Frankreichs ältestes Atomkraftwerk Neue Fragen zu Störfall nahe deutscher Grenze

Bonn/Berlin · Der Zwischenfall im französischen Kernkraftwerk Fessenheim war bekannt. Doch haben die Behörden damals auch ehrlich darüber informiert, wie groß das Risiko war? Das Umweltministerium sieht ein generelles Sicherheitsrisiko.

 Das Atomkraftwerk in Fessenheim.

Das Atomkraftwerk in Fessenheim.

Foto: dpa

Ein Störfall im französischen Atomkraftwerk Fessenheim nahe der deutschen Grenze war gravierender als bislang bekannt. Die französische Atomaufsicht ASN habe den Vorfall im April 2014 vor der Internationalen Atomenergiebehörde heruntergespielt, berichteten WDR und „Süddeutsche Zeitung“ am Freitag. Ein Wassereinbruch hatte damals die Elektrik beschädigt und zur Abschaltung eines Reaktors geführt. Ein Krisenstab entschied vorsichtshalber, den Reaktor durch Einleitung von Bor ins Kühlwasser notfallmäßig herunterzufahren.

Das Bundesumweltministerium bestätigte, die Steuerung der Anlage sei am 9. April 2014 durch einen Wasserschaden beeinträchtigt gewesen. Ein Experte des Ministeriums sagte, es habe einen Wasserschaden im Bereich der Schaltschränke gegeben. Eine „stufenweise Nachjustierung der Stellung der Steuerstäbe“ sei daher nicht mehr möglich gewesen. Er betonte aber: „Die Notfall-Abschaltung war nicht behindert.“

Ein Ausfall von Steuerstäben in einem Kernkraftwerk sei in Westeuropa bisher nicht vorgekommen, sagte Christian Küppers, Experte für Nukleartechnik und Anlagensicherheit beim Öko-Institut, in einem Interview mit dpa-Audio. Die Schnellabschaltung sei vergleichbar mit einer „Vollbremsung beim Auto“, die zu gewissen Belastungen führe. Der Reaktor sei damals zu schnell abgekühlt worden, sagte Küppers. „Da gibt es Vorgaben, gegen die hat man offenbar verstoßen.“

Nach Informationen des Bundesumweltministeriums gelangte das Wasser über Lüftungskanäle und Kabel in den Raum, in dem die Schaltschränke stehen. Die Bundesregierung sei nicht erst seit diesem Störfall unzufrieden mit der Atompolitik des Nachbarlandes, sagte ein Sprecher. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) habe bereits vor einem Jahr die Stilllegung dieses ältesten französischen Atomkraftwerkes gefordert. Man könne den Franzosen aber keine Vorschriften machen.

Leider seien von den französischen Behörden bislang keine „belastbaren Informationen“ gekommen. Einmal sei die Rede davon, das AKW werde 2017 vom Netz genommen. Dann heiße es, man wolle erst die Fertigstellung eines neuen Kernkraftwerkes abwarten. Er betonte: „Für uns sind solche alten Reaktoren ein Sicherheitsrisiko.“

Frankreichs Präsident François Hollande hatte im Wahlkampf versprochen, Fessenheim bis zum Ende seiner Amtszeit 2017 zu schließen und zwischenzeitlich sogar ein Aus bis Ende 2016 angekündigt. Ein Aus in diesem Jahr ist inzwischen vom Tisch, weil der Reaktor der neuen Generation in Flamanville mit viel Verspätung erst 2018 fertig sein soll. Wann Fessenheimnun vom Netz gehen soll, ist nach unklaren Aussagen der Pariser Regierung unklar.

Der Vorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND, Hubert Weiger, kritisierte die Informationspolitik französischer und deutscher Behörden im FallFessenheim. Er sagte: „Die Bewertung von Störfällen ist wenig transparent und wird in der Tonlage von den Betreibern der AKWs vorgegeben.“ Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte: „Dieser Zwischenfall in Fessenheim zeigt erneut: Deutschland ist umstellt von Schrottreaktoren.“ Die Bundesregierung müsse gegenüber Frankreich, der Schweiz, Tschechien und Belgien unmissverständlich auf deren Abschaltung drängen.

Die französische Atomaufsicht hatte wenige Tage nach dem Zwischenfall erklärt, der Wassereinbruch im nicht-nuklearen Teil der Anlage habe eines der zwei separaten Elektroniksysteme für die Notabschaltung beschädigt. Das zweite System habe aber weiterhin funktioniert.

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