Gründer von Brustimplantate-Hersteller PIP festgenommen

Paris · Morgens kam die Polizei: Frankreichs Behörden haben den Chef der Herstellerfirma minderwertiger Brustimplantate in Gewahrsam genommen. Ermittelt wird wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung.

Mit Billig-Brustimplantaten aus Industrie-Silikon soll er Hunderttausende Frauen geschädigt haben - nun sitzt der frühere Chef der Herstellerfirma in Polizeigewahrsam. Gendarmen nahmen Jean-Claude Mas am Morgen in der Villa seiner Lebensgefährtin in Südfrankreich fest, berichteten französische Rundfunksender.

Der ehemalige Chef der mittlerweile insolventen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) steht im Zentrum eines weltweiten Gesundheitsskandals - die Staatsanwaltschaft Marseille ermittelt gegen ihn nach einer Anzeige wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung.

Auch der ehemalige PIP-Manager Claude Couty sei festgenommen worden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Ermittlerkreisen. In der Wohnung von Mas' Lebensgefährtin hätten Durchsuchungen stattgefunden.

Mas steht nach Medienberichten auch im Verdacht, die Insolvenz seines Betriebs organisiert zu haben und sein Vermögen in Briefkastenfirmen versteckt oder Familienangehörigen übertragen zu haben. Nach dem französischen Recht müssen Mas und Couly nach 48 Stunden Polizeigewahrsam wieder freigelassen werden, wenn sich bei ihren Vernehmungen keine Anhaltspunkte für Haftbefehle ergeben.

Weltweit sollen 400.000 bis 500.000 Frauen minderwertige Silikonkissen erhalten haben. Die Vermarktung, den Vertrieb und die weitere Verwendung der Brustimplantate hatte Frankreich der Firma im April 2010 europaweit untersagt.

Die nationale Krankenkasse Cnam hatte bei der Staatsanwaltschaft Marseille Strafanzeige wegen schweren Betrugs gestellt. Die Kissen können platzen, die Substanz kann zu Entzündungen führen. Ein Zusammenhang zwischen den Silikonkissen und Krebs wird befürchtet, ist aber nicht bewiesen. Deutschland, Frankreich und Tschechien hatten Frauen dazu aufgerufen, die Implantate entfernen zu lassen.

Auch der TÜV Rheinland sieht sich mehreren Klagen ausgesetzt. Erstmals äußerte sich der neue TÜV-Rheinland-Chef Manfred Bayerlein zu dem Skandal: "Die kriminelle Energie, mit der die Führungsmannschaft von PIP über viele Jahre hinweg die Behörden und uns betrogen hat, war enorm", sagte Bayerlein in Düsseldorf. "Die Schicksale der betroffenen Frauen berühren uns. Deshalb arbeiten wir von Beginn an mit den Behörden zusammen, um das System PIP aufzuklären."

Der TÜV Rheinland war für die sogenannte Konformitätsbewertung nach der europäischen Richtlinie für Medizinprodukte zuständig. Dabei handelt es sich nicht um eine Produktprüfung der Implantate selbst, sondern um eine Prüfung der Produktunterlagen sowie des Qualitätsmanagement-Systems des Herstellers. Der TÜV hatte dem französischen Hersteller ein Zertifikat erteilt.

Ein TÜV-Sprecher betonte, man habe Ende März 2010 durch eine Insider-Information von den Machenschaften erfahren, daraufhin sofort das Zertifikat entzogen und im Februar 2011 selbst Anzeige erstattet. Bei den Kontrollen vor Ort seien den TÜV-Experten das zugelassene Silikon und die korrekten Dokumente präsentiert worden, hatte ein TÜV-Sprecher schon früher berichtet.

Auch der Pariser Anwalt des TÜV Rheinland, Olivier Gutkès, erhob in der französischen Zeitung "Le Figaro" schwere Vorwürfe gegen die Belegschaft der PIP. Sie habe von den betrügerischen Aktivitäten des Inhabers gewusst und sich aktiv daran beteiligt, um die TÜV-Prüfer zu täuschen. "Der Betrug war extrem gut organisiert. Bei den Untersuchungen war alles getürkt; eine echte Inszenierung", erklärte Gutkès. Das Bau-Silikon sei zu den Zeiten der Überprüfungen auch von zertifiziertem Pharma-Silikon ersetzt worden. "Die Fässer mit Industrie-Silikon wurden versteckt."

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