Auf dem Obduktionstisch Promi-Geburtstag vom 4. Februar 2019: Wolfgang Eisenmenger

München · Manchen Prominenten lernte er erst posthum kennen: Wolfgang Eisenmenger obduzierte Franz Josef Strauß und Rudolph Moshammer. Nun wird der Münchner Rechtsmediziner 75. Sein Wort ist weiter gefragt - in kniffeligen Fällen vor Gericht und in Ethikfragen.

 Strauß und Mosi unterm Skalpell - Rechtsmediziner Wolfgang Eisenmenger wird 75.

Strauß und Mosi unterm Skalpell - Rechtsmediziner Wolfgang Eisenmenger wird 75.

Foto: Peter Kneffel

Gerade hat Wolfgang Eisenmenger verhindert, dass an dem Tisch, auf dem früher Leichen seziert wurden, zahlende Gäste speisen. Ein Gastronom wollte den schwarzem Marmortisch für sein Restaurant kaufen.

"Wer kommt denn auf so eine Idee, dass man an einem solchen Tisch Gäste beherbergen könnte", sagt Eisenmenger, der an dem Tisch seinerzeit den ermordeten Schauspieler Walter Sedlmayr obduziert hatte. "Das schickt einem das kalte Grausen durch den Körper. Wir haben das natürlich abgelehnt."

Eisenmengers frühere Arbeit kann Außenstehende in der Tat schaudern lassen. Mehr als 20.000 Tote hat der frühere Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) im Laufe seiner Karriere obduziert. Unter ihnen waren der CSU-Politiker Franz Josef Strauß und der Modezar Rudolph Moshammer. Auch im Fall des Nazis Rudolf Heß und bei Lady Di war er an Untersuchungen beteiligt. Am Montag wird Eisenmenger 75 Jahre alt.

Immer wieder hatte er spektakuläre Fälle. Nach dem Tod von Strauß 1988 wurde er nach Regensburg gerufen. Mit der Obduktion sollte er unter anderem klären, ob der Grund für den Zusammenbruch des CSU-Politikers eine Fischvergiftung sein könnte. Aber Strauß starb schlicht an den Folgen eines Herzinfarktes.

Nach dem Unfalltod von Lady Di und deren Freund Dodi Al-Fayed in Paris engagierte dessen Vater Experten, unter ihnen Eisenmenger, um die offiziellen Untersuchungen zu überprüfen. Für Angehörige des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß kontrollierten Eisenmenger und sein Team, ob dieser wirklich Suizid begangen hatte. "Die Familie wollte wissen, ob das stimmt. Wir haben eine Nachdiagnose vorgenommen."

Jahrzehnte über Leichen gebeugt, mit dem Skalpell in der Hand - wie hält man das aus? "Man wächst in so eine Situation hinein. Dann fällt einem gar nicht mehr auf, was für andere erschreckend ist." Der Seziertisch fehlt ihm aber nicht. "Irgendwann ist man froh, wenn man diesen Part der Rechtsmedizin nicht mehr zu vertreten hat."

Inzwischen kümmert sich der emeritierte Hochschullehrer vor allem um Ethikfragen: Seit 2010 leitet er die Ethikkommission der medizinischen Fakultät an der LMU. Die Möglichkeiten weiten sich - damit häufen sich Fragen nach ethischen Grenzen. Eingriffe ins Erbgut über die Genschere Crispr, wie in China an Embryonen vollzogen, sind zwar in Deutschland verboten. Doch die Frage, in welchen Fällen das Instrument bei schwer kranken Patienten angewendet werden darf, beschäftigt auch Eisenmenger und sein Team.

Regelmäßig sitzt er zudem in Gerichtssälen und erstattet Gutachten, etwa zur Schuldfähigkeit unter Alkohol oder zu Folgen von Fußtritten gegen den Kopf. Irgendwann wird er selbst einmal auf dem Edelstahltisch in den weiß gekachelten Kellerräumen der Rechtsmedizin liegen: Er hat seine Leiche schon jetzt zu diesem Zwecke vermacht - vor allem, "um Vorurteile gegen die Sektion abzubauen".

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