Ältester Reaktor Frankreichs Das AKW Fessenheim wird nach 43 Jahren abgeschaltet

Paris · Der älteste Reaktor Frankreichs geht am Montag endgültig vom Netz. Doch nicht überall ist die Freude darüber groß.

 Mit der Abschaltung des zweiten Reaktors wird das umstrittene Kraftwerk an der Grenze zu Deutschland endgültig stillgelegt. Der erste Reaktor war bereits Ende Februar vom Netz gegangen.

Mit der Abschaltung des zweiten Reaktors wird das umstrittene Kraftwerk an der Grenze zu Deutschland endgültig stillgelegt. Der erste Reaktor war bereits Ende Februar vom Netz gegangen.

Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Der Anfang vom endgültigen Ende des Pannen-AKW in Fessenheim beginnt mit einer Panne. Am Freitag hatte sich der letzte noch verbleibende Reaktor ungeplant selbst heruntergefahren. Über dem AKW am Rhein könnten nicht radioaktive Dampfwolken sichtbar sein, teilte der Betreiber EDF unmittelbar nach der automatischen Abschaltung vorsorglich mit, um die umliegende Bevölkerung zu beruhigen. Grund für den Zwischenfall war ein Blitzeinschlag, der das Hochspannungsnetz im umliegenden Verwaltungsbezirk Haut-Rhin getroffen hatte, erklärte EDF. Der Vorfall habe die Sicherheit des Kraftwerks nicht beeinträchtigt.

So kommt es zu der überraschenden Situation, dass Frankreichs ältestes noch laufendes Kraftwerk für einige Stunden wieder hochgefahren wurde, bis der verbleibende Reaktor am späten Montagabend kurz vor Mitternacht endgültig und planmäßig heruntergefahren wird. Der erste Druckwasserreaktor war bereits Ende Februar vom Netz genommen worden. Kritikern gilt das Kraftwerk an der Grenze zu Baden-Württemberg nicht nur wegen der immer wieder auftretenden Probleme, sondern auch wegen der erhöhten Erdbebengefahr schon seit Jahrzehnten als Sicherheitsrisiko. Die Gefahr, die von dem AKW ausgehe, werde allerdings vorerst weiterbestehen, beklagen die Atomkraftgegner. Solange die Brennelemente nicht entsorgt sind, gebe es ein Restrisiko, auch weil die Abklingbecken ihrer Meinung nach schlecht gesichert seien. Der Abtransport ins französische La Hague ist bis Ende 2023 geplant.

Auch die Bundesregierung und das Land Baden-Württemberg begrüßen die Abschaltung. Von „Erleichterung“ spricht der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Frankreich habe seit Inbetriebnahme des Atomkraftwerks vor 43 Jahren „mit dem Risiko gelebt, eine ganze Region unbewohnbar zu machen“, sagte er. Nun brauche es „eine Perspektive für Europa insgesamt, auf Atomstrom und fossilen Strom zu verzichten“.

Im Elsass dagegen haben Politiker, Gewerkschaften und vor allem die Anwohner erbittert für die Erhaltung des Kraftwerks gekämpft. Sie fürchten um hunderte Arbeitsplätze, die direkt und indirekt mit dem AKW zusammenhängen. Unzählige Hochspannungsleitungen prägen den Blick auf Fessenheim und das dahinterliegende Bergpanorama der Vogesen. Die meisten der über 1200 Mitarbeiter der Anlage schwanken zwischen Wut, Trauer und Verzweiflung. Für viele Familien heißt es, dass sie in den kommenden Jahren umziehen müssen. Über 200 EDF-Angestellte sind nach Angaben des Betreibers bereits an andere Standorte versetzt worden.

Viele der Angestellten des Kraftwerkes halten die Entscheidung für politisch motiviert. Immer wieder fällt der Name des französischen Ex-Präsidenten Francois Hollande. Der habe im Wahlkampf um das Präsidentenamt 2012 Fessenheim für ein paar Stimmen von Umweltschützen und Atomkraftgegnern geopfert. Allerdings brach der Sozialist dann sein Versprechen, die Anlage schon 2016 abzustellen, das übernimmt nun sein Nachfolger Emmanuel Macron. Aber auch ihm wird vorgeworfen, damit nur ein politisches Zeichen an die europäischen Nachbarn setzen zu wollen, dass es Frankreich ernst meine mit dem Ausstieg aus der umstrittenen Kernenergie, hin zu einer ökologischen Wende bei der Stromgewinnung.

Allerdings preist Präsident Macron die Atomkraft auch immer wieder als „kohlenstofffreie und günstige Energie“, die den Franzosen europaweit die niedrigsten Strompreise garantiere. Praktisch heißt das: Auch nach dem Aus in Fessenheim wird der Atom-Anteil am Strommix in Frankreich noch deutlich über 70 Prozent liegen. Anfangs hatte die Regierung in Paris vor, diesen Anteil bis 2025 auf 50 Prozent zu senken, doch dieses ehrgeizige Ziel wurde inzwischen wieder kassiert und um mindestens zehn Jahre nach hinten verschoben.

Die Region wird sich allerdings noch lange mit dem AKW beschäftigen müssen. Zwar drängt die französische Atomaufsicht ASN auf einen schnellen Rückbau, doch werden diese Arbeiten bis mindestens 2040 dauern. Gleichzeitig fordert die Gemeinde Ausgleichszahlungen für die wegbrechenden Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Dem Betreiber EDF hat der Staat bereits eine Abschaltprämie von 400 Millionen Euro zugesagt.

Auf dem freiwerdenden Gelände soll nach dem Willen der Politik ein deutsch-französischer Industriepark entstehen. Was sich in dem grünen und grenzübergreifenden Vorzeigeprojekt ansiedeln könnte, ist allerdings noch offen. Eine Solaranlage war im Gespräch oder eine Fabrik, die Windräder herstellt, das alles ist allerdings lediglich Zukunftsmusik.

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