Diskussion in der ARD Fernsehkoch greift Virologin bei „Hart aber fair“ an

Bonn · Den „Lagerkoller im Lockdown“ hatte sich Frank Plasberg bei „Hart aber Fair“ vorgenommen. Bei einigen seiner Gäste droht der Geduldsfaden offenbar inzwischen abzureißen. Bleibt die Lebensfreude auf der Strecke?

 Bei „Hart aber fair“ ging es um die Corona-Maßnahmen und ihre Folgen.

Bei „Hart aber fair“ ging es um die Corona-Maßnahmen und ihre Folgen.

Foto: WDR/Dirk Borm

Darum ging’s

Frank Plasberg spürt im Lockdown “zunehmende Anzeichen von Lagerkoller und Gereiztheit”. Von einer berufstätigen Mutter, einer Politikerin, einem Schauspieler, einem Sternekoch und einer Virologin will er wissen, wie die Stimmung im Land ist.

Die Gäste

  • Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, SPD
  • Alexander Herrmann, Fernsehkoch und Gastronom
  • Melanie Brinkmann, Virologin, Helmholtz-Institut Braunschweig
  • Katrin Bruns, Mutter von drei kleinen Kindern im Homeoffice
  • Ulrich Matthes, Schauspieler

Der Talkverlauf

Als erste darf Malu Dreyer, rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, Verständnis zeigen: “Alle Frustration ist nachvollziehbar”, sagt die SPD-Frau, mahnt aber zu Geduld und verspricht Stufenpläne zur Lockerung. Mit Geduld sind aber nicht alle Gäste Plasbergs bei “Hart aber Fair” am Abend in der ARD gleich gut ausgestattet. “Am Anfang waren wir alle ganz zuversichtlich, das hinzukriegen”, sagt Katrin Bruns, im Homeoffice arbeitende Mutter von drei kleinen Kindern. Inzwischen seien alle voneinander genervt und auch deutlich gereizter. Sie wünscht sich dringlich einen Hoffnungsschimmer und Planungssicherheit. “Wir werden immer ausgelaugter.”

Am Ende seiner Geduld angekommen ist bereits Sternekoch Alexander Herrmann. Der Weg bislang sei fantastisch und überlegt gewesen. Nun aber sei ein Punkt erreicht, an dem sich die Fakten neu darstellten. Er warnt vor „Klippen, über die wir stürzen“ und vor “Fallen, aus denen wir nie wieder rauskommen”. Sein Bereich, die Gastronomie, sei eine “herausragende Branche mit Leistungspersönlichkeiten” zugleich aber “von der Wirtschaftlichkeit her ein fragiles Konstrukt.” Allmählich gehe der Branche die Puste aus. “Das Ganze fühlt sich wie ein unternehmerisches Wachkoma an”, sagt der Koch - aus dem müsse man raus.

Ulrich Matthes: Kultur bei Maßnahmen zu kurz gekommen

Persönlich geduldiger und “resilient”, allerdings für den Kulturbereich allmählich nervöser gibt sich Ulrich Matthes. Er hält die Maßnahmen für vernünftig, “ohne dass ich deshalb gleich zu einem Untertan der Regierung werde”, sagt er. Aber eben weil er die Maßnahmen für sinnvoll halte, habe er “umgeschaltet auf Notstromaggregat”.

Die Kultur sei bei Programmen und Maßnahmen zu kurz gekommen, findet er und hofft, dass die “Olaf Scholzsche Bazooka in etwas geringerer Form jetzt mal auf den gesellschaftlich relevanten Bereich der Kultur angelegt” werde. Von Malu Dreyer hätte sich Matthes gewünscht, dass sie sich “mit der gleichen Vehemenz, mit der sie sich für Streichelzoos einsetzt, auch für das Kulturleben einsetzt.” Er warnt vor Kinosterben und kritisiert, den Wünschen der Bundesliga und ihren Fans werde im Vergleich etwas zu viel Bedeutung beigemessen. 


Alexander Herrmann malt düsteres Bild für die Gastronomie

Herrmann bringt die Diskussion für einen Moment vom Einzelnen zurück zum großen Ganzen: “Es geht doch nicht nur um eine Branche, sondern um uns alle”, ruft er und jubelt über die Tests der Bundesligaspieler, bei denen von über 1700 Leuten nur zehn positiv gestestet wurden. “Das hat mir ein wahnsinnig positives Signal gegeben”, freut er sich über eine “Quote von 0,6 Prozent. Ich weiss nicht wie weit runter wir noch wollen?” Virologin Melanie Brinkmann unterbricht ihn, man müsse mit diesen Zahlen vorsichtig sein, denn die sagten eigentlich überhaupt nichts, da man über die regionale Herkunft der positiv getesteten Spieler nicht wisse.

Das allerdings macht Herrmann richtig sauer: “Ihr gebt uns andauernd irgendwelche Zahlen, und nur wenn sie euch passen, sind sie richtig”, ereifert er sich. “Ich muss wohl nur genügend Virologen befragen, dann bekomm ich die Zahl, die ich brauche.” Dramatisch malt er ein düsteres Bild für die Gastronomie: “In den letzten 14 Tagen bröckelt langsam etwas, wofür wir Jahrzehnte gearbeitet haben: unsere Wirtschaft, unser Sein, unser Leben.”

Virologin Melanie Brinkmann bleibt gelassen

”Ich bin nicht in der Sklaverei, daher muss ich das verstehen,” sagt er und wünscht sich belastbare Zahlen, die ihm einleuchten, und Verlässlichkeit. “So hocken wir da wie die Deppen und schauen: Wie lange überleben wir’s noch?” Matthes bremst den Koch aus und warnt: “Das kann einfach nicht wahr sein, dass wir jetzt anfangen, die Virologen zu bashen.”

Brinkmann bleibt ziemlich gelassen und erklärt, manchmal kämen eben Erkenntnisse frisch auf den Tisch, würden dann allerdings zuweilen von den Medien aufgenommen, “obgleich sie noch nicht ganz gar sind”.

Das ist ein Vergleich mit dem auch Herrmann etwas anfangen kann. Die Virologin betont, es mache viel Sinn, regional und auch lokal zu testen und auf die Ergebnisse jeweils zu reagieren. Sie hält viel von einer App, mit der sich nachvollziehen lässt, wer wen möglicherweise angesteckt hat.“ Eine App kann helfen und mir beispielsweise schneller sagen: “Oha, da habe ich gestern diese Person getroffen, die positiv getestet wurde, dann geh ich mal heute nicht in Ihr schönes Lokal und stecke Ihre Kellner an.”

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