Streit um Sorgerecht In Hamburg erstochene Mutter wurde von Ex-Partner bedroht

Hamburg · Doppelmord - so bewertet die Hamburger Staatsanwaltschaft den Messerangriff auf ein Kleinkind und dessen Mutter im S-Bahnhof Jungfernstieg. Was trieb den mutmaßlichen Täter und Vater des Kindes dazu? Ein Sorgerechtsstreit gibt einige Hinweise.

Einen Tag nach dem tödlichen Messerangriff auf eine Mutter und ihre kleine Tochter im S-Bahnhof Jungfernstieg hat das Hamburger Amtsgericht Haftbefehl gegen den Vater erlassen. Dem 33-Jährigen aus dem Niger werde Mord in zwei Fällen vorgeworfen, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach.

Am Donnerstag waren das einjährige Mädchen und dessen Mutter auf einem Bahnsteig - vor den Augen vieler Menschen und eines weiteren Kindes der Frau - erstochen worden. Kurze Zeit später hatte die Polizei den Ex-Partner der Deutschen festgenommen.

Er soll die 34-Jährige, mit der er nicht verheiratet war, schon in den Monaten vor der Tat bedroht haben. Das gehe aus den Akten des Amtsgerichts St. Georg hervor, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen. Der Vater habe im Januar einen Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht für das Kind bei Gericht gestellt.

Die Mutter habe dem nicht zustimmen wollen. Sie habe von massiven Drohungen berichtet und den Vater als "übergriffig" beschrieben, sagte Wantzen. Es habe ungewollte Kontakte zwischen den Eltern gegeben, bei denen der 33-Jährige die Mutter verfolgt habe. Auf Gewalttätigkeiten finde sich in den Akten aber kein Hinweis.

Bei einer Anhörung am Mittwoch, einen Tag vor der Tat, habe die Familienrichterin deutlich gemacht, dass sie vor dem Hintergrund der Konfliktsituation den Antrag auf gemeinsames Sorgerecht ablehnen werde. Sollte sich die Situation bessern, könne anders entschieden werden.

Vor dem Sorgerechtsstreit habe es bereits ein anderes familienrechtliches Verfahren um den Umgang des Vaters mit dem Kind gegeben, sagte Wantzen. Wegen seines aggressiven Auftretens habe das Jugendamt im Dezember einen begleiteten Umgang mit dem Kind angeregt. Das heißt, es sollte immer eine pädagogische Fachkraft dabei sein.

Es habe zwei derartige Begegnungen gegeben. Bei einer Anhörung am 14. März habe das Amtsgericht die Regelung in einem Auflagenbeschluss bestätigt. Es legte zudem fest, dass die Eltern keinen persönlichen Kontakt aufnehmen dürfen und dass der Vater an einem Anti-Aggressionstraining teilnimmt.

Im Namen der Hamburger Gerichte äußerte Wantzen seine Betroffenheit über die Tat: "Auch wir sind geschockt über den Tod zweier Menschen. Unser besonderes Mitgefühl gilt den vier Geschwistern des getöteten Kindes." Der Sprecher der Sozialbehörde, Marcel Schweitzer, versicherte, dass die Geschwister nun alle nötige Hilfe erhielten. "Das Jugendamt in Hamburg-Mitte wird dies sicherstellen", erklärte Schweitzer. Zu Einzelheiten wolle er auch zum Schutz der Kinder nichts sagen. Zur Tat selbst bemerkte er: "Die abscheuliche Tat am Jungfernstieg war keine Familientragödie. Für mich war es ein Doppelmord." Am Tatort auf dem Bahnsteig im S-Bahnhof Jungfernstieg lagen am Freitag Blumen.

Bei dem Messerangriff war nicht nur ein drei Jahre alter Sohn der Frau zugegen, sondern auch ein weiterer Mann. Er werde in den Ermittlungen aber als Zeuge und nicht als Beschuldigter behandelt, sagte Frombach. "Seine Rolle muss jetzt geklärt werden." Der Mann sei beim Eintreffen der Polizei nicht mehr am Tatort gewesen, sondern habe erst ermittelt werden müssen. Nähere Angaben zur Person machte sie nicht. Nach Informationen von "Bild.de" handelt es sich bei dem zweiten Mann um den neuen Freund der getöteten Frau.

Der mutmaßliche Täter gehörte zu einer Gruppe von Migranten aus Afrika, die in Hamburg "Lampedusa-Gruppe" genannt wird - diese Migranten kamen 2013 über die Mittelmeerinsel zunächst nach Italien. Das bestätigte ein Sprecher des Einwohnerzentralamts. Der Nigrer sei im April 2013 eingereist und habe nach dem Angebot des Senats, die Fälle der Flüchtlingsgruppe individuell zu prüfen, einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt. Das Bundesamt für Flüchtlinge habe im vergangenen Jahr erklärt, dass es kein Abschiebehindernis gebe.

Inzwischen war dem 33-Jährigen aber bereits wegen des Kindes die Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Sie sei wie üblich auf zunächst zwei Jahre befristet worden, also bis 2019, sagte der Sprecher. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien nicht eingeleitet worden.

Der Messerangriff vom Hamburger Jungfernstieg erinnert an ähnliche Taten in Kiel und Teningen bei Freiburg (Baden-Württemberg). In Kiel soll ein 40-Jähriger am 15. März vergangenen Jahres seine Frau mit 23 Messerstichen auf offener Straße erstochen haben. Eines der drei gemeinsamen Kinder musste die Tat mit ansehen. Ein Gericht hatte der Mutter nach der Trennung das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Die 34-Jährige hatte den Behörden berichtet, dass ihr Ex-Mann sie misshandelt und mit einem Messer bedroht habe. Das Kieler Landgericht will am 24. April das Urteil in dieser Strafsache verkünden.

In Teningen bei Freiburg soll ein 53-jähriger Deutscher algerischer Herkunft seiner Ex-Freundin und dem gemeinsamen Sohn am 28. Juli 2017 vor einer Tiefgarage aufgelauert und erstochen haben. Die 39-Jahre alte Mutter hatte sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft im Frühjahr 2017 von dem Mann getrennt, im Mai sei auch ein Annäherungsverbot ausgesprochen worden. Der 53-Jährige steht zurzeit in Freiburg vor Gericht.

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