Ausstellung im LVR-Museum Zwischen Lust und Last

Euskirchen · Das LVR-Industriemuseum in Kuchenheim präsentiert Geschichte und Kultur des Nutzgartens. Wer in den Ausstellungshalle den Praxisbezug vermisst, muss nur ein Paar Schritte vor die Tür gehen: Dort blühen in einem Nutzgarten alte und moderne Pflanzen.

 Neben allerlei Gartengeräten gehört auch ein Vorratsregal voller Einmachgläser – natürlich mit Inhalt – zur Ausstellung. Menschen aus der Region haben sie als Exponate zur Verfügung gestellt.

Neben allerlei Gartengeräten gehört auch ein Vorratsregal voller Einmachgläser – natürlich mit Inhalt – zur Ausstellung. Menschen aus der Region haben sie als Exponate zur Verfügung gestellt.

Foto: Rüdiger Franz

„Museum geht ans Eingemachte“, so lautete vor kurzem eine Überschrift im Lokalteil des General-Anzeigers. Darunter stand ein Aufruf an die Leser: Sie sollten dem Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) Einweckgläser mit selbst gemachten Marmeladen oder Kompott, eingekochten Bohnen, Gurken oder Tomaten bringen. Das Ergebnis ist von diesem Sonntag an in Kuchenheim zu sehen: 220 Gläser grüßen aus den Vorratskellern der Region. Die Regalwand, säuberlich nach Farben sortiert, ist einer der optischen Höhepunkte der neuen Sonderausstellung.

„Stadt, Land, Garten“, so heißt die Schau, die nun bis kurz vor Weihnachten einen weiten Bogen von den Ursprüngen des Gärtnerns bis hin zu neuesten Trends wie dem „Urban Gardening“ schlägt. Dass sich ein Industriemuseum mit etwas originär Unindustriellem befasst wie Gärten, ist nach Überzeugung von Museumschef Detlef Stender kein Widerspruch. Vielmehr dokumentiere man ja die Zusammenhänge. Und tatsächlich wird die Bedeutung des Gartens zur Zeit der Industrialisierung als Erholungsraum, vor allem aber für die Existenzsicherung ganzer Familien in der Darstellung prägnant herausgearbeitet.

Die Idee für die Zusammenstellung gebe es schon lange, erzählt Projektleiterin Annette Schrick. Denn trotz expliziter Gartenmuseen wie in Erfurt und Leipzig sei die Kulturgeschichte des Gärtnerns bislang noch nicht dezidiert beleuchtet worden. „Wir richten hier einmal den Fokus auf den Garten, aus dem man lebt“, ergänzt Detlef Stender.

In chronologischer Abfolge, dabei jedoch stets anschaulich und ansprechend – und oft auch überraschend – bewegt sich der Besucher durch die Epochen. Von den mittelalterlichen Klostergärten, mit denen in Anlehnung an den Garten Eden einerseits demütig die Schöpfung geehrt, aus dem andererseits aber für die Heilmedizin auch geschöpft wurde, geht es zunächst bis zur Epoche Friedrichs II., als die bürgerliche Kultur des Gärtnerns bewusst ausgeformt wurde.

Doch schon eine Ansicht der Stadt Köln aus dem Jahr 1572 weist im Inneren der Stadtmauer auffallend viel Gartenfläche aus. Ausführlich widmet sich die Ausstellung der Entstehung von Elendsquartieren in den heillos überfüllten Städten zur Zeit der Industrialisierung – und den oftmals erfolgreichen Versuchen, der Verelendung entgegenzuwirken. Die Krupp-Siedlung Margarethenhöhe in Essen steht bis heute als Beispiel dafür. Die Notgärten in den Innenstädten zur Zeit des Ersten Weltkriegs und die Gründung von Kleingärten und Gartenstädten als Ergebnis der Reformbewegungen bilden, allesamt reich bebildert, weitere Kapitel – ebenso die politische Ausschlachtung des Bedürfnisses nach einem Flecken im Grünen quer durch die weltanschauliche Farbenlehre.

Zu den Kontinuitäten ergänzt: Annette Schrick: „Das Besondere an der Gartenarbeit ist ja auch, dass sie sich über die Jahrhunderte in den wesentlichen Aspekten nicht verändert hat – angefangen bei den Pflanzen bis hin zu den Geräten und zu Tipps und Tricks für gelingenden Anbau.“

Dies wird am Ende deutlich, wenn man sich die Bilder vom „Urban Gardening“ auf dem Gelände der Bonner Ermekeilkaserne oder die Filmsequenzen ansieht, welche Bonner Volkskundestudenten für die Ausstellung zusammengestellt haben. Übrigens ist auch an Kinder gedacht: Auf ihrer Augenhöhe hält jede Tafel ebenfalls Wissenswertes zum Thema bereit. Auch für eine kleine Schnitzeljagd mit Wissens-Karten ist gesorgt.

Wer in den Ausstellungshalle den Praxisbezug vermisst, muss nur ein Paar Schritte vor die Tür gehen: Dort blühen in einem Nutzgarten alte und moderne Pflanzen. Entschließt man sich gar dazu, öfters vorbeizukommen, so kann man das Wachsen und Reifen von Bohne, Himbeeren, Birnen und Kartoffel im Laufe eines Gartenjahres selbst verfolgen. Nur arbeiten muss man nicht. Das erledigen auf traditionelle Weise ehrenamtlich tätige Gärtner.

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