König Albert II. dankt ab Vom Lebemann zum Hoffnungsträger

BRÜSSEL · König von Belgien wollte er nicht genannt werden. Albert II. war stets "König der Belgier", ein kleiner, aber wichtiger Unterschied in diesem zwischen Wallonen, Flamen und der deutschsprachigen Gemeinschaft oft zerrissenen Land. Vor wenigen Wochen 79 Jahre alt geworden, hatten viele seinen Rücktritt erwartet.

 König Albert II. und Kronprinz Philippe von Belgien 2010 bei einem Gottesdienst in Brüssel.

König Albert II. und Kronprinz Philippe von Belgien 2010 bei einem Gottesdienst in Brüssel.

Foto: dpa

Als sich der Monarch am Mittwochabend in Brüssel per Radio und Fernsehen an seine gut zehn Millionen Landsleute wandte, war nur der Zeitpunkt überraschend.

"Meine Kraft und meine Gesundheit reichen nicht mehr aus, um das Amt auszufüllen", sagte er - nach 20 Jahren im Amt. "Der Zeitpunkt ist gekommen, die Fackel weiterzugeben." Nur wenige Monate nach seiner niederländischen Amtskollegin Beatrix räumt das Staatsoberhaupt am 21. Juli, dem belgischen Staatsfeiertag, den Thron für seinen ältesten Sohn Philippe, der mit 53 Jahren die Nachfolge antreten wird - und ein schweres Erbe. "Er ist gut vorbereitet, zusammen mit seiner Frau Mathilde diese Aufgaben zu übernehmen."

Albert Felix Humbert Theodor Christian Eugen Maria von Belgien, der sechste König aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha, hat sich gemausert. Aus dem einstigen Lebemann und ständigen Gast in Klatschspalten wurde im Laufe der Jahre eine Persönlichkeit, die das Land zusammenhielt.

[kein Linktext vorhanden]Das bekannte sogar der damalige flämische Ministerpräsident Yves Leterme, als er auf dem Höhepunkt einer endlosen Regierungskrise feststellte, das Land werde nur noch von "Fußball, Bier und dem König" zusammengehalten. Fest steht, dass Albert II. sich große, in allen Landesteilen unumstrittene Verdienste erworben hat, als es darum ging, dass Belgien nicht in drei Teile zerfiel.

1934 wurde er als eines von drei Kindern König Leopolds III. und Prinzessin Astrid von Schweden geboren. Seine Mutter verlor er ein Jahr später bei einem Autounfall. Im Krieg floh die Familie nach Frankreich, später nach Spanien, 1940 kehrten die belgischen Royals zurück. Doch für den Thron war der Prinz zunächst nicht vorgesehen. Sein älterer Bruder Baudouin übernahm 1951 die Staatsgeschäfte und wurde zum wohl beliebtesten Monarchen. Als er 1993 kinderlos starb, blieb Albert nichts anderes übrig, als in seine Fußstapfen zu treten.

1959 heiratete er in einer kleinen Traumhochzeit die italienische Prinzessin Paola Ruffo di Calabria. In den 1960er Jahren gab es erste Gerüchte einer Ehekrise, die erst später einen Namen bekamen: Delphine Boël, eine heute 45-jährige Künstlerin, die gerade erst versucht, den greisen Monarchen per Gerichtsbeschluss zu einem Vaterschaftstest zu zwingen. Doch Albert II. schweigt.

Schließlich ist überraschender Familienzuwachs nichts Neues. Erst vor wenigen Jahren musste er erfahren, dass er eine Halbschwester in den Vereinigten Staaten hat - Ergebnis einer zärtlichen Romanze seines Vaters Leopold III. mit einer damals 23-jährigen Eislauf-Lehrerin, die auch Albert auf dem zugefrorenen Teich hinter Schloss Laeken in Brüssel beibrachte, wie man sich auf dünnem Eis bewegt.

Doch die Karriere durch die Klatschspalten endete schlagartig, als er 1993 den Thron übernahm. Kenner der belgischen Royals beschreiben den König als gewissenhaften Arbeiter, als einen Mann, der keine schnellen Entscheidungen trifft, sondern sich stunden-, manchmal tagelang Zeit lässt, um in Ruhe nachzudenken. Und dann auch deutliche Worte zu sprechen.

So rüffelte er vor einigen Jahren in einer offiziellen Weihnachtsansprache sogar die eigenen Kinder, die sich als blaublütige Mitglieder des Hofes entsprechend zu verhalten hätten. Der Appell ging vor allem an den Jüngsten, Prinz Laurent (50), im Volk als "Prinz Vollgas" bekannt, weil er auch schon einmal von der Polizei gestoppt wurde, als er nachts mit einem italienischen Sportwagen auf der Autobahn nach Paris einen neben ihm fahrenden TGV-Hochgeschwindigkeitszug bei Tempo 300 zu überholen versuchte.

In Belgien gilt ein Tempolimit von 120 km/h. Die belgische Verfassung weist dem Regenten eine deutlich aktivere politische Rolle zu als in anderen europäischen Staaten. Während der über 400 Tage dauernden Regierungskrise sondierte Albert II. denn auch persönlich mehrfach und empfing bis tief in die Nacht die Vertreter der heutigen Koalition unter Führung des wallonischen Sozialdemokraten Elio di Rupo. Mitten im Streit der Sprachengemeinschaften wurde der Monarch so zur letzten überparteilichen Integrationsfigur.

Zumal er den öffentlichen Rufen nach Reformen im Königshaus aufgeschlossen gegenüberstand. Die Apanage, die derzeit bei rund zehn Millionen Euro im Jahr liegt, wurde mehrfach gekürzt und allein dem amtierenden Monarchen zugeschrieben. Dessen Kinder müssen schon selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen.

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