Billigurlaub Touristen zahlen immer weniger bei Urlaub in der Türkei

Istanbul · Lange hatte die Türkei Probleme mit ausbleibenden Urlaubern. Jetzt kommen sie in großer Zahl, zahlen aber immer weniger. Und dann wäre das noch das Problem mit Russland.

 Traumstrand: Die Blaue Lagune von Ölüdeniz gilt als einer der schönsten – und in der Saison vollsten Strände der Türkei.

Traumstrand: Die Blaue Lagune von Ölüdeniz gilt als einer der schönsten – und in der Saison vollsten Strände der Türkei.

Foto: picture alliance/dpa/Thomas Cook

Einen Rekord bejubelten türkische Zeitungen, als das Tourismusministerium in Ankara die aktuelle Bilanz veröffentlichte: Fast 52 Millionen Besucher kamen demnach im vergangenen Jahr in die Türkei – tatsächlich eine historische Höchstzahl. Besonders bemerkenswert ist das, weil die Besucherzahl erst vor ein paar Jahren wegen Terroranschlägen, Krieg und Putschversuch in der Türkei dramatisch abgestürzt war und am Tiefpunkt im Jahr 2016 kaum über 30 Millionen kam. Doch die Erfolgsmeldungen verdecken mit dem Besucherrekord, wie schwer die türkische Tourismusbranche durch die Krisenjahre geschädigt ist.

Zwar erreichte das Einkommen aus dem Tourismus im vergangenen Jahr mit 34,5 Milliarden Dollar erstmals wieder die Marke vom bisherigen Spitzenjahr 2014 und überstieg sie sogar leicht – doch waren dafür gut zehn Millionen Urlauber mehr nötig als 2014, als knapp 42 Millionen Besucher kamen. Rund 828 Dollar ließ ein durchschnittlicher Türkei-Urlauber im Jahr 2014 im Land, im vergangenen Jahr waren es noch 666 Dollar pro Kopf – rund 20 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Immer mehr Touristen, die immer weniger bezahlen – die Branche frisst sich selbst auf.

Sieben Millionen russische Gäste

Die Masse macht es, und daran fehlt es derzeit nicht. Alleine aus Russland kamen im vergangenen Jahr mehr als sieben Millionen Touristen an türkische Strände – sie stellten die größte Besuchergruppe vor den Auslandstürken mit 6,5 Millionen und den Deutschen mit gut fünf Millionen. Und das könnte erst der Anfang gewesen sein, wenn es nach den Plänen russischer Reiseveranstalter für dieses Jahr geht: Tägliche Direktflüge nach Antalya von 17 neuen Abflughäfen in Russland kündigte ein führender Veranstalter für die kommende Saison an; ein anderer verdoppelt seine Flugkapazitäten aus 18 russischen Städten.

Bei diesen Zuwachsraten könnte das Ziel von 60 Millionen Besuchern schon in diesem Jahr erreichbar sein, sagte die Vorsitzende des türkischen Tourismusinvestorenverbandes, Oya Narin, der Zeitung „Milliyet“. Dieses Ziel hat die Regierung für das Jubeljahr 2023 gesteckt, wenn die Türkische Republik einhundert Jahre alt wird. Das Ergebnis hatte sie sich allerdings anders vorgestellt: 60 Millionen Touristen würden 60 Milliarden Dollar in die Kasse bringen, rechnete der damalige Tourismusminister Numan Kurtulmus noch 2018 vor – eine Rechnung, die nun nicht mehr aufgeht.

Angst vor dem Boykott

Angesichts neuer Spannungen im Verhältnis zwischen Russland und der Türkei hat die Branche derzeit aber dringendere Sorgen. Wenn der Streit zwischen Ankara und Moskau um die Kämpfe im nordsyrischen Idlib nicht beigelegt werde, könnte Russland wieder einen Boykott türkischer Strände ausrufen, meldete die russische Zeitung „Komsomolskaya Prawda“ kürzlich und versetzte damit die türkische Tourismus-Welt in Panik.

Moskau hatte dies nach dem Abschuss eines russischen Flugzeuges durch die Türkei im November 2015 schon einmal getan und damit ganz wesentlich zur Tourismuskrise in der Türkei von 2016 beigetragen. Die Zahl russischer Besucher stürzte damals von 4,5 Millionen rasant auf unter eine Million ab.

Diesmal steht angesichts gestiegener Besucherzahlen und einer geschwächten Branche noch mehr als vor vier Jahren für die Türkei auf dem Spiel. Das Tourismusministerium müsse dringend einen Plan B für den Ernstfall vorlegen, forderte denn auch das Fachblatt „Turizm Güncel“ (Tourismus Aktuell) jetzt in einem Leitartikel: „Wladimir Putin sitzt am Wasserhahn und kann uns jederzeit sieben Millionen Besucher abdrehen.“

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