbedürftige, Einwanderung dient deutschen Interessen. Da werden Fachkräfte nur ausgewählt nach den Interessen des deutschen Arbeitsmarktes. Asyl ist rein humanitär, Einwanderung ist rein nützlich.

Was ist Ihre Antwort auf die AfD?

Laschet: Erfolgreich Politik machen. Die AfD schlägt man nicht mit markigen Sprüchen. Wir können sie nur kleinhalten, indem wir Probleme lösen. Mit einem Euro- oder gar einem EU-Austritt würde deutschen Interessen geschadet. Das muss man deutlich klar machen. Und dass die Positionen der AfD, von der Wirtschaft über Steuerrecht bis hin zur Klimapolitik, den einzelnen Bürgerinnen und Bürger massiv schaden und Arbeitsplätze gefährden würden.

Also nicht der AfD mit populären Parolen hinterherlaufen?

Laschet: Auf keinen Fall. Der AfD muss man begegnen, indem man klar widerspricht und ihre Sprüche als das entlarvt, was sie sind: inhaltslos und widersprüchlich. Das heißt aber auch: Sie zu stellen indem man mit ihnen redet. Man muss die AfD-Vizes von Storch oder Herrn Gauland nur häufig ausreden lassen, dann haben sie schon in einer Fernsehsendung drei, vier Prozentpunkte verloren.

Wie will die Union erfolgreich sein, wenn sie – Stichworte Burkaverbot, doppelte Staatsbürgerschaft – so zerstritten ist?

Laschet: In Nordrhein-Westfalen ist die CDU einig. Im Wahlkampf setzen wir auf Themen, die für unser Land Nordrhein-Westfalen wichtig sind: Weg von der Schlusslichtposition beim Wirtschaftswachstum, bei der Inneren Sicherheit und jetzt gerade in dieser Woche wieder bei Schule und Bildung.

Welches Defizit muss bei der Inneren Sicherheit behoben werden?

Laschet: Wir haben eine explodierende Einbruchskriminalität, rasant steigende Zahlen von Salafisten und im Ruhrgebiet No-go-areas, wo die Polizei nicht mehr ohne Mannschaftswagen hineinfährt.

Was ist zu tun?

Laschet: Die Polizei stärken durch mehr Personal, durch bessere gesetzliche Möglichkeiten wie der Videosicherung an mehr kriminalitätsbegünstigenden Orten als heute. Beim Personal hat sich einiges getan, aber viele Polizisten haben immer noch zu viel an Bürokratie zu erledigen. Polizisten gehören auf die Straße, nicht hinter den Schreibtisch.

Ein Beispiel?

Laschet: Wenn Sie nachts einmal geblitzt wurden, werden zwei Polizeihauptkommissare als Zeugen aufgeführt. Ein Blitzgerät kann aber auch von Polizeiverwaltungsassistenten bedient werden. Wir müssen aber auch bei der Ausstattung und den Kompetenzen der Polizei nachbessern: Bodycams würden die Ermittlungsarbeit verbessern und unsere Polizisten schützen. Darüber hinaus muss die Polizei auch verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen können. Fast alle Bundesländer haben das mittlerweile ermöglicht, nur Bremen und Nordrhein-Westfalen machen das nicht.

Modellversuche mit Bodycams gibt es in Nordrhein-Westfalen.

Laschet: Rot-Grün diskutiert und macht Modellversuche, andere Bundesländer handeln. Was Schwarz-Grün in Hessen oder Grüne und CDU in Baden-Württemberg können, sollte doch bei gutem Willen auch in Nordrhein-Westfalen möglich sein.

Defizite bei der Bildung?

Laschet: Da liegen wir bei fast jeder neuen Studie im Ländervergleich auf den Schlusslichtplätzen. Wir haben einen extrem hohen Unterrichtsausfall und das ganze Thema Inklusion wird mit der Brechstange eingeführt. Das Ziel, so viele Kinder wie möglich inkludiert zu unterrichten ist richtig, aber dann muss man Lehrer und Sonderpädagogen mitliefern und darf nicht die Förderschulen schließen, so dass die Eltern keine Wahl mehr haben. Jetzt kommt noch die Riesenaufgabe, 80 000 Flüchtlingskinder zu integrieren. Darauf sind die Schulen schlechter vorbereitet als in anderen Bundesländern.

Acht oder neun Jahre Gymnasium?

Laschet: Nach sechs Jahren Bildungsministerin Löhrmann funktioniert G8 immer noch nicht. Ich glaube, dass eine komplette Rolle rückwärts zu G9 viel Unruhe in die Schulen bringen würde. Aber wir müssen über Formen nachdenken, wie man G8 besser macht oder Wahlmöglichkeiten schafft. Immer neue runde Tische helfen den Schulen nicht.

Die FDP will Gymnasien zwischen G8 und G9 wählen lassen.

Laschet: Ein interessanter Gedanke. Wir brauchen mehr Schulfreiheit und weniger Erlasse aus dem Hause Löhrmann.

Wer wäre Ihr Lieblingspartner, um Ihre Vorstellungen umzusetzen?

Laschet: Die FDP.

Die müsste dann aber ganz schön groß werden.

Laschet: Im nächsten Landtag könnten sechs Parteien sitzen. Man wird sehen müssen, mit wem diese Schwerpunkte – wirtschaftliches Wachstum plus innere Sicherheit plus bessere Bildung – am besten umsetzbar sind.

Jamaika oder große Koalition?

Laschet: Die Koalition, mit der wir das Beste für unser Land rausholen.

Würden Sie als Juniorpartner in eine große Koalition gehen?

Laschet: Wir wollen wie bei den Kommunalwahlen wieder stärkste politische Kraft werden.

Zum Thema Bonn/Berlin: Unternimmt das Land genug, um Positionen von Bonn zu wahren?

Laschet: Wir brauchen eine Perspektive für Bonn. Da könnte die Bundesregierung mehr tun. Warum nicht mal eine große Konferenz oder Regierungskonsultationen auf dem Petersberg oder in Bonn? Warum immer nur Berlin, Berlin, Berlin und manchmal Meseberg. Dafür könnte SPD-Bundesministerin Hendricks aus NRW sorgen statt über einen Komplettumzug zu fabulieren. Und das Land müsste mehr dafür tun, dass zum Profil des Landes nicht nur Kohle und Stahl, sondern auch die Internationalität, der UN-Standort Bonn gehören. Da erscheint mir manches lustlos bis desinteressiert. Wir brauchen mehr Bilder, die zeigen, dass es bei der UN nicht nur New York, Genf, Wien oder Nairobi gibt, sondern auch Bonn.

Der Untersuchungsausschuss Silvesternacht tagt. Hat Düsseldorf oder Köln versagt?

Laschet: Deutlich geworden ist bisher, dass man weder in Köln noch in Düsseldorf gut vorbereitet war. Die Kölner Polizei hat für den Abend mehr Polizeikräfte beantragt als sie bekommen hat. Die Landesregierung scheint auf Krisensituationen nicht vorbereitet. Trotz zahlreicher Meldungen der Behörden passierte über Tage nichts. Im Nachgang schien es nur noch darum zu gehen, das eigene Versagen zu vertuschen. Das hat den Vertrauensverlust in der Bevölkerung massiv verstärkt.

Sie haben sich für die Idee von Sporteventmanager Michael Mronz für Olympia 2028 in NRW ausgesprochen. Warum?

Laschet: 70 Prozent der Sportstätten sind in einem so guten Zustand, dass wir morgen Olympische Spiele ausrichten könnten. Die Strecke Aachen-Dortmund ist kürzer als die Entfernungen, die es in Rio gibt. Jetzt müssen wir eine Stimmung hinbekommen, dass die ganze Region Rhein-Ruhr die Spiele als ihre betrachtet und auch Städte ohne Sportstätten wie Bonn und Essen beteiligt werden. Wenn man die Ausgaben für die Infrastruktur richtig einsetzt, wird manche Straße, Brücke oder Schienenverbindung schneller gebaut. Mit etwas weniger Trägheit kann etwas Bleibendes, Nachhaltiges für NRW dabei herauskommen.

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