Bange Blicke gen Rom Entscheidung im Fall Amanda Knox

WASHINGTON · Verurteilt, freigesprochen, wieder verurteilt - und jetzt? In Italien beschäftigt sich das Oberste Gericht erneut mit dem Fall Amanda Knox.

 Nie wieder nach Italien: Amanda Knox - hier Anfang 2014 in New York - will eine mögliche Haftstrafe in Europa keinesfalls antreten.

Nie wieder nach Italien: Amanda Knox - hier Anfang 2014 in New York - will eine mögliche Haftstrafe in Europa keinesfalls antreten.

Foto: dpa

Amanda Knox hat sich in Seattle eingerichtet in einem Leben, das man normal und unspektakulär nennen darf. Mit ihrem Verlobten Colin Sutherland plant die 27-jährige Amerikanerin eine große Hochzeitsfeier.

Als freie Mitarbeiterin für die Lokalzeitung "West Seattle Herald" verdient sie sich trotz eines Buchgeschäfts, das ihr Millionen einbrachte, mit Theater-Rezensionen etwas Geld.

Nur um Journalisten macht sie einen möglichst weiten Bogen. Von heute an wird das kaum gelingen. Wenn im 14 Flugstunden entfernten Rom das Kassationsgericht seine Entscheidung in einem bald acht Jahre zurückliegenden Mordfall verkündet hat, geht für Amanda Knox nicht nur der globale Medienzirkus erneut los. Sondern auch eine juristische Achterbahnfahrt.

Der Reihe nach: Knox war 2009 im italienischen Perugia im Zusammenhang mit der 2007 entdeckten, grausam zugerichteten Leiche der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher zu 26 Jahren Haft verurteilt worden. Von einer Sex-Orgie mit mehreren Beteiligten, die aus dem Ruder gelaufen sei, war die Rede.

Ein italienisches Berufungsgericht machte jedoch schwere Fehler bei den Ermittlungen und in der Prozessführung aus. Und sprach die als "Engel mit den Eisaugen" durch die britische Boulevardpresse gejagte Amerikanerin 2011 nach vier Jahren Gefängnis frei.

Knox, die mit widersprüchlichen Aussagen erhebliche Zweifel auf sich gezogen hatte, kehrte unter Tränen der Erleichterung in ihre Heimat zurück. Sie glaubte, die "Horrorstory" für immer hinter sich zu haben. Zumal 2008 Rudy Guede, ein Bekannter Knox' von der Elfenbeinküste, in einem separaten Verfahren als Mörder Kerchers identifiziert und zu 16 Jahren Haft verurteilt worden war.

2013 ordnete das oberste italienische Berufungsgericht an, Knox' Fall neu aufzurollen. Richter in Florenz wurden mit der Materie beauftragt. Anfang 2014 fällten sie trotz unverändert lückenhafter Beweislage ein ähnliches Urteil wie die Vorgänger: 28 Jahre und sechs Monate für Amanda Knox.

25 Jahre Haft für ihren damaligen Freund Raffaele Sollecito (30), der als Komplize gilt. Knox beteuerte erneut ihre Unschuld und kündigte im US-Fernsehen mit versteinerter Miene an, sich niemals wieder in die Hände der italienischen Justiz zu begeben, wo sie Psychoterror und sexuelle Belästigungen erlitten haben will: "Lieber lebe ich mein Leben lang als Flüchtling."

Bestätigt das Kassationsgericht heute die Entscheidung aus Florenz und verwirft die eingelegte Berufung der Anwälte von Knox und Sollecito, werden die Haftstrafen gültig. Alternativ kann aber auch ein neues Verfahren in Gang gesetzt und das Italo-Justiz-Drama abermals verlängert werden.

Knox' Anwälte spekulieren mit einer Fortsetzung des Krimis, der es in wenigen Tagen auch ins Kino schaffen wird. In England hat dann "The Face of an Angel" von Michael Winterbottom Premiere. In dem Film, der im Mai nach Deutschland kommt, wird die Tragödie aus Kerchers Perspektive erzählt, mit dem Deutschen Daniel Brühl in einer zentralen Rolle.

Wird Knox endgültig schuldig gesprochen, ist der Weg für einen langwierigen juristischen Kampf um ihre Auslieferung an Italien vorgezeichnet. Die USA und Italien haben zwar ein wechselseitiges Abkommen über die Auslieferung von Straftätern unterzeichnet. Im Fall Knox hält sich in US-Justiz-Zirkeln aber seit Jahren die Meinung, dass die italienische Seite mehr als fragwürdig gearbeitet hat. Dass Knox in ein Flugzeug nach Rom gesetzt wird, gilt als "äußerst unwahrscheinlich", sagen Juristen in Washington. Zumal Amanda Knox durch alle Instanzen bis vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen gewillt ist, um einer Auslieferung zu entgehen.

Ein Grund: Nach US-Recht darf ein Mensch nicht zweimal für das gleiche Verbrechen vor Gericht gestellt werden. In Italien gehen die Uhren anders. Programmiert wäre somit ein juristisches Fingerhakeln, das "einige Jahre länger dauern könnte als ein ganz neuer Prozess in Italien", wissen Jura-Experten der American University in Washington. Dort wird nicht ausgeschlossen, dass Italien am Ende aus "übergeordneten politischen Erwägungen" Washington gar nicht auffordern wird, die junge Frau aus Seattle zu überstellen. Und falls doch?

Dass italienische Behörden Amanda Knox nicht zu Gesicht kriegen werden, könnte auch auf ganz natürliche Weise bewerkstelligt werden. Für jedes Kind, das sie bekäme, würde sie jeweils drei Jahre von einer Auslieferung verschont. Knox hat oft von dem Wunsch gesprochen, einmal eine "Großfamilie" haben zu wollen.

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