Verfahren vor Einstellung Empörte Angehörige im Loveparade-Prozess

Düsseldorf · Der Loveparade-Prozess könnte bald ohne Urteil eingestellt werden. Viele Fragen sind jedoch noch offen: Gibt es Auflagen gegen einen oder mehrere Angeklagte? Das Gericht hat seinen Vorschlag erläutert. Angehörige sind entsetzt.

 Rosen verwelken an der Loveparade-Gedenkstätte in Duisburg. Das Duisburger Landgericht hält die Einstellung des Prozesses für denkbar.

Rosen verwelken an der Loveparade-Gedenkstätte in Duisburg. Das Duisburger Landgericht hält die Einstellung des Prozesses für denkbar.

Foto: Roland Weihrauch

Nadia Zanacchi ist empört. "Der Prozess wird somit ohne Ergebnis geschlossen, wie man von vorneherein befürchtet hatte." Die Italienerin ist die Mutter der 21-jährigen Giulia, die 2010 bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg ums Leben kam.

Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Mario Plein begründet, warum das Duisburger Landgericht nach mehr als 90 Verhandlungstagen eine Einstellung des Verfahrens vorschlägt: Es bestehe immer noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die zehn Angeklagten für das Unglück mitverantwortlich seien. Die individuelle Schuld eines jeden Angeklagten sei jedoch als gering bis allenfalls mittelschwer anzusehen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der außergewöhnlich schweren Folgen der vorgeworfenen Taten.

Plein nannte mehrere Gründe für den Vorschlag einer Einstellung mit oder ohne Geldauflagen: So habe es 2010 keine klaren gesetzlichen Vorgaben für die Planung einer derartigen Großveranstaltung gegeben. "In dieser unsicheren Rechtslage hätten die Angeklagten sich intensiv darum bemüht, die Veranstaltung aus ihrer Sicht sicher zu gestalten."

Die Staatsanwaltschaft wirft den sechs Bediensteten der Stadt Duisburg und den vier Mitarbeitern des Veranstalters Lopavent vor allem schwere Planungsfehler vor. Ein Gerichtsgutachter hatte festgestellt, dass das Unglück schon in der Planungsphase hätte verhindert werden können: Das Gelände sei für die Besuchermassen ungeeignet gewesen. Aber auch am Veranstaltungstag selbst hätte es noch Möglichkeiten für alle beteiligten Institutionen gegeben, die tragischen Ereignisse zu verhindern, schrieb der Gutachter.

Hier sieht das Gericht einen weiteren Grund für seinen Vorschlag: Neben den Planungsfehlern sei ein kollektives Versagen einer Vielzahl von Personen am Veranstaltungstag für das Unglück mitverantwortlich. Als Beispiele nannte Plein die Einrichtung einer Polizeikette auf der Zugangsrampe, nicht abgestimmte Öffnungen der Vereinzelungsanlagen sowie Entscheidungen am Veranstaltungstag entgegen vorherigen Absprachen. "Es gibt ganz viele Schuldige", sagte der Richter an anderer Stelle an diesem 97. Verhandlungstag in Düsseldorf.

Nadia Zanacchi spricht hingegen von der Schuld der Verantwortungslosigkeit, von der Schuld, ein absolut ungeeignetes Gelände gewählt zu haben, von der "wirklich unglaublichen Schuld", keine angemessenen Fluchtwege eingerichtet zu haben. Wie Hammerschläge hallen ihre Sätze am Donnerstag durch den Kongresssaal.

Laut Gericht sei auch zu berücksichtigen, dass die Angeklagten achteinhalb Jahre lang unter dem Druck des Strafverfahrens standen, die Hauptverhandlung bereits so lange dauere und die Angeklagten strafrechtlich nicht vorbelastet seien.

Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten sollen sich nun bis zum 5. Februar zu dem Vorschlag äußern. Am Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft es als "kaum vorstellbar" bezeichnet, einer Einstellung ohne Auflagen zuzustimmen. Verteidiger hatten dies gefordert.

Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg gab es am einzigen Zu- und Abgang zum Veranstaltungsgelände ein so großes Gedränge, dass 21 Menschen erdrückt und mindestens 652 verletzt wurden.

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