Drei Millionen Nager Paris leidet unter einer Rattenplage

Paris · Drei Millionen Ratten bevölkern Paris. Deshalb gehen einige Bewohner der Seine-Metropole nun auf die Jagd nach den Nagern. Doch die Tiere haben auch Fürsprecher.

 Nichts wie weg: Eine Ratte sucht ihr Heil in der Flucht.

Nichts wie weg: Eine Ratte sucht ihr Heil in der Flucht.

Foto: picture alliance / Bernd von Jut

Für ein gutes Foto und die ebenso gute Sache ist sich Geoffroy Boulard nicht zu schade, mit einer abstoßenden Beute in den Händen zu posieren: Mit spitzen Fingern, die in Plastikhandschuhen stecken, hält der Bürgermeister des 17. Arrondissements von Paris, eines Viertels im Nordwesten der französischen Hauptstadt, drei tote Ratten in die Kamera. Das aussagekräftige Bild soll seine Entschlossenheit im Kampf gegen die ungeliebten Nager in seinem Bezirk illustrieren, welche dort und in der ganzen Stadt ein zunehmendes Problem darstellen.

Vor Kurzem hat der 39-jährige Politiker im Internet die Plattform „Melde eine Ratte“ („signaleunrat.paris“) lanciert, auf der Bürger auf einem virtuellen Stadtplan Orte markieren können, wo sie eines der Tiere gesichtet haben. Parallel wurde eine Telefonhotline als Meldestelle geschaltet. Allein am ersten Tag wurden 770 lebende Ratten angezeigt sowie 50 Kadaver gemeldet und daraufhin entsorgt. Online wird das dann jeweils mit einem kleinen Schaufel-Zeichen angezeigt.

Zwar seien die flinken Tiere stets in Bewegung und daher schwer dingfest zu machen, räumt Boulard ein: „Aber beim Blick auf die Karte findet man Zonen, die immer wieder auftauchen.“ Mit der Zeit könnten sich die Rattenvernichtungsdienste auf bestimmte Bereiche der Stadt konzentrieren und dort gezielt Bekämpfungsaktionen durchführen. Im Herbst habe er zwei Monate lang einen großen Park in seinem Bezirk geschlossen, auch besuchte er nach Klagen von Eltern eine Kinderkrippe, die umgeben von Rattenhöhlen gewesen sei, so Boulard. Der Bürgermeister, Mitglied der konservativen Republikaner, begreift seinen Kampf gegen die ungeliebten Stadtbewohner auch als politischen: Regelmäßig kritisiert er das sozialistisch regierte Rathaus von Paris für die Untätigkeit gegenüber dem Dauerproblem der Ratten. Mit seiner Aktion wolle er dieses „in Bewegung bringen“.

Tod im Plastikeimer

Die im Rathaus zuständigen Stellen erwidern, es gebe längst die Handy-Applikation „dansmarue“, also „in meiner Straße“, in der Ärgernisse wie eben auch jenes der Ratten gemeldet werden können. Tatsächlich wird die Zahl der Tiere, die als unhygienisch gelten und elektrische Kabel anknabbern, auf knapp drei Millionen geschätzt – also mehr, als Paris Einwohner hat. „Seit 2016 haben wir zunächst ein Budget von 1,5 Millionen Euro eingesetzt, um das Programm zu stärken, dem fügten wir eine weitere Million hinzu und schufen zwölf Stellen, um alles zu koordinieren“, sagt Anne Souyris, zuständig für Gesundheit im Pariser Rathaus. „Wir geizen also nicht mit Mitteln.“ Man habe die Kanalisation in Teilen gereinigt, neue Mülleimer aufgestellt und appelliere an die Bürger, Essensreste sauber zu entsorgen und keine Tauben zu füttern.

Seit Kurzem setzt die Stadt Plastikbehälter ein, in deren oberem Bereich Leckereien wie Sonnenblumenkerne und Katzen-Trockenfutter liegen, um Ratten anzuziehen – einmal in der Falle, geht diese zu, die Tiere fallen in eine Lösung, die sie sofort tötet und konserviert. Nicht alle begrüßen diese rabiate Methode, den Artgenossen von Rémy, der Wanderratte aus dem Film „Ratatouille“, den Garaus zu machen. In der Petition „Stoppt den Ratten-Genozid“ kritisiert eine Kinderpsychologin die „Rattenphobie“, die aus den kleinen Nagern Sündenböcke für den „Hass auf das Lebendige“ machten. Knapp 26 000 Unterschriften hat sie bereits gesammelt. Ihre Erfolgsaussichten im Kampf, die Ratten zu schonen, dürften trotzdem gering bleiben.

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