Kommentar zur César-Verleihung Das Ende der Kumpanei

Meinung | Paris · Die französische Kulturwelt steht vor einem fundamentalen Umbruch. Die César-Verleihung zeigt, dass das noch nicht alle verstanden haben.

 Wütende Frauen haben gegen die zwölffache Nominierung von Roman Polanski bei der César-Verleihung demonstriert.

Wütende Frauen haben gegen die zwölffache Nominierung von Roman Polanski bei der César-Verleihung demonstriert.

Foto: Knut Krohn

Die Gute-Laune-Veranstaltung hat nicht funktioniert – und das ist gut so. Im Salle Pleyel wollte sich die französische Filmwelt bei der César-Verleihung selbst feiern, während auf der Straße wütende Frauen gegen die skandalöse zwölffache Nominierung von Roman Polanski demonstrierten. Diese Gala war der offensichtliche Beweis für den Vorwurf der Schauspielerin Adèle Haenel, die französische Filmbranche habe aus der #metoo-Diskussion nichts gelernt.

Die Arroganz und Ignoranz der César-Akademie ist bestürzend. Dieser Club der alten, weißen Männer scheint die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Mit dieser selbstgefälligen Haltung hat sich das Gremium das eigene Grab gegraben. Die Ankündigung, sich selbst aufzulösen kam allerdings viel zu spät, der Schaden für den Filmpreis César ist groß.

Nicht nur in der französischen Filmbranche herrscht offensichtlich eine Kultur der männlichen Kumpanei und intellektuellen Komplizenschaft. Die Diskussion um die bestürzenden Pädophile-Vorwürfe gegen den Schriftsteller Gabriel Matzneff werfen die Frage auf, wie eine Gesellschaft seinen Künstlern über Jahrzehnte so viel Toleranz entgegenbringen konnte? Der Hinweis, dass zwischen Kunst und Mensch getrennt werden muss, wirkt angesichts der monströsen Vorwürfe absurd. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Opfer zu ihrem Recht gelangen und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Wer von Roman Polanski oder Gabriel Matzneff Reue erwartet, der wird allerdings enttäuscht. Beide Männer sehen sich als Opfer einer Hetzkampagne. Es geht aber längst nicht mehr allein um ihr Schicksal. Entscheidend für die Zukunft wird sein, ob es dem Kulturbetrieb gelingt, die Strukturen des Schweigens, Verheimlichens und Duldens aufzubrechen. Kunst lebt vor allem von Ehrlichkeit, alles andere ist bloßer Schein.

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