Massaker an den Riesen Holzdiebe haben es auf die Mammutbäume abgesehen

WASHINGTON · Sie haben Erdbeben, Feuersbrünste, Blitzeinschläge und Schädlingsschwärme überstanden. Seit mehr als 1000 Jahren. Jetzt haben es die majestätischen Mammutbäume im "Humboldt Redwoods State Park" im Norden Kaliforniens mit einem Feind zu tun, gegen den sie wehrlos sind.

 Diese Riesen haben Namen: General Sherman heißt dieser Mammutbaum, der im kalifornischen Sequoia National Park steht. Die Bäume werden mehr als 100 Meter hoch und Tausende Jahre alt.

Diese Riesen haben Namen: General Sherman heißt dieser Mammutbaum, der im kalifornischen Sequoia National Park steht. Die Bäume werden mehr als 100 Meter hoch und Tausende Jahre alt.

Foto: Fotalia

Umweltfrevler fallen mit Nachtsichtgeräten, Kettensägen und Äxten in der Dunkelheit in das Areal ein und schlagen den zu den ältesten und größten Bäumen der Welt zählenden Riesen tiefe Wunden. Aus Geldgier.

Abgesehen haben es die Wilddiebe auf die "burls", geschwulstartige Holzkröpfe am Stamm, die bis zu zweieinhalb Meter groß werden können und wegen ihrer Maserung und Farbe bei Kunsthandwerkern, Möbelschreinern und Souvenirhändlern beliebt sind. "Je nach Größe", sagt Ranger Jeff Denny, "bringt so ein Stück Redwood um die 2000 Dollar." Seit einigen Wochen häufen sich die Anschläge (in diesem Jahr rund 50) auf die Naturdenkmäler, die bei empfindsamen Menschen beinahe religiöse Gefühle auslösen. Denny: "Sie zu berauben, das ist so, als würde man eine Kirche demolieren."

Seit Zeitungen und Fernsehstationen ihre Reporter in die Urwälder vier Autostunden nördlich von San Francisco schicken, ist die Anteilnahme in der Bevölkerung so groß wie Ende der 90er Jahre. Damals stemmte sich die Umweltschutzgruppe "Earth First" gegen die Abholzung von "Sequoia sempervirens", wie die Redwoods wissenschaftlich heißen.

Julia Butterfly harrte damals zwei Jahre auf einer Plattform in 60 Meter Höhe eines Redwoods aus und zwang den Holzriesen Pacific Lumber in die Knie. Durch sie erfuhr die Welt vom Schicksal der stummen Giganten, die vor 50 Millionen Jahren noch über die ganze Nordhalbkugel verbreitet waren.

Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Pioniere der Erkundung des amerikanischen Westens mit dem massenhaften Fällen der Bäume. Bis heute wurden 96 Prozent des Bestandes abgeholzt. Rötlich schimmernde viktorianische Häuser, Lagerhallen, Eisenbahnschwellen und Telegrafenmasten zeugen davon. Nur in Nationalparks stehen sie unter Naturschutz. Individuelle Baumwachen wären wohl sachdienlicher. In diesem Frühjahr wussten sich die Ranger nicht mehr anders zu helfen, als eine zentrale Straße durch den Wald der Riesen nachts zu sperren.

Die Holzdiebe kommen mit Seilwinden auf ihren Pick-up-Trucks, um nach dem Kettensägen-Massaker die frisch geschlagene Beute, oft Hunderte Kilo schwer, abzutransportieren und vor der Weiterverarbeitung zu verstecken. Die Folge: Die lebenden Fossilien werden geschwächt.

Insekten und Schädlinge haben leichteres Spiel. Auch die Fortpflanzung, maßgeblich in den "burls" angelegt, wird erschwert oder ganz verhindert. Weil die Waldgebiete im Norden Kaliforniens riesig sind, werden die Täter selten gefasst und überführt. Zuletzt erwischte es mit Danny Garcia (43) und Larry Morrow (34) aus der früheren Holzfäller-Stadt Orick zwei Männer, die ihren Frevel mit Drogensucht und Arbeitslosigkeit zu erklären versuchten. Geldstrafen bis zu 12 000 Dollar und 700 Arbeitsstunden in gemeinnützigen Einrichtungen waren die Konsequenz.

Umweltgruppen ist das nicht genug. Peter Galvin, Chef des Zentrums für Biovielfalt in Tucson/Arizona, wünscht sich härtere Signale, um Nachahmer abzuschrecken. Er und andere haben Belohnungen von jeweils 5000 Dollar ausgesetzt für Hinweise, die zur Verurteilung von Schwarzfällern führen.

Man fürchtet, dass es Kriminellen eines Tages gelingen könnte, die bisher mit Erfolg geheim gehaltenen Standorte von "Hyperion" und "Stratosphere Giant" herauszubekommen. Den höchsten Bäumen auf dem Planeten eine dicke Scheibe herauszufräsen, könnte für ruchlose Natursünder ein besonderer Anreiz sein.

Der Mammutbaum

Alter: Die ältesten Mammutbäume sollen so alt sein wie die ägyptischen Pyramiden - 3000 Jahre. Nachweislich sind einzelne Exemplare bis zu 2000 Jahre alt.

Größe: Der größte Mammutbaum der Welt steht im Humboldt Redwoods State Park, Kalifornien und misst 112 Meter ( zum Vergleich: Die Türme der Münchner Frauenkirche sind 99 Meter hoch). Sein erster Ast hat alleine einen Durchmesser von zwei Metern. Der größte deutsche Mammutbaum in der Nähe von Bonn steht im Schlosspark Gracht in Erftstadt-Liblar und misst 34 Meter.

Gewicht: Mammutbäume sind die größten Pflanzen der Erde, ihr Gewicht soll bei über 2400 Tonnen liegen; zum Vergleich: Ein Airbus A380 wiegt etwa 420 Tonnen.

Geschichte: Vor 110 Millionen Jahren bedeckten Mammutbäume einen Großteil der Erde - Zeitgenossen waren Flug- und Fischsaurier.

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