Vor Einschulung in NRW Viele Kinder können nicht mit Stift und Schere umgehen

Düsseldorf · Viele Grundschüler können Schere und Stift nicht richtig halten. Das behindert sie beim Malen, Schreiben und Basteln. Die Therapieplätze für bewegungsgestörte Kinder sind überlaufen.

Viele Kinder im Grundschulalter können schulische Hilfsmittel wie Stift oder Schere nicht richtig halten oder benutzen. Die Situation sei vielerorts dramatisch, meint die Düsseldorfer Ergotherapeutin Angela Klücken. „Diese Schwäche nimmt bei den Kindern von Jahr zu Jahr zu. Sie können die einfachsten Hanggriffe nicht mehr“, erklärte die Expertin. Verzweifelte Eltern riefen sie an, weil ihre Kinder in der Schule deswegen nicht mehr mitkämen und die Versetzung gefährdet sei. Doch Therapieplätze sind Mangelware. „Es gibt bei mir und vielen Kollegen lange Wartelisten. Es benötigen einfach zu viele Kinder diese Hilfe“, sagt e Klücken.

Nach Angaben des Heilmittel-Infoportals des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassenversicherungen GKV haben allein in NRW im vergangenen Jahr 107.480 Kinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren ergotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen. Die Zahl bewegt sich bereits seit zehn Jahren auf diesem Niveau. Experten gehen aber davon aus, dass mehr Kinder betroffen sind, die Eltern aber keine Betreuung in Anspruch nehmen würden. „In bildungsfernen Schichten weist nahezu jedes zweite Kind solche Probleme auf“, sagt Andrea Espei vom Deutschen Verband der Ergotherapeuten. Ihren Angaben zufolge kämen die Kinder in Scharen in die Praxen.

Lehrer sind in der Pflicht

Besonders hoch sei die Nachfrage etwa ein halbes Jahr vor der Einschulung. „Dann merken die Eltern plötzlich, dass ihre Kinder Probleme haben, richtig mit der Schere umzugehen“, sagt sie. Es sind zum überwiegenden Teil Jungs, die diese Schwierigkeiten haben. „Das liegt unter anderem auch daran, dass Jungs nicht so gerne ruhig am Tisch sitzen und basteln oder malen“, erklärte Espei. Manche Kinder hätten Schwierigkeiten, ganze Buchstaben bewegunsrichtig und flüssig zu schreiben, sagt Linda Kindler vom Grundschulverband. „Manche haben zu Schulbeginn erst sehr selten oder noch nie einen Stift in der Hand gehabt“ betonte sie.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, sieht die Lehrer in der Pflicht. „Sie sollten die Eltern sofort darüber informieren, wenn ihnen auffällt, dass ein Kind Probleme beim Schreiben hat, damit man entsprechende Ärzte hinzuziehen kann“, sagte Meidinger unserer Redaktion. Aber auch die Eltern sollten dafür sorgen, dass ihre Kinder genügend Möglichkeiten hätten, ihre feinmotorischen Fähigkeiten auszubilden. „Denn mittlerweile ist es häufig leider so, dass die einzige motorische Fähigkeit bei Kindern das Wischen mit dem Daumen auf den Smartphones ist“, so M eidinger.

Förderung zu Hause kann helfen

Aus Sicht des Philologen-Verbandes NRW ist es sehr wichtig, dass Grundschüler bei solchen Schwierigkeiten eine bedarfsgerechte Unterstützung bekommen. „Denn Defizite aus der Grundschule können die Arbeit der Kollegen an den weiterführenden Schulen erschweren und auch den Erfolg der Kinder in der Sekundarstufe beeinträchtigen“, sagte die Vorsitzende des Philologenverbands, Sabine Mistler.

Helmut Hollmann vom Kinderneurologischen Zentrum der Bonner LVR-Klinik rät Eltern betroffener Kinder dazu, sich nicht verrückt machen zu lassen. „Oft reicht einfach mehr Förderung zu Hause aus, um die Rückstände aufzuholen“, erläuterte der renommierte Kinderneurologe. „Man muss Kinder nur machen lassen.“ Förderlich für die Feinmotorik sind Tätigkeiten, bei denen Kinder ihre Hand- und Fingerbewegungen koordinieren müssten, wie das Auffädeln von Perlen, Basteln, Kleben, Sortieren kleiner Gegenstände, Stempeln, Kneten, Hand- und Fingerspiele.

3000 Erstklässler in Bonn

Für rund 3000 Erstklässler in Bonn beginnt diese Woche die Schule. Stadt Bonn, SWB, Polizei und Verkehrswacht mahnen Autofahrer zur Rücksicht. Damit die Kinder besser auffallen, stellen die Stadtwerke wieder rund 3000 orangefarbene Käppchen zur Verfügung. Der Stadtordnungsdienst will in den ersten Wochen die Schulwege sichern.

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