Verwaltung in der Kritik Tote nach Hauseinsturz in Marseille

Marseille · Wo eben noch Häuser standen, klafft plötzlich eine riesige Lücke: Unter den Trümmern der eingestürzten Häuser in der Hafenstadt Marseille finden die Behörden Tote. Und lauter wird die Frage: Wer ist für das Unglück verantwortlich?

 Ein Feuerwehrmann sucht mit einem Spürhund nach Verschütteten. Viele Häuser in dem betroffenen Stadtteil Noailles sind in einem besorgniserregenden Zustand.

Ein Feuerwehrmann sucht mit einem Spürhund nach Verschütteten. Viele Häuser in dem betroffenen Stadtteil Noailles sind in einem besorgniserregenden Zustand.

Foto: Claude Paris/AP

In den Ruinen der eingestürzten Häuser in Marseille haben Einsatzkräfte mehrere Leichen entdeckt. Am Dienstagabend wurde eine vierte Leiche geborgen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft mitteilte.

Dabei handele es sich um eine Frau - zuvor wurden bereits zwei Männer und eine Frau in den Trümmern der maroden Wohnhäuser entdeckt. Mehrere Menschen werden noch vermisst. Die Wohnungspolitik der südfranzösischen Hafenstadt gerät jetzt in die Kritik.

Zwei Häuser waren am Montagmorgen im Zentrum in einer engen Straße eingestürzt. Eines davon stand leer, weil es baufällig war. Das andere Gebäude, das erst im Oktober inspiziert wurde, war bewohnt, aber ebenfalls marode. Insgesamt wurden zwischen fünf und acht Menschen in den Häusern vermutet. Das italienische Außenministerium teilte am Dienstag mit, dass auch eine Italienerin unter den Vermissten sei.

Zunächst war vermutet worden, dass auch zwei Passanten von den Trümmern erschlagen worden sein könnten. Hier konnten die Behörden jedoch Entwarnung geben: Die Straße wurde geräumt, Leichen wurden dort nicht gefunden. Dutzende Bewohner anliegender Häuser wurden am Montag in Sicherheit gebracht.

Innenminister Christophe Castaner versprach am Unglücksort, die Ursache zu klären. "Dieser dramatische Unfall könnte auf die heftigen Regenfälle zurückzuführen sein, die in den vergangenen Tagen auf Marseille gefallen sind", hieß es am Montag von der Stadt.

Die Stiftung Abbé Pierre, die sich für bessere Wohnbedingungen einsetzt, kritisierte die Stadt scharf für ihre Wohnungspolitik. "Es ist das Ergebnis jahrzehntelanger öffentlicher Untätigkeit", sagte Regionaldirektor Florent Houdmon zu AFP. Auch der Sprecher eines Einwohnervereins sieht demnach die Verantwortung für das Unglück bei der Stadt. "Die Situation, in der die beiden eingestürzten Gebäude waren, war lange bekannt", sagte Patrick Lacoste.

Viele Häuser in dem betroffenen Stadtteil Noailles sind in einem besorgniserregenden Zustand. AFP zufolge gibt es mehrere Berichte, die auf die gefährliche Situation hinweisen. Auf Fotos bei Google Maps war zu sehen, dass die eingestürzten Häuser riesige Risse an der Fassade hatten. "Es sind die Häuser der Armen, die zusammenstürzen - und das ist kein Zufall", sagte der führende Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon nach Angaben mehrerer Medien. Mélenchon hat in Marseille seinen Wahlkreis und reiste am Montag ebenfalls zum Unglücksort.

Eine 25-jährige Bewohnerin eines der beiden eingestürzten Häuser berichtete AFP, dass seit einigen Tagen die Türen in ihrer Wohnung nicht mehr richtig geschlossen hätten. Am Sonntag - eine Nacht vor dem Einsturz - verließ sie ihre Wohnung und fuhr zu ihren Eltern. "Ich hatte Angst, zu Hause eingeschlossen zu sein."

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