Gefahr für Hunderttausende Heuschrecken drohen in Nahost als biblische Plage

Istanbul · Im Nahen Osten breiten sich riesige Heuschreckenschwärme aus. Das gefährdet die Nahrungsgrundlage Hunderttausender Menschen. Die Vereinten Nationen rufen zum Kampf gegen die Insekten auf.

 Heuschrecken – hier eine afrikanische Stabheuschrecke – können zur Plage werden.

Heuschrecken – hier eine afrikanische Stabheuschrecke – können zur Plage werden.

Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Seit Tausenden von Jahren gehören sie zu den Geißeln der Menschheit im Nahen Osten: Riesige Heuschreckenschwärme aus Hunderten Millionen Insekten können ganze Landstriche verheeren und Ernten vernichten. Derzeit sucht die biblische Plage wieder mehrere Länder der Region heim – und zwar in einem Ausmaß, das den Vereinten Nationen (UN) ernste Sorgen macht. Sie haben Vertreter der betroffenen Länder diese Woche zu einem Sondertreffen nach Jordanien eingeladen, um über koordinierte Abwehrmaßnahmen zu beraten.

Ergiebige Regenfälle in Eritrea und im Sudan in den vergangenen Monaten haben die Voraussetzungen für die massenhafte Ausbreitung der Wüstenheuschrecken geschaffen. Die sprießende Vegetation stellt so viel Nahrung zur Verfügung, dass es seit Oktober bereits zwei Paarungszeiten gegeben hat, wie die UN-Ernährungsorganisation FAO mitteilte. Viele der Wanderheuschrecken ziehen seitdem nach Norden Richtung Ägypten.

Andere Schwärme haben das Rote Meer überquert und sind in Saudi-Arabien eingefallen. Im Januar machten die Heuschrecken bereits den Bewohnern der heiligen Stadt Mekka das Leben schwer. Auch im Innern der normalerweise sehr trockenen Arabischen Halbinsel finden die Heuschrecken gute Bedingungen vor, denn zwei Wirbelstürme im Winter haben selbst dort viel Regen gebracht. Inzwischen haben sich Teile des Schwarms noch weiter ausgebreitet und sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) und sogar im Süden Irans eingetroffen. Die FAO befürchtet, dass die Heuschrecken bis nach Pakistan und Indien weiterziehen könnten.

Eingriff noch vor der Paarungszeit

Und es könnte bald noch mehr Heuschrecken geben. Die nächsten drei Monate seien entscheidend, um die Population vor Beginn der nächsten Paarungszeit unter Kontrolle zu bringen, erklärte Keith Cressman, Heuschreckenexperte der FAO. Die betroffenen Länder können allerdings nicht alle Faktoren beeinflussen. Wenn es zum Beispiel zwischen März und Mai in Eritrea, im Sudan und im Inneren der Arabischen Halbinsel erneut stark regnet, wird die Zahl der Insekten weiter zunehmen.

Die Dimensionen sind potenziell katastrophal. Eine erwachsene Heuschrecke frisst pro Tag etwa zwei Gramm Nahrung – so viel, wie sie selbst wiegt. Bei einigen hundert Millionen Tieren in einem Schwarm kann so Tag für Tag Nahrung für 35 000 Menschen vernichtet werden, schätzt die FAO. Wenn es genug regnet, wächst die Zahl der Heuschrecken explosionsartig: Ein Weibchen legt in seinem bis zu fünfmonatigen Leben rund 300 Eier. Mit Rückenwind kann ein großer Schwarm in einer Flughöhe von bis zu zwei Kilometern eine Strecke von rund 150 Kilometer am Tag zurücklegen – auch die Überquerung von Gewässern wie dem Roten Meer ist kein Problem.

Bei der letzten schweren Heuschreckenplage vor 15 Jahren flogen Millionen von Insekten nach reichen Regenfällen in Marokko und Mauretanien über Senegal, Mali und Niger rund 4000 Kilometer nach Osten bis nach Tschad. Einige Gruppen kamen bis nach Israel. Die Kosten für die damaligen Ernteausfälle wurden auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt, viele Menschen in den kahl gefressenen Gebieten waren auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Während einer mehrjährigen Heuschreckenplage in den 1980er Jahren flogen einige Schwärme laut FAO sogar von Afrika aus über den Atlantik bis in die Karibik. Eine enge Zusammenarbeit zwischen mehreren westafrikanischen Ländern hat seitdem weitere Heuschreckenplagen im Zaum gehalten. Satellitenbilder sowie Informationen über Regenfälle und Vegetation in den einzelnen Ländern ermöglichen rechtzeitige Gegenmaßnahmen wie den gezielten Einsatz von Pestiziden.

Große Schwärme am Roten Meer

Cressman und seine FAO-Kollegen hoffen, dass Ähnliches jetzt auch in der Nahost-Region gelingen wird. Sie beobachten besonders die Entwicklung an den Küsten entlang des Roten Meeres, denn dort haben sich die großen Schwärme versammelt.

Seit Dezember lassen die Behörden in mehreren Ländern Pflanzenschutzmittel versprühen; allein in den vergangenen zwei Wochen behandelten sie laut FAO eine Fläche von insgesamt 30 000 Hektar mit Insektengift. Doch die Zahl der Heuschrecken ist bereits so groß, dass die Plage allein damit nicht beendet werden kann. Ende des Monats könnten sich neue Schwärme auf den Weg machen, warnen die Experten.

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