„Er fühlt sich allmächtig“ Elf Jahre Haft nach brutalen Schlägen

Darmstadt · Drei Halswirbel brechen, als Mark H. brutal zusammengeschlagen wird. Das Leben für den heute 27-Jährigen, der nach dem Angriff im Rollstuhl sitzt, ist seither ein anderes. Jetzt ist der Angreifer zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden.

 Seit der Prügelattacke sitzt das Opfer im Rollstuhl.

Seit der Prügelattacke sitzt das Opfer im Rollstuhl.

Foto: dpa

Unfassbare Brutalität, hinterlistiger Überfall, Sinnlosigkeit der Tat - Richterin Ingrid Schroff lässt in ihrer Urteilsbegründung keinen Zweifel: „Das war haarscharf am vollendeten Totschlag vorbei.“ Zu elf Jahren Haftstrafe verurteilt das Landgericht Darmstadt am Donnerstag den heute 30 Jahre alten Angreifer, der Mark H. in den Rollstuhl prügelte. Weil die Kammer den Angriff als versuchten Totschlag wertet, fällt das Strafmaß sogar höher aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Die hatte sich für neun Jahre wegen schwerer Körperverletzung ausgesprochen.

Drei Halswirbel brachen bei H., als er vor vier Jahren beim Aussichtsturmfest in Offenbach mit dem Kopf voraus gegen die Mauer des Turms geschleudert wurde. Mehrmals und mit voller Wucht soll das passiert sein, daran hat das Gericht nach dem sich über fast drei Monate hinziehenden Prozess keinen Zweifel.

Was die Richterin besonders schockiert, ist die in ihren Augen völlige Sinnlosigkeit der Tat. Es habe keinerlei erkennbares Motiv gegeben, das Opfer habe sich der Angeklagte beliebig ausgesucht. „Das macht die Tat so unfassbar“, sagte Schroff. Der Täter habe einfach ein willkommenes Opfer gesehen, an dem er seine Aggressivität auslassen konnte. „Das Opfer hat dafür mit dem Leben bezahlt, denn sein bisheriges Leben hat an diesem Tag geendet.“

Der Angeklagte nimmt den Richterspruch völlig reglos zur Kenntnis, blickt ausdruckslos nach vorne. Vor der Verkündung hatte sich der 30-Jährige noch betont locker gegeben, fast fröhlich, winkte Bekannten im Zuschauerraum zu. Als Schroff das Strafmaß verkündet, bricht die Freundin des Angeklagten in Tränen aus.

Auch H. wirkt nach dem Urteil gegen seinen Angreifer ruhig und gefasst. „Ich muss das jetzt erstmal alles verarbeiten“, sagt er, nachdem er den Gerichtssaal verlassen hat. Im Moment sei er glücklich, auch wenn es eine gerechte Strafe nicht geben könne. „Ich möchte jetzt einfach einen Cut machen.“

Der Angriff liegt inzwischen vier Jahre zurück. Unter Zuhilfenahme vieler Zeugen und H.'s eigener Aussage hält das Gericht folgenden Ablauf für wahrscheinlich: H. kommt an dem Abend mit Freunden auf das Fest, merklich angetrunken geht man auf den Aussichtsturm. Dort befindet sich schon der spätere Angreifer. Es wird gepöbelt, von beiden Seiten, der Täter fordert H. auf, die Sache unten zu klären.

Draußen vor dem Turm geht er sofort zum Angriff über, packt H. von hinten, schleudert ihn mit dem Kopf gegen die Wand. Von da an ist H. praktisch bewegungsunfähig, doch der Angreifer schlägt und tritt weiter auf ihn ein. Erst als Zeugen angelaufen kommen, lässt er von ihm ab. „Hier zeigt sich eine gewaltbereite Persönlichkeit - er fühlt sich allmächtig und setzt das auch um“, fasst Richterin Schroff zusammen.

Bis zuletzt hatte der Angeklagte seine Unschuld beteuert und von einem tragischen Unfall gesprochen. „Ich habe ihn nicht gegen die Mauer geschleudert“, sagte er noch am Donnerstag. Zu Rangeleien sei es gekommen, er habe H. aber lediglich weggestoßen, zusammen sei man gegen den Turm geprallt.

Schroff sagt dazu: „Es ist selbst für einen Laien klar ersichtlich, dass die Verletzungen des Opfers so nicht zustande gekommen sein können.“ Auch ein Gerichtsmediziner hatte im Verlauf des Prozesses Zweifel geäußert und von einer „ganz erheblichen Kraft“ gesprochen, die nötig gewesen sei, um die Halswirbel brechen zu lassen. Richterin Schroff sagte: „Er ist noch am Leben, aber es wird nie wieder so sein wie zuvor.“

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