Nach erneuter Sperrung Trotz Drohnensichtung: Gatwick nimmt Flugbetrieb wieder auf

London · Erneut ist eine Drohne über dem Londoner Flughafen Gatwick gesichtet worden. Diesmal wird der Betrieb nur kurzzeitig eingestellt. Die Flughafenbetreiber verlassen sich auf die Abwehrtechnologie des Militärs. Der Druck auf die Ermittler wächst, Erfolge zu liefern.

 Flugzeug vor der Landung auf dem Flughafen London-Gatwick.

Flugzeug vor der Landung auf dem Flughafen London-Gatwick.

Foto: John Stillwell/PA Wire

Der Londoner Flughafen Gatwick kommt nicht zur Ruhe. Nachdem am Freitagmorgen der Flugbetrieb nach 36-stündigem Stillstand wieder aufgenommen werden konnte, wurde abends erneut eine Drohne gesichtet.

Wieder wurde das Flugfeld gesperrt - doch diesmal nur für etwas mehr als eine Stunde. Es habe tatsächlich eine bestätigte Drohnensichtung gegeben, sagte eine Flughafensprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, doch die Abwehrmaßnahmen des Militärs seien ausreichend, um die Sicherheit zur gewährleisten.

Wer hinter der gezielten Störaktion steckt war weiter unklar. Insgesamt rund 150 000 Passagiere waren von den Flugausfällen und Umleitungen seit Mittwochabend betroffen. Am Donnerstag war der zweitgrößte Airport in Großbritannien fast den ganzen Tag komplett stillgelegt gewesen. Dutzende Male waren Drohnen gesichtet worden.

Das Militär hatten Technik am Flughafen installiert, mit der die Sicherheit gewährleistet werden sollte und die Drohnen abgewehrt werden können. Nach der erneuten Drohnensichtung am Freitag wurden laut Polizei "erhebliche Kräfte mobilisiert", um die Drohne und denjenigen, der sie lenkt, ausfindig zu machen. Bislang jedoch ohne Erfolg.

Die Ermittler haben bereits Personen im Visier, die zu den Vorfällen befragt werden sollen. Ob damit Verdächtige oder nur mögliche Zeugen gemeint sind, war zunächst unklar. Bei den Störaktionen handle es sich um "hochkriminelles Verhalten", sagte ein Polizeisprecher der BBC am Freitag. Von einem terroristischen Hintergrund gehen die Behörden bislang nicht aus. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass ein Staat hinter den Drohnenflügen stecke, so der Sprecher.

Von Mittwochabend bis Freitagfrüh war in Gatwick - abgesehen von einer dreiviertelstündigen Unterbrechung - kein einziges Flugzeug mehr gelandet oder gestartet. Ankommende Maschinen mussten umgeleitet werden und teils hunderte Kilometer entfernte Airports wie Amsterdam und Paris ansteuern. Die Einsatzkräfte konnten die Störmanöver trotz eines großen Polizeieinsatzes mit Hubschrauber, Scharfschützen und Spezialgerät der Armee zunächst nicht unterbinden.

Der Abschuss der Drohnen war lediglich als "taktische Option" in Erwägung gezogen worden. Die Gefahr durch fehlgeleitete Geschosse sei zu groß, sagte der britische Verkehrsminister Chris Grayling in einem BBC-Interview. "Man kann nicht einfach aufs Geratewohl Waffen in einem bebauten Gebiet um den Flughafen abfeuern. Das hätte Konsequenzen, wenn es schief ginge", so Grayling.

Auch in Deutschland sind Zwischenfälle mit Drohnen ein wiederkehrendes Problem. In den vergangenen Monaten haben sie sogar deutlich zugenommen: Laut der Deutschen Flugsicherung wurden bis einschließlich November 152 Fälle gemeldet, bei denen Verkehrsflieger durch Drohnen behindert wurden, die gefährlich nah an Flughäfen oder auf der Strecke auftauchten. Im bisherigen Rekordjahr 2017 waren es lediglich 88 Fälle gewesen.

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit verlangt einen besseren Schutz der fliegerischen Infrastruktur. "Die Flughäfen tun nicht genug", sagte Sprecher Janis Schmitt, der selbst fast täglich mit einem Mittelstreckenjet unterwegs ist. Natürlich sei die Drohnenabwehr nicht trivial, es gelte aber, die bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten schneller anzuwenden und auszubauen.

Führende Drohnenhersteller wie das chinesische Unternehmen DJI verankern die Nicht-Flugzonen bereits in der Software ihrer Geräte, einheitliche Regeln dazu gibt es aber nicht. Technische Möglichkeiten, rund um die Flughäfen Steuer-Frequenzen zu blockieren, bergen das Risiko, andere Systeme zu stören.

Bislang gibt es in der EU auch kein zentrales Drohnen-Register oder die Pflicht, einen Transponder einzubauen, mit dem die unbemannten Objekte für die Flugsicherung sichtbar wären. Die Deutsche Flugsicherung fordert diese Schritte schon länger, hat sich aber beim Erlass der nationalen Drohnenverordnung nicht durchsetzen können. Danach genügt an Drohnen, die in Deutschland starten, ein Blechschild, das Namen und Anschrift des Eigners nennen soll.

Technisch ist es auch kein Problem, in einem bestimmten Gebiet Drohnen zu entdecken. Systeme dafür bietet unter anderem die Firma Dedrone aus Kassel an, die bereits große Sportereignisse geschützt hat. Das Problem bleibt, wie man die entdeckten und mutmaßlich feindlichen Drohnen dann vom Himmel holen kann. Netze, Greifvögel oder Abschuss: Die bislang diskutierten Möglichkeiten sind nach Expertenmeinung nicht zufriedenstellend.

Dedrone setzt auf Störsignale, mit denen die Drohnen außer Gefecht gesetzt werden können. "Da kommen so genannte "Jammer" zum Einsatz, die genau das tun, das sind Störsender die den Kontakt zwischen Drohne und Pilot so nachhaltig stören, dass die Drohne in den Landemodus geht", sagte Dedrone-Chef Jörg Lamprecht der Deutschen Presse-Agentur. Doch die "Jammer" unterbrechen auch andere Signale, die für den Flughafenbetrieb notwendig sind.

Deutsche Flughäfen seien Drohnenattacken bislang völlig schutzlos ausgeliefert, sagte Lamprecht. Denn es sei nicht geklärt, wo die Verantwortung liege: bei den Flughäfen, der örtlichen Behörde oder der Luftaufsicht. "Jeder schiebt das Problem dem anderen zu", sagte er.

Der Anwalt und Rechtsprofessor von der Technischen Universität Chemnitz, Martin Maslaton, fordert Gesetzesänderungen, um Flughäfen die Abwehr von Drohnen zu erleichtern. Wenn der Eigentümer eines Grundstücks eine Drohne über seinem Grundstück angreife, könne das eine strafbare Sachbeschädigung sein. "Das muss sich dringend ändern", sagte Maslaton einer Mitteilung zufolge. Sensiblen infrastrukturellen Einrichtungen und anderen schützenswerten Industrieanlagen müsse erlaubt sein, sich auch selber schnell und effektiv vor Drohnen zu schützen.

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