Interview mit Wirtschaftsprofessor Thomas Straubhaar „Wir brauchen Europa mehr denn je“

Bonn · US-Präsident Donald Trump droht mit Strafzöllen. Wie sich Deutschland wehren kann, erklärt Wirtschaftsprofessor Thomas Straubhaar im Interview mit GA-Redakteurin Delphine Sachsenröder.

 Deutschland exportiert viele Investitionsgüter wie Maschinen und Anlagen in die USA. Darauf sei Trump für den wirtschaftlichen Aufschwung angewiesen, meint Straubhaar.

Deutschland exportiert viele Investitionsgüter wie Maschinen und Anlagen in die USA. Darauf sei Trump für den wirtschaftlichen Aufschwung angewiesen, meint Straubhaar.

Foto: dpa

US-Präsident Donald Trump hat den deutschen Exportüberschuss scharf kritisiert. Zurecht?

Straubhaar: Nicht in der Art und Weise, wie Trump es formuliert hat. Die deutsche Bundesregierung hat den Exportüberschuss schließlich nicht angeordnet wie in einer Planwirtschaft, auch wenn Trump es so darstellt. Der Exportrekord ist vor allem ein Resultat der hohen Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstandes. Aber er zeigt auch die Schwäche der amerikanischen Wirtschaft, die diese Produkte nicht selbst herstellen kann. Er zeigt, dass in den USA eine Technologie- und Produktivitätslücke gegenüber Deutschland klafft.

Trump will das Problem über Schutzzölle lösen. Droht uns ein Handelskrieg?

Straubhaar: Ich sehe auf die Weltwirtschaft insgesamt Turbulenzen zukommen. Die Folgen von Trumps Wirtschaftspolitik für Deutschland fallen dabei vergleichsweise gering aus. Zum einen wird es dauern, bis die USA die angekündigten Einfuhrzölle von bis zu 35 Prozent wirklich einfordern. Dazu sind Gesetze notwendig, denen der Kongress zustimmen muss. Zum anderen gab es schon immer Tricks, Einfuhrzölle zu umgehen. Die Firmen werden etwa Einzelteile, die nicht von den Zöllen betroffen sind, in die USA exportieren und sie dort erst zum Endprodukt zusammensetzen lassen. Drittens: Die Deutschen exportieren vor allem Investitionsgüter wie Maschinen und Anlagen in die USA. Donald Trump mag zwar unsympathisch und ein Grobian sein, aber ich glaube nicht, dass er dumm ist. Er wird keine Strafzölle auf die Produkte erheben, die er braucht, um sein Wahlversprechen „America first“ einzulösen.

Wenn Deutschland weniger gefährdet ist, wer muss am meisten unter Trump leiden?

Straubhaar: Gefährdet sind vor allem die Volkswirtschaften, die Konsumgüter in die USA exportieren. Donald Trump geht es eigentlich nicht um Deutschland, es geht ihm um China. Das Land ist der weltweit einzige große Gegenspieler, den er anerkennt.

Wenn die USA sich gegen Konsumgüter aus China abschotten, wird vom T-Shirt bis zum Computer alles teurer. Muss Trump diesen Effekt nicht fürchten?

Straubhaar: Richtig. Langfristig werden die Kaufkraft amerikanischer Verbraucher und die Produktvielfalt durch die Strafzölle sinken. Ob die amerikanische Konsumgüterindustrie ebenso günstige Ersatzprodukte herstellen kann, ist fraglich. Aber kurzfristig dürfte 2017 für die USA ein wirtschaftliches Spitzenjahr werden und 2018 wird auch nicht schlecht. Der US-Arbeitsmarkt etwa war schon vor der Wahl Trumps gut aufgestellt, die Löhne steigen. Das böse Erwachen kommt später.

Wie kann sich Europa gegen Strafzölle der USA wehren?

Straubhaar: Wir Europäer sollten genauer auf den Dienstleistungssektor schauen. Er ist die verletzliche Stelle der USA. Bei Dienstleistungen sind amerikanische Unternehmen in Europa nämlich deutlich stärker als beim Verkauf von Waren. Amerika ist weltweit mit Abstand der größte Exporteur von Dienstleistungen. Wir sprechen dabei von Weltkonzernen wie Apple, Facebook, Google, Microsoft und Amazon. Diese Unternehmen verdienen viel Geld in Europa, weil sie zum Teil marktbeherrschende Positionen einnehmen. Die Monopolgewinne fließen in die USA. Das könnten sich die Wettbewerbsbehörden ja noch mal stärker als bisher anschauen und, wenn es sein muss, die Daumenschrauben anlegen. Kein Wunder, dass sich die Konzernchefs aus dem Silicon Valley jetzt gegen Trump stellen. Sie spüren genau, dass sie auf offene Dienstleistungsmärkte genauso existenziell angewiesen sind wie andere Nationen auf einen offenen US-Markt für Waren.

Misstrauen gegen den Freihandel ist auch in Europa stark verbreitet. Läutet Trump das überfällige Ende einer Ära ein?

Straubhaar: Die Vorteile der Globalisierung und des Freihandels werden von vielen Menschen als selbstverständlich angesehen und daher nicht wirklich erkannt. Es erscheint ihnen normal, dass in den Geschäften eine große Auswahl von günstigen und qualitativ ansprechenden Produkten angeboten wird. Die Nachteile der Globalisierung betreffen dagegen einzelne Gruppen von Menschen, die etwa durch die chinesische Konsumgüterindustrie ihren Job verlieren. Diese Gruppen sind sichtbarer und leichter politisch zu mobilisieren.

Trump will den US-Dollar schwächen, um die US-Exporte anzukurbeln. Was bedeutet das für uns?

Straubhaar: Was die Wechselkurse betrifft, ist Trumps Ärger zumindest nachvollziehbar. Europa hat den Euro künstlich geschwächt und kurbelt damit seine Exporte an, während gleichzeitig die damit teureren amerikanischen Produkte vom Markt ferngehalten werden. Die Anleihenkäufe der EZB haben den Euro massiv verbilligt. Gleichzeitig hat die US-Zentralbank durch Zinserhöhungen den Dollar gestärkt. In der Kombination schwächt das die amerikanische Exportwirtschaft erheblich.

Was könnte Trump dagegen tun?

Straubhaar: Handelskriege sind schlimm, Währungskriege sind schrecklich. Trump müsste die US-Notenbank in riesigem Maße Fremdwährungen aufkaufen und Dollars auf den Markt werfen lassen. Schlimmstenfalls gibt es dann irgendwann eine komplette Geldentwertung wie in den 30er Jahren. Zum Jahresende wird die Chefposition der US-Notenbank wohl neu besetzt. Wenn die neue Person zu stark von der Politik abhängig ist, kann da schon Porzellan zerschlagen werden.

Die Bankenregulierung hat Trump in den USA bereits zurückgedreht.

Straubhaar: Wir in Europa haben im Gegensatz zu Trump hoffentlich die Lektion aus der Bankenkrise gelernt, dass es klare Regeln für den Finanzsektor geben muss. Wenn das in Amerika jetzt wieder anders gesehen wird, kann man nur noch Investoren und auch europäischen Finanzinstituten und deren Aufsichtsbehörden raten, Geldanlagen in den USA noch genauer zu prüfen.

Nicht nur die Europäer sind skeptisch. In den USA gehen Massen gegen Trump auf die Straße. Kann er seine Pläne gegen diesen Widerstand durchsetzen?

Straubhaar: Das wird ein spannendes Hase-und-Igel-Rennen. Trump hat nur eine Chance, wenn es ihm rasend schnell gelingt, durch Steuersenkungen, Deregulierung und Protektionismus ein Strohfeuer zu entfachen, und es der breiten Mittelschicht rasch besser geht. Dann werden die Proteste schnell an Kraft verlieren. Ist er zu langsam, werden die Nachteile seiner Holzhammerdiplomatie und die Folgekosten seiner Angriffe auf Presse und Minderheiten sichtbarer. Dann wird es eng für Trump.

Was bedeutet es für Europa, wenn Trump dieses Rennen gewinnt?

Straubhaar: Dann muss Europa selbstständiger und politisch unabhängiger von den USA werden. Mit Blick auf den Brexit liegt der Verdacht nahe, dass Trump die Schwächung Europas und des Euro als Strategie verfolgt. Wir brauchen die EU und den Euro mehr denn je. Nur gemeinsam kann Europa sich gegen die USA unter Trump auf Augenhöhe behaupten. Auf sich gestellt ist jedes einzelne europäische Land den USA in Verhandlungen gnadenlos unterlegen. Und das genau ist Trumps Strategie.

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