Pläne zur Neugestaltung So könnte Notre-Dame in Zukunft aussehen

Paris · Nach dem Brand läuft die Renovierung der Kathedrale auf Hochtouren. Die Finanzierung ist gesichert, doch der Streit, wie die Kirche am Ende aussehen soll, beginnt erst.

Notre-Dame liegt noch immer auf der Intensivstation. Abgeschirmt von den Touristen untersuchen Fachleute die Kathedrale auf der Île de la Cité in Paris akribisch Stein für Stein auf Schäden. Wie ein gigantischer Verband spannt sich eine riesige weiße Plane über die klaffenden Wunde im Dach, die der verheerende Brand Mitte April gerissen hat.

Experten gehen davon aus, dass allein die exakte Aufnahme der Schäden viele Monate, wenn nicht Jahre dauern dürfte. Erst danach könne man mit der Planung der Renovierung und schließlich den Bauarbeiten beginnen. Doch nicht Architekten und Kunsthistoriker geben in diesem Fall den Zeitrahmen vor, sondern die Politik. Noch in der Nacht des Brandes hatte Präsident Emmanuel Macron den Schwur getan, Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren aufzubauen. Und um seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, hat er unmittelbar einen ehemaligen Fünf-Sterne-General als obersten Bauaufseher eingesetzt. Jean-Louis Georgelin, der als kultiviert und historisch gebildet gilt, zeigte sich tief geehrt und ließ erahnen, welche Marschroute er einschlagen wird. Er habe nicht vor, diese fünf Jahre mit kunsthistorischen Symposien zu verlieren, erklärte der Militär am Tag seiner Ernennung. Diese Mission sei ein Kampf, eine Schlacht, eine Frage des Willens.

Das sind markige Worte, dabei ist noch nicht einmal geklärt, in welcher Form das zerstörte Dach von Notre-Dame wieder rekonstruiert werden soll. Eine zentrale Frage ist: was ist das Original? Gilt als Referenzpunkt die erste Planung aus dem 12. Jahrhundert? Oder ist es der Dachstuhl wie er auf Zeichnungen aus dem 17. Jahrhundert abgebildet ist? Oder jener nach der Sanierung im 19. Jahrhundert? Oder sollen, wie von Macron angedeutet, moderne Elemente mit einfließen? Eine Umfrage unter den Franzosen hat ergeben, dass sie am liebsten alles so haben wollen wie vor dem Brand. Eine Initiative fordert deshalb, zuerst einmal die 1300 Eichen zu pflanzen, die in diesem Fall für die Rekonstruktion des Dachstuhls notwendig wären. Fachleute halten dagegen, dass eine völlig neue Konstruktion aus Stahl wie beim Kölner Dom weniger brandgefährdet wäre.

Deutlich wird, dass Notre-Dame für Frankreich mehr ist als nur ein Gebäude oder eine einfache Kirche. Die Kathedrale ist vollgepackt mit Mythen, Erzählungen und Deutungen, sie ist ein Symbol für die Geschichte eines ganzen Landes, was den Chor der Besserwisser dramatisch vergrößert und die Rekonstruktion unendlich schwierig macht.

Die vielen ungelösten Fragen befeuern in dieser Phase vor allem auch die Fantasie der Architekten. Seit klar ist, dass der Aufbau in einem internationalen Wettbewerb ausgeschrieben wird, flattern aus aller Welt die kühnsten Entwürfe durchs Internet. Manche Vorschläge muten jedoch an, als sei den Planern auf Photoshop schlicht die Maus ausgerutscht. So züngelt bei dem Pariser Designer Mathieu Lehanneur eine gigantische Flamme aus der Kathedrale in Richtung Himmel. Seine Erklärung für den Entwurf: „Man muss den Moment des Dramas festhalten. Das Feuer ist heute eines der Symbole dieser Kathedrale.“

Auffallend häufig sind Stahl-Glas-Konstruktionen zu finden, in denen auch Wandelgänge und Aussichtsplattformen Platz finden. Der russische Architekt Alexander Nerovnya versucht mit seinem Entwurf Altes und Neues zu verbinden und bildet fast exakt das während des Brandes eingestürzte Dach als Glaskonstruktion nach.

Weil die durch das Feuer zerstörte Eichenkonstruktion auch ehrfurchtsvoll „der Wald“ genannte wurde, schlägt der ökologisch orientierte Architekt Marc Carbonare vor, auf dem Dach einen echten Wald zu pflanzen. Er hält das für ein „sehr schönes Symbol für den Planeten“ und das sei sicher auch wesentlich billiger als die genaue Rekonstruktion des Dachstuhls.

Am Geld mangelt es allerdings nicht bei den Arbeiten an der Kathedrale. Fast eine Milliarde Euro sind nach dem Brand in einer beispiellosen Aktion innerhalb von 48 Stunden an Spenden gesammelt worden. Der oberste Bauaufseher und Ex-General Jean-Louis Georgelin kann also aus dem Vollen schöpfen. Ob sein militärischer Drill in der von ihm ausgerufenen Schlacht mit dem unübersichtlichen Heer von Architekten, Statikern, Historikern, Restauratoren, Politikern oder Bürgerinitiativen wirklich hilft, ist allerdings mehr als fraglich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort