Ermittlungen gegen d’Estaing WDR-Reporterin wirft Frankreichs Ex-Staatschef Belästigung vor

Paris · Der ehemalige Präsident Frankreichs Valéry Giscard d'Estaing soll die WDR-Mitarbeiterin Ann-Kathrin Stracke nach einem Interview mehrere Male am Gesäß berührt haben. Sie habe immer wieder versucht, die Hand des 94-Jährigen wegzuschieben - erfolglos.

 Eine Reporterin des Westdeutschen Rundfunks (WDR) wirft d'Estaing vor, sie sexuell belästigt zu haben.

Eine Reporterin des Westdeutschen Rundfunks (WDR) wirft d'Estaing vor, sie sexuell belästigt zu haben.

Foto: dpa/Jacques Demarthon

Valéry Giscard d'Estaing ist eine Ikone der französischen Politik. Hoch angesehen in ganz Europa ist der ehemalige Präsident (1974 bis 1981) seit fast zwei Jahrzehnten Mitglied der Académie française und gehört auch dem Verfassungsrat in Paris an. Als Elder Statesman tut er bisweilen in Interviews seine Meinung zur Weltlage kund. Aus diesem Grund fuhr im Dezember 2018 ein Fernsehteam des WDR nach Paris, um Giscard d'Estaing anlässlich des 100. Jahrestags der Geburt von Helmut Schmidt zu befragen, der ein langjähriger Freund des verstorbenen Ex-Kanzlers war.

Alles lief offensichtlich wie geplant – zumindest bis zu einem kurzen Fototermin nach dem Interview. Der 94 Jahre alte Ex-Präsident habe sie bei dieser Gelegenheit mehrfach am Gesäß berührt, sagt die WDR-Journalistin Ann-Kathrin Stracke. Sie habe immer wieder versucht, seine Hand wegzuschieben, dies sei ihr jedoch nicht gelungen. Die 37-Jährige hat daraufhin Anzeige gegen Giscard d'Estaing erstattet, weswegen die französischen Behörden nun gegen ihn wegen sexueller Belästigung ermitteln. Die Situation sei für sie „extrem degradierend, extrem herabsetzend“ gewesen, erklärt Ann-Kathrin Stracke im WDR ihren Schritt.

Giscard d'Estaing erinnere sich nicht an die von Ann-Kathrin Stracke beschriebene Situation, erklärt der Anwalt des früheren Staatsoberhaupts, Jean-Marc Fédida. Der Ex-Staatschef betrachte das Ganze als einen „besonders unwürdigen und verletzenden Medien-Angriff“ und werde sich nicht weiter dazu äußern.

Der WDR stellt sich hinter seine Mitarbeiterin. Das Büro des Politikers habe weder auf einen offiziellen Beschwerdebrief noch auf die Strafanzeige vom März inhaltlich reagiert. „Der WDR hält die Vorwürfe für glaubwürdig“, heißt es von Seiten des Senders. Der Kameramann bestätige den Angaben zufolge die Vorwürfe. Der Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung, Jörg Schönenborn, sagte: „Es verdient großen Respekt, wenn eine Mitarbeiterin den Mut hat, sich nach einem solch einschneidenden Erlebnis nicht nur an ihre Vorgesetzten im WDR, sondern auch an die Öffentlichkeit zu wenden.“

Ann-Kathrin Stracke selbst betont: „Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, ob ich es veröffentliche.“ Nun hoffe sie auf „eine gesellschaftliche Debatte über sexuelle Belästigung und mehr Mut, Dinge anzusprechen“.

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