Wirbelsturm hinterlässt Spur der Zerstörung Hurrikan "Dorian" trifft auf die Küste der USA

Washington · Dorian, der Hurrikan, der die nördlichen Inseln der Bahamas verwüstete, ist am Freitag mit seinem Zentrum auf die Küste der USA geprallt. Auf den Bahamas zeichnet sich derweil ab, welche Spur der Zerstörung der Wirbelsturm hinterlassen hat.

 Ein Satellitenbild zeigt den Hurrikan Dorian bei Nacht vor der Küste des US-Bundesstaats Georgia.

Ein Satellitenbild zeigt den Hurrikan Dorian bei Nacht vor der Küste des US-Bundesstaats Georgia.

Foto: Noaa/Planet Pix via ZUMA Wire

Dorian, der Hurrikan, der die nördlichen Inseln der Bahamas verwüstete, ist am Freitag mit seinem Zentrum auf die Küste der USA geprallt, bevor er sich Richtung Nordosten hinaus auf den Atlantik bewegte. Gegen halb neun Ortszeit traf der Wirbelsturm am Morgen auf Cape Hatteras, ein Kap, das mit einem postkartenschönen Leuchtturm zu den Outer Banks gehört, einer Kette langgestreckter, sichelschmaler Inseln vor dem Festland North Carolinas.

Auf den Bahamas zeichnet sich indes erst jetzt, da sich Rettungskräfte ein Bild machen können, in aller Deutlichkeit ab, welche Spur der Vernichtung Dorian hinterließ. Die Zahl der Todesopfer wurde am Freitag offiziell mit 30 angegeben, nach Einschätzung des Gesundheitsministers des Inselstaats wird sie allerdings noch deutlich höher ausfallen. Die endgültige Bilanz werde erschütternd sein, sagte Duane Sands dem Lokalsender Radio 96,9. Man werde in den nächsten Tagen wahrscheinlich noch sehr viel mehr Tote bergen. Dringend müssten Kühlvorrichtungen ins Katastrophengebiet gebracht und in provisorischen Leichenhallen installiert werden. Im Moment fehle es vor Ort an allem, auch an Experten, die die Todesursache bescheinigen müssten, bevor jemand bestattet werden könne. „Ich habe so etwas noch nie erlebt, und ich will es auch nie wieder erleben.“

Einer Notsituation dieses Ausmaßes, so der Minister, sei man allein nicht gewachsen. Daher habe er unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO um Unterstützung gebeten. Um sowohl Verletzte zu behandeln als auch Traumatisierten zu helfen, werde man auf Great Abaco und Grand Bahama, den beiden am härtesten getroffenen Inseln, provisorische Krankenhäuser errichten. Hubert Minnis, der Regierungschef der Bahamas, sprach von einem „Desaster für Generationen“. Allein auf Great Abaco sind nach seinen Angaben fast zwei Drittel aller Gebäude zerstört. Eine Internet-Seite, auf der Inselbewohner die Namen von Verwandten, Freunden oder Nachbarn angeben können, von denen sie bisher kein Lebenszeichen erhalten haben, listet mit Stand vom Freitag etwa 5500 Vermisste auf. Wie viele von ihnen infolge zusammengebrochener Kommunikation einfach nicht in der Lage sind, sich zu melden, weiß im Moment niemand zu sagen.

Dorian war am Sonntag als Hurrikan der Kategorie 5, der höchsten Gefahrenstufe, auf die Bahamas geprallt – mit Windgeschwindigkeiten von fast 300 Kilometern pro Stunde. Da er sich zwischenzeitlich kaum von der Stelle bewegte, wütete er dort fast drei Tage lang. Noch nie ist die Inselgruppe in der Nähe Floridas und Kubas von einem derart verheerenden Sturm heimgesucht worden, seit 1935 der stärkste, der seit dem Beginn moderner Wetteraufzeichnungen über dem Atlantik registriert wurde.

Luis David Rodriguez, Mitarbeiter von Direct Relief, einer in Kalifornien ansässigen Hilfsorganisation, spricht auf der Website seiner Stiftung von verstörenden Szenen in Marsh Harbour, der größten Ortschaft auf Great Abaco. Die Klinik dort sei gerade groß genug, um vielleicht zwanzig Patienten aufzunehmen. Ringsum aber hockten beziehungsweise lägen schätzungsweise 1500 bis 2000 Menschen, darauf hoffend, dass ihnen geholfen werde. Die meisten seien am Ende ihrer Kräfte, viele warteten nur darauf, die Insel verlassen zu können. Am härtesten traf es offenbar das Armenviertel The Mudd, in dem vor allem aus Haiti stammende Einwanderer leben. Nach Rodriguez‘ Schilderung sind von ihm nichts als Bretterhaufen übriggeblieben. „Es gibt nichts mehr, was noch intakt wäre.“

Alex Cepero, einer der rund siebentausend Bewohner von Marsh Harbour, zuhause in einem der besseren Stadtteile, schilderte dem amerikanischen Radiosender NPR, wie die Wucht des Hurrikans sein Haus buchstäblich in seine Einzelteile zerlegte. Kurz darauf eine gewaltige Flutwelle, er floh ins Freie und hatte Glück, weil auf dem Wasser eine Schwimmweste trieb, die er in der Garage aufbewahrt hatte. Es gelang ihm, danach zu greifen und das Inferno zu überleben. Es gebe keine Worte, um die Kraft des Ozeans zu beschreiben, sagt Cepero. „Bis dahin hatte ich das immer weggelacht. Es wird schon nicht so schlimm, dachte ich mir.“ Trotz des herannahenden Sturms in Marsh Harbour zu bleiben, das sei die dümmste Entscheidung seines Lebens gewesen. „Ich kann nicht glauben, dass ich das überlebt habe.“

Auf der Nachbarinsel Grand Bahama hatte der Pfarrer Lloyd Rolle sein Domizil vor Jahren auf ein erhöhtes Fundament setzen lassen, um gegen Sturmfluten gewappnet zu sein. Drei Wirbelstürme, 1999 Floyd, 2004 Frances und Jeanne, hätten bereits schwere Schäden angerichtet, Dorian aber habe alles in den Schatten gestellt, was er sich vorstellen konnte. Dass die Fluten sein Anwesen einen halben Meter hoch unter Wasser setzten, wie es zuvor der Fall gewesen sei, damit habe er leben können. Im Falle Dorians aber seien es mehr als vier Meter gewesen. „Ich werde hier nichts wieder aufbauen. Ich ziehe weg“, sagte Rolle dem „Nassau Guardian“, der größten Zeitung der Inselgruppe Grand Bahama war nach Angaben der Behörden zwischenzeitlich zu 70 Prozent überschwemmt.

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