Gutachten der Staatsanwaltschaft Wie konnte es zur Loveparade-Katastrophe kommen?

DUISBURG · Eine fröhliche Party endete am 24. Juli 2010 in Duisburg in einer Tragödie mit 21 Toten und Hunderten Verletzten. Ein zentrales Gutachten der Staatsanwaltschaft untersucht welche Fehler die Verantwortlichen bei der Planung und Genehmigung im Vorfeld des Festivals gemacht haben.

Zur Katastrophe auf der Loveparade in Duisburg ist es vermutlich auch durch Nachlässigkeiten nach der Abnahme des Geländes kurz vor Veranstaltungsbeginn gekommen. Das geht aus einem zentralen Gutachten der Staatsanwaltschaft hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Demnach standen im Zugangsbereich (Rampe Ost) Zäune, die man nach der Abnahme vergessen hatte wegzuräumen.

In der Expertise heißt es, dass diese Zäune vor Beginn der Loveparade dazu dienten, die Fläche vor unbefugtem Zutritt zu schützen. Die Zäune sollten laut Gutachten vor Öffnung des Geländes beseitigt werden. Stattdessen wurden sie aber offenbar nur an die Seite gestellt. Dadurch sei der Eingangsbereich in gravierender Weise verengt worden. So sei die engste Stelle nur noch 10,6 Meter bereit gewesen. Die genehmigte Planung sah eine Engstelle von einer Breite von rund 22 Meter vor. Die Rampe Ost ist der Ort, an dem es zur tödlichen Massenpanik gekommen war und wo die meisten der 21 Todesopfer gefunden wurden.

Das Gutachten untersucht, welche Fehler die Verantwortlichen bei der Planung und Genehmigung im Vorfeld des Festivals am 24. Juli 2010 mit 21 Toten und 652 Verletzten gemacht haben. Für das Gutachten, das vom Sicherheitsexperten Jürgen Gerlach erstellt wurde, wurden von Juli 2016 bis Ende September 2017 Tausende Aktenseiten und mehr als 300 Stunden Videomaterial gesichtet.

Neben der nicht weggeräumten Zäune gab es am Veranstaltungstag offenbar im Zugangsbereich weitere Versäumnisse und fragwürdige Entscheidungen, die nicht in den Planungen enthalten gewesen sind. Dazu zählt offenbar die Abstellfläche für Polizeifahrzeuge auf der Rampe Ost, die eingezäunt gewesen ist. Diese Fläche, so steht es im Gutachten, stehe in keinem genehmigten Plan. Die Expertise geht davon aus, dass man die Entscheidung dazu zwischen den Beteiligten wohl kurzfristig abgestimmt habe. Die damit verbundene Verengung des Eingangsbereichs um rund drei Meter sei zwar bedenklich gewesen, habe aber letztlich wegen der Zäune, die man vergessen hatte wegzuräumen, keine Rolle mehr gespielt.

Das Gutachten lässt zudem durchblicken, dass die Abnahme des Geländes mangelhaft gewesen sein könnte. Demnach seien Gefahren von einer defekten Kanalabdichtung im Eingangsbereich für die Besucher ausgegangen. Diese hätten dort stolpern oder sogar in den Schacht stützen können. Dieser Missstand hätte bei einer ordnungsgemäßen Abnahme auffallen können. Man hätte genug Zeit für eine sachgerechte Reparatur gehabt. Stattdessen sei der Schacht nur notdürftig abgedeckt worden. Inwieweit dieser Missstand die Katastrophe begünstigte oder ob dadurch sogar Menschen gestorben sind, ist laut Expertise noch nicht ausreichend untersucht worden. Fest steht aber: Rund um den Gully lagen hinterher Leichen.

Bis heute ist auch nicht geklärt, wie viele Besucher auf der Loveparade waren. Möglicherweise waren es deutlich weniger, als von den Veranstaltern erwartet worden waren. Der Analyse zufolge sollen bis spätestens 17.10 Uhr „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ maximal nur 118.000 Gäste auf der Eventfläche gewesen sein. Im Vorfeld hatte eine Prognose mit rund 290 000 Besuchern zu diesem Zeitpunkt kalkuliert.

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