Peter Ramsauer: "Keine Denkverbote in meinem Ministerium"

Der Bundesverkehrsminister zum Bußgeldkatalog, zur Pkw-Maut und zum Zustand der Koalition

Peter Ramsauer: "Keine Denkverbote in meinem Ministerium"
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Eigentlich hatte er am Interviewtag seinen 56. Geburtstag: Aber Peter Ramsauer verschob die Feier im Familienkreis, um dem General-Anzeiger ein Interview zu geben. Mit dem Verkehrsminister sprach Thomas Wittke.

General-Anzeiger: Was wollen sie bei der Verkehrssünderdatei in Flensburg ändern?

Peter Ramsauer: Wir stehen am Anfang unserer Überlegungen. Klar ist: Das Flensburger Zentralregister muss transparenter werden. Die Abfrage des eigenen Punktekontos geht noch einigermaßen problemlos. Die entscheidenden Fragen sind aber viel schwieriger.

Zum Beispiel: Wie werden Punkte wieder abgebaut? Die Menschen müssen wissen, wie sie ihren Punktestand in Flensburg auf Null bringen können. In diesem Zusammenhang werden wir uns auch die medizinisch-psychologische Untersuchung ansehen.

Die MPU hat zu Recht eine abschreckende Wirkung. Allerdings müssen wir den Betroffenen das Gefühl geben, dass im Interesse der Verkehrssicherheit geurteilt wird und nicht im stillen Kämmerlein einsame Entscheidungen getroffen werden.

GA: Änderungen im Bußgeld-Katalog?

Ramsauer: So weit vorhersehbar nicht. Der Bußgeldkatalog hat sich bewährt. Klar ist: Für Raser, Drängler und Alkoholsünder gibt es drastische Strafen. Einzelne Änderungen schließe ich aber nicht aus. Mich stören zum Beispiel Lkw - oft genug aus dem Ausland - die im Winter mit Sommerreifen unterwegs sind und den Autobahnverkehr gefährden, zum Teil sogar lahmlegen.

GA: Sie hatten zu Beginn Ihrer Amtszeit die Debatte um eine PKW-Maut angestoßen: Was ist daran so falsch, wenn man sich die EU-Nachbarstaaten anschaut?

Ramsauer: Es gibt keinen aktiven Umsetzungsauftrag. Die Pkw-Maut steht nicht im Koalitionsvertrag und deshalb nicht auf der Tagesordnung.

GA: Und das bedeutet Denkverbot?

Ramsauer: Mittel- und vor allem langfristig werden wir mit der konventionellen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur über den Bundeshaushalt dem Volumen notwendiger Maßnahmen nicht gerecht. Der Verkehr und der Bedarf an leistungsfähigen Verkehrswegen nimmt zu - und das bei knappen öffentlichen Kassen. Vor allem in den alten Bundesländern ist die Erwartungshaltung groß. Das gilt für Straßen- und Schienenprojekte. Dem können wir uns nicht entziehen. Deshalb gibt es in meinem Ministerium keine Denkverbote.

GA: Sie suchen neue Einnahmequellen!

Ramsauer: Ich habe meine Fachleute beauftragt, neue Finanzierungsoptionen zu entwickeln. Ein Beispiel: Mit unseren ersten öffentlich-privaten Partnerschaften haben wir gute Erfahrungen gemacht. Es wird schneller gebaut und die Straßen werden wirtschaftlich betrieben und erhalten. Wir gehen deshalb jetzt eine zweite Tranche mit acht Projekten an. Unser Ziel ist es, noch mehr privates Kapital zu mobilisieren.

GA: Sie hatten zu Beginn ihrer Amtszeit gesagt, die Straßen im Westen der Republik müssten stärker gefördert werden. Nach der Empörungswelle sind Sie ruhiger geworden . . .

Ramsauer: Ich predige das jeden Tag. Es wird nur nicht mehr so viel darüber berichtet. Übrigens: Für meinen Vorstoß habe ich viel Zuspruch erhalten. Aus allen Landesteilen.

GA: Aber ist der Straßenzustand in den alten Ländern nicht schlechter als im frisch asphaltierten Osten?

Ramsauer: Zur Zeit werden die Bedarfspläne überprüft. Wir wollen künftig nach Bedarf investieren, nicht nach Himmelsrichtung. Klar ist, dass der Straßenzustand in den alten Ländern schlechter ist als in den neuen. Das ist auch logisch, weil es sich dort überwiegend um neu gebaute Strecken handelt. Es war politisch gewollt, dass Neubau- und Instandhaltung in den alten Bundesländern zurückgestellt worden sind. Dadurch hat aber die Substanz gelitten. Da müssen wir ran. Je länger wir warten, desto größer wird der Nachholbedarf.

GA: Ab wann darf die Bahn an die Börse?

Ramsauer: Wir brauchen ein positives Klima an den Wertpapiermärkten. Das haben wir aber im Moment nicht. Hinzu kommt: Die Bahn hat derzeit ein Imageproblem. Ich kann noch so tolle Betriebsbilanzen vorlegen: Bei schlechtem Image lässt sich die Bahn-Aktie schlecht verkaufen. Ich bin mir mit Bahn-Chef Grube einig: Daran müssen wir arbeiten.

GA: Konkret?

Ramsauer: Die Deutsche Bahn muss den Kundenanforderungen wesentlich besser entgegenkommen. Pünktlichkeit, Sauberkeit, Sicherheit, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit. Daran muss sich die Bahn ausrichten.

GA: Trägt zum Imagegewinn der Bahn der Neubau des Stuttgarter Bahnhofs bei: Kosten vier Milliarden?

Ramsauer: Ich stehe zu diesem Projekt, weil es für die Bahn ein Imagegewinn ist. Das wird übrigens von der Bahn, der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg finanziert. Der Bund gibt rund 560 Millionen dazu. Für die Stadt Stuttgart ist es ein ungeheurer städtebaulicher Gewinn. Gleise verschwinden unter der Erde. Die Menschen erhalten einen attraktiven Lebensraum.

GA: Vom Fach- zum Parteipolitiker Ramsauer: Hätten Sie diesen schwierigen Koalitionsstart vorhergesagt?

Ramsauer: Ich habe nie geglaubt, dass das einfach würde. Die große Koalition hatte als solche eine massiv disziplinierende Wirkung. Die gemeinsame Formel war: Wir können uns als große Volksparteien ein Scheitern nicht leisten. Jetzt haben wir die umgedrehte Situation. Wir haben eine stabile Wunschkoalition und eine komfortable Mehrheit im Bundestag. Das wirkt entdisziplinierend, was sich ändern muss.

GA: Auch wenn die FDP fortfährt, ihre Steuerentlastungspläne mit 20 Milliarden Entlastungen unter die Leute zu bringen?

Ramsauer: Ich teile mit der FDP die Einschätzung, dass das klipp und klar aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht. Das gilt.

GA: Und was passiert, wenn der Koalitionsvertrag den Realitätstest in Gestalt von Steuerschätzung und Milliardenlöcher im Haushalt nicht besteht?

Ramsauer: Deswegen steht im Koalitionsvertrag, die Steuernachlässe sollen "möglichst" zum Jahr 2011 erfolgen.

GA: Und wie ist es mit der Gesundheitsreform?

Ramsauer: Wir haben erst im vergangenen Jahr zusätzlich viele Milliarden in das Gesundheitssystem gesteckt. Damit ist die Grenze erreicht. Die Mittel sind erschöpft. Jetzt müssen andere Wege beschritten werden.

GA: Teilen Sie die Atomausstiegspläne des Umweltministers?

Ramsauer: Man hätte das optimaler kommunizieren können. Die FDP hat sich überfahren gefühlt. Aber das wurde intern geklärt.

GA: Wird nach dem 9. Mai - dem Tag der NRW-Wahl - alles besser?

Ramsauer: Ihre Frage unterstellt, dass jetzt alles schlecht ist. Und das ist wirklich nicht der Fall.

GA: Erwarten Sie bei der Bonn-Berlin-Diskussion einen Rutschbahn-Effekt zugunsten Berlins?

Ramsauer: Wir haben uns politisch auf zwei Standorte geeinigt. Die Kommunikation zwischen Berlin und Bonn funktioniert einwandfrei. Mein Ministerium ist dafür ein gutes Beispiel.

Zur PersonPeter Ramsauer ist promovierter Staatswissenschaftler, Betriebswirt und Müller-Meister. Der 56jährige Verkehrsminister hat seit 37 Jahren das CSU-Parteibuch. Der Alleininhaber eines Mühlbetriebs in Traunwalchen hat seit 1990 ein Bundestagsmandat; er galt im Regierungssitz-Streit seinerzeit als Bonn-Befürworter.

Zwischen 2005 und 2009 war er Vorsitzender der CSU-Landesgruppe. Nach den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr übernahm er das Verkehrs- und Bauressort in der schwarz-gelben Koalition.

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