Meisterregisseur Promi-Geburtstag vom 15. August 2018: Nicolas Roeg

London · Er ließ sich nie auf ein Genre festlegen: Nicolas Roeg ist einer der originellsten Filmemacher Großbritanniens. Aber er blieb ein Außenseiter, verehrt für seine Kultfilme.

 Nicolas Roeg wird 90. Foto (2009): Eduardo Abad

Nicolas Roeg wird 90. Foto (2009): Eduardo Abad

Foto: Eduardo Abad

"Wenn die Gondeln Trauer tragen" ist Nicolas Roegs bekanntestes Werk: In dem Horrorfilm (1973) nach einer Kurzgeschichte von Daphne du Maurier spielen Julie Christie und Donald Sutherland trauernde Eltern.

Die Eltern denken, dass sie ihre tote Tochter auf einer Reise nach Venedig sehen. Am heutigen Mittwoch (15. August) feiert der Kultregisseur seinen 90. Geburtstag.

Auch dieses Meisterwerk verwirrt, genau wie die meisten seiner anderen Filme: Roeg hält seine Zuschauer bis zur letzten Szene - in der er die Geschichte brutal aufklärt - mit seiner typischen assoziativen Schnitt-Technik in Atem.

Er ist bekannt dafür, dass er seine Schauspieler bis zur Erschöpfung treibt. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die berüchtigte Sex-Szene zwischen Christie und Sutherland so echt wirkt, dass darum jahrzehntelang Gerüchte schwirrten. Selbst 40 Jahre später sah sich Sutherland zu der Stellungnahme gezwungen: "Nicht wahr. Nichts davon." Und der Produzent Peter Katz kommentierte noch 2011 trocken im "Hollywood Reporter": "Es gab zwar eine Sexszene, die auf Film gebannt wurde, aber es war keine Szene, mit der ein Mensch hätte erschaffen werden können."

Roeg gibt äußerst selten Interviews. Er lässt lieber seine Filme für sich selbst sprechen. John Preston vom "Telegraph" beschrieb ihn als kleinen, gnomenhaften Mann mit Segelohren, der in seinem eigenen Film-Universum lebt; so besessen, dass er wie darin verstrickt wirkt.

Geboren 1928 in London, arbeitete Roeg sich in den Filmstudios gegenüber dem Elternhaus vom Laufburschen bis zum Kameraassistenten hoch und drehte schließlich als Kameramann der Second Unit für den Oscar-gekrönten Film "Lawrence von Arabien" (1962). Doch er hatte immer schon seinen eigenen Kopf: Beim Dreh von "Doktor Schiwago" (1965) geriet er mit dem Regisseur aneinander und wurde gefeuert. Daraufhin filmte er Klassiker wie François Truffauts "Fahrenheit 451" (1966) und John Schlesingers "Die Herrin von Thornhill" (1967).

1970 bekam er die Chance, bei dem psychedelischen Gangsterfilm "Performance" Regie zu führen - mit Mick Jagger von den Rolling Stones in der Rolle eines zurückgezogenen Rockstars. Ein Skandalfilm nicht nur wegen der sexuellen Experimente der Hauptpersonen, sondern auch wegen Roegs ungewöhnlicher Sprünge zwischen Wirklichkeit und surrealen Drogenträumen.

Der Filmkritiker von "Life" urteilte: "Der absolut wertloseste Film, den ich je gesehen habe, seit ich rezensiere." Das traf Roeg hart: "Das ist einer der wenigen Zeitungsausschnitte, die ich jemals aufbewahrt habe", verriet er dem "Telegraph". Seine Geldgeber - das renommierte Studio Warner Brothers - "drohten mich zu verklagen, weil ich nicht den Film ablieferte, den sie erwarteten."

Doch sein nächster Film war nicht weniger gewagt: Das australische Drama "Walkabout" (1971) etablierte Roeg und seine Montagetechnik als visionär. Seine Lehrjahre in den Schneideräumen gaben ihm die Idee für den Moment, als ein Büffel von Jägern erschossen wird: Roeg spult diesen Augenblick im Kopf seines Protagonisten zurück und lässt den Büffel wieder auferstehen.

An der Kinokasse floppt der Film, doch auf Nummer sicher gehen ist einfach nicht Roegs Stil. "Ich habe nie versucht, meinen Ruf zu verbessern", sagte er dem "Telegraph". "Mich nie hochgehangelt. So etwas interessiert mich überhaupt nicht."

Umso erstaunlicher, dass er immer wieder mit Rockstars und den ganz Großen des Schaugeschäfts zusammenarbeitete - wie beim Kultfilm "Der Mann, der vom Himmel fiel", in dem David Bowie die Hauptrolle spielte. Laut "Times" gestand Bowie: "Ich habe nie wieder an einem Film gearbeitet, der so von Magie und Vorahnungen durchtränkt war wie Nics Science-Fiction-Klassiker." Ein visuelles Mosaik, poetisch durch täuschende Zeitsprünge, die die Zuschauer so verunsichern, dass sie das Gefühl haben, als sei die Welt auseinandergebrochen und vor ihren Augen wieder zusammengesetzt worden.

Selbst mit seiner erfolgreichen Fantasy-Komödie "Hexen hexen" (1990) blieb er sich treu: Angelika Houston spielte die wunderbar grausame Oberhexe in diesem unterhaltsamen Horrorfilm für Kinder. 2007 machte Roeg seinen letzten Film, den übernatürlichen "Puffball", der allerdings bei den Kritikern weniger gut ankam. Filme boten Roeg eben immer eine Verschmelzung von "Realität, Kunst, Wissenschaft und dem Übernatürlichen". In seinem Rückblick "The World is ever Changing" schrieb er übers Kino: "Es öffnet immer noch Türen der Offenbarung, die uns die Zukunft zeigen."

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