Prozess: Bombenfund in Bonn Marco G.: Vom schüchternen Schulversager zum Möchtegern-Scheich

DÜSSELDORF/BONN · Er schwänzte die Schule, nahm Drogen, beging Straftaten. Marco G. aus Oldenburg legte die klassische Karriere eines Schulversagers hin, bevor er dem Islamismus verfiel. Die Parallelen zum geständigen IS-Terroristen Nils D. sind auffällig.

Früher war Marco G. gehemmt, kontaktscheu, und unsicher. Heute gibt er den gewaltverherrlichenden „Möchtegern-Scheich“. Psychologen und Psychiater haben die Geisteswelt des 28-Jährigen untersucht und am Dienstag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht die Ergebnisse vorgestellt.

Dem Oldenburger, der sich zuletzt in der Bonner Islamisten-Szene bewegte, droht lebenslange Haft wegen versuchten Mordes. Er soll als islamistischer Terrorist ein Mordkomplott geplant und eine Bombe im Bonner Hauptbahnhof deponiert haben. Bereits seit 2014 wird ihm der Prozess gemacht.

Seine Entwicklung weist auffällige Parallelen zum geständigen IS-Terroristen Nils D. aus Dinslaken auf, der sich vor einem anderen Senat des Gerichts verantworten muss: In beiden Familien macht sich der Vater aus dem Staub, beide haben eine liebevolle, aber als „zu gutmütig“ beschriebene Mutter.

Beide fallen als Schulschwänzer, Drogenkonsumenten und Kleinkriminelle mit abgebrochener Berufsausbildung auf, werden selbst schon früh Väter. Und beide erliegen schließlich islamistischen Einflüssen.

Patriarchalisches Oberhaupt der Familie

Marco G. hat wegen Überfällen und Beihilfe zum Drogenhandel bereits zwei Jahre Jugendstrafe im Gefängnis abgesessen. Psychiater Prof. Norbert Leygraf attestiert ihm eine unterdurchschnittliche Intelligenz und geringe Leistungsbereitschaft. „Trotz seiner offensichtlich feindseligen Einstellung diesem Staat gegenüber, hat er sein Leben nahezu durchweg von Sozialleistungen dieses Staates finanzieren lassen.“ Marco G. sehe sich dennoch als patriarchalisches Oberhaupt seiner Familie, seine Frau erscheine zum Haftbesuch mit Gesichtsschleier, den sie sonst nicht trage.

Inzwischen gebe er den Besserwisser in Islamfragen und den „Möchtegern-Scheich“. Seit 2010 sei er durch dschihadistische Äußerungen aufgefallen, habe erstmals über die Tötung Ungläubiger gesprochen. Wenn er einst so schüchterne Junge heute fanatisch, aggressiv und gewaltbereit auftritt, nennen Psychologen dies Überkompensation. Im Prozess hat Marco G. schon mehr als 160 Tage Ordnungshaft durch „ungebührliches Verhalten“ angehäuft.

Ganz anders Enea B. (45), der jahrelang unauffällig in einer Sondereinheit der albanischen Polizei arbeitete, sogar Bester seiner Einheit war. Er besuchte ein Gymnasium, zeigte sich sprachbegabt und wuchs in Albanien in bürgerlichen Verhältnissen auf, berichtete Psychologin Kristina Kruse. Aus ungeklärten Gründen habe er gekündigt und sei 2007 nach Deutschland eingereist.

Abfällige Äußerungen über Deutschland und die Ungläubigen

Über seine Konversion zum Islam zerbrach seine Ehe. Zuletzt sei er ohne Wohnung und Arbeit gewesen, habe sich abfällig über Deutschland und die Ungläubigen geäußert, sich aggressiv und gewaltbereit gezeigt. Über den Bruch in seinem über weite Strecken unauffälligen Leben wisse man nicht viel, sagt die Psychologin. Marco G. und Enea B. verweigerten die Zusammenarbeit mit den Experten.

Seit September 2014 wird insgesamt vier Islamisten in Düsseldorf der Prozess gemacht. Mehr als 100 Verhandlungstage hat der Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Richter Frank Schreiber schon absolviert. Die Bombe in Bonn soll Marco G. als Einzeltäter gelegt haben - er ist deshalb wegen versuchten Mordes angeklagt. In seiner Zelle waren unlängst Rasierklingen und ein selbst gebasteltes gefährliches Werkzeug gefunden worden.

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