Weitere bestätigte Fälle in NRW Coronavirus-Krisenstab sucht Besucher von Karnevalsveranstaltung

Düsseldorf/Heinsberg/Köln · Das Coronavirus ist jetzt auch in NRW nachgewiesen. Ein Paar aus dem Kreis Heinsberg wird in der Düsseldorfer Uniklinik behandelt. Drei Menschen aus dem Umfeld des Paares sind ebenfalls infiziert, außerdem ein Soldat in Köln und ein Arzt in Mönchengladbach. Der Krisenstab sucht derzeit alle Besucher einer Karnevalsveranstaltung.

 Das Universitätsklinikum Düsseldorf hat einen zweiten Coronavirus-Patienten bestätigt.

Das Universitätsklinikum Düsseldorf hat einen zweiten Coronavirus-Patienten bestätigt.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Haben sich auch Kindergartenkinder und Karnevalsbesucher infiziert? Nach den bestätigten Coronavirus-Fällen in Nordrhein-Westfalen werden an diesem Donnerstag zahlreiche weitere Testergebnisse von Kontaktpersonen der Infizierten erwartet. Dazu zählen Kindergartenkinder und Dutzende Teilnehmer einer Karnevalsveranstaltung. Die Behörden versuchen, eine weitere Verbreitung der neuartigen Krankheit zu stoppen - mit Quarantäne sowie Kindergarten- und Schulschließungen. Doch gerade die vielen Kontakte des infizierten Ehepaares zu anderen Menschen machen das zu einer schwierigen Aufgabe. Zudem blieb zunächst unklar, wo sich das Paar ansteckte. „Wir können nicht garantieren, dass wir die Infektionsketten gestoppt kriegen“, gab NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zu. Am Abend berichtet die Rheinische Post von einem weteren bestätigten Fall eines Arztes in Mönchengladbach. Aus dem Kreis Heinsberg kam die Meldung, dass sich drei Kontaktpersonen des infizierten Paares ebenfalls angesteckt haben. In Siegburg gibt es einen ersten Verdachtsfall.

Der Coronavirus-Krisenstab in NRW hat alle Besucher einer Karnevalsveranstaltung gebeten, sich zu melden. Sie sollen in Quarantäne bleiben, wie der Kreis Heinsberg am Mittwochabend mitteilte. Der Grund: An der Kappensitzung in Langbroich-Harzelt soll auch das Ehepaar teilgenommen haben, bei dem das neuartige Coronavirus nachgewiesen wurde.

Der Kreis Heinsberg geht davon aus, dass an der Karnevalssitzung in einem Saal am 15. Februar etwa 300 Besucher teilgenommen haben. Diese sowie deren Partner und gegebenenfalls Kinder und andere Mitbewohner müssten für 14 Tage in häuslicher Quarantäne verbleiben, hieß es. Die Besucher der Kappensitzung würden gebeten, sich umgehend zu melden. Es werde dringend darum gebeten, nicht die Notrufnummern zu blockieren oder selbstständig Arztpraxen oder Krankenhäuser aufzusuchen.

Auch bei einem am Militärflughafen Köln-Wahn stationierten Soldaten der Flugbereitschaft ist nach Bundeswehr-Angaben das neuartige Coronavirus festgestellt worden. Der 41-jährige Soldat werde seit Mittwoch im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz behandelt, teilte die Bundeswehr mit. Er habe grippeähnliche Symptome, sei aber „in einem gutem Zustand“.

Der Soldat hatte laut der Bundeswehr Kontakt zu dem schwer Erkrankten oder dessen Frau aus Gangelt im Kreis Heinsberg beim dortigen Karneval. „Nur weil er hörte, dass sein Bekannter in der Uniklinik in Düsseldorf behandelt wird, hat er sich gemeldet“, sagte der Koblenzer Oberstarzt Thomas Harbaum. Zuvor habe der 41-Jährige an eine normale Grippe geglaubt. Nun werde versucht, seine Kontaktpersonen ausfindig zu machen, um sie „wegen häuslicher Absonderung“ zu informieren. Aus Sicherheitsgründen wurde am Mittwoch der Militärflughafen Köln-Wahn vorübergehend geschlossen.

Die Frau aus Gangelt ist Kindergärtnerin und hat nach dpa-Informationen noch bis vergangenen Freitag in der Einrichtung gearbeitet. Ihr Mann hat in den vergangenen Tagen an einer Karnevalssitzung in seinem Heimatort teilgenommen. „Viele sind mit dieser Familie in Kontakt gewesen, und wir hatten gerade fünf Tage Karneval“, sagte der Bürgermeister von Gangelt, Bernhard Tholen (CDU), der „Welt“. Der 47-Jährige habe eine „unendliche Vielzahl von Kontakten“ zu anderen Menschen gehabt, sagte der Heinsberger Landrat Stephan Pusch (CDU).

Am Rosenmontag suchte das Paar dann ein Krankenhaus in Erkelenz auf, in der Nacht zu Mittwoch wurden sie von dort in die Düsseldorfer Uniklinik gebracht. Der Zustand des Mannes galt als kritisch.

In ihrem Heimatkreis fällt nun als Reaktion auf die Infektionen erstmal der Schulunterricht aus. Auch Kindergärten öffnen vorerst nicht mehr. Jeweils greift die Maßnahme bis zunächst einschließlich Montag, wie Landrat Pusch ankündigte. Die Stadt Geilenkirchen schloss auch ihr Schwimmbad und die Stadtbücherei, wie eine Sprecherin mitteilte. Bei den Amateurfußballern des FC Wegberg-Beeck wurde der Trainings- und Spielbetrieb untersagt.

„Ich denke, diese Situation erfordert von uns allen etwas Disziplin. Aber wir sollten auch nicht in Panik verfallen“, sagte der CDU-Politiker Pusch, der mit einem runden 100-köpfigen Krisenstab arbeitet. Er riet dazu, dass die Menschen „Massenansammlungen oder Besuche in Gemeinschafteinrichtungen“ vermeiden sollten. Sie sollten am besten zuhause bleiben. Wer Krankheitssymptome bei sich oder Bekannten feststelle, solle seinen Hausarzt anrufen. „Dieser weiß, wie in einer solchen Situation zu verfahren ist.“

Besonders in den Fokus rückte der Kindergarten, in dem die infizierte 46 Jahre alte Frau arbeitet. Alle Kinder der betroffenen Einrichtung sollten untersucht werden. „Da werden jetzt die sogenannten Abstriche gemacht und wir werden irgendwann morgen wissen, ob Kinder infiziert sind oder nicht“, versicherte Laumann. Die Kinder aus der Einrichtung und deren Eltern seien gebeten worden, zu Hause zu bleiben. Der Kindergarten mit 65 Plätzen teilte mit, dass er bis zum 6. März geschlossen bleibe.

Auch anderswo in NRW gab es Reaktionen: Das in der kommenden Woche geplante internationale Badminton-Turnier German Open in Mülheim an der Ruhr wurde wegen des Coronavirus abgesagt. Die Ausbreitung des Virus stelle für die Stadt Mülheim, die das Turnier untersagte, ein unkalkulierbares Risiko für Besucher und Sportler dar, hieß es.

Ob es im bevölkerungsreichsten Bundesland schon weitere Infizierte gab, blieb zunächst unklar. Etwa in Leverkusen gab es einen Verdachtsfall. Das Land erhielt beim Kampf gegen die Krankheit Unterstützung vom Robert Koch-Institut (RKI), wie Minister Laumann sagte. Zwei Experten sollen das Ministerium und den Kreis Heinsberg beraten.

Erschwert wurde die Mission der Behörden, weil sie zunächst nicht wussten, wo sich das Ehepaar aus dem Kreis Heinsberg ursprünglich mit dem neuen Coronavirus infiziert hatte. Ein Geschäftspartner des Mannes, der nach einer angeblichen China-Reise zunächst als mutmaßliche Quelle galt, war es nicht, wie Landrat Pusch sagte.

Unklar blieb auch, ob die zwei Kinder des Paares erkrankt sind. Zunächst zeigten sie keine Symptome, wurden in häuslicher Isolation von der Großmutter betreut und seien „putzfidel“, so Gesundheitsminister Laumann am Mittwoch. Tests auf das Virus sollten bei ihnen Klarheit bringen.

Vor allem der Zustand des Mannes, der an einer Vorerkrankung leidet, galt als kritisch. Schon im Krankenhaus in Erkelenz kam er auf eine Intensivstation: „Dort kam es zu einer raschen und rapiden Verschlechterung des allgemeinen Zustandes. Es kam zu einem Lungenversagen“, berichtete der Ärztliche Direktor der Klinik, Harry Elsbernd. Man habe ihn aber stabil halten können. Das Paar habe laut eigenen Angaben bereits seit dem 16. Februar über Symptome wie Fieber und Husten geklagt, wobei sie bei der Frau nicht so stark gewesen seien. Beide haben Lungenentzündungen.

Die Erkrankung des Mannes hatte auch Auswirkungen auf Köln: Wie sich herausstellte, hatte sich der Coronavirus-Patient noch vor kurzem zu regulären Nachsorgeuntersuchungen in einer anderen Sache in der Uniklinik Köln aufgehalten - am 13. und 19. Februar. In dieser Zeit soll er Kontakt zu zehn Mitarbeitern und 31 anderen Patienten gehabt haben, die mit ihm in den Wartebereichen saßen. Alle 41 Kontaktpersonen seien ausfindig gemacht worden und würden von medizinischen Teams auf das Virus getestet, teilte das Gesundheitsamt der Stadt mit. Zum Teil hätten sie sich noch im Krankenhaus befunden, zum Teil seien sie zu Hause aufgesucht wurden.

Bislang hat nach Angaben der Stadt nur eine einzige Person, eine Klinik-Mitarbeiterin, Krankheitssymptome wie Fieber gezeigt. „Deswegen haben wir sie direkt isoliert und bei uns aufgenommen“, sagte der Direktor der Virologie der Uniklinik Köln, Florian Klein. Insgesamt wurden nach Angaben der Stadt Köln sieben Personen im Krankenhaus isoliert, die anderen bei sich zu Hause. Erste Testergebnisse wurden im Laufe des Mittwochabends erwartet.

In Deutschland waren schon vor einiger Zeit erste Infektionen mit Sars-CoV-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann, nachgewiesen worden; vor allem bei einer Firma in Bayern, aber auch bei Rückkehrern aus dem chinesischen Wuhan, wo das Virus grassiert. Diese Fälle führten aber nicht zu weiteren bekannten Ansteckungen.

Nach dem Ausbruch einer Coronavirus-Epidemie in Italien gibt es nun in immer mehr europäischen Staaten Nachweise des Erregers: Österreich, Kroatien, das spanische Festland und die Schweiz hatten am Dienstag von Sars-CoV-2-Fällen berichtet. Auch in Baden-Württemberg wurden nun mehrere Fälle bekannt.

Viele Menschen, die sich mit Sars-CoV-2 angesteckt haben, haben nur leichte Erkältungssymptome wie Frösteln und Halsschmerzen - oder gar keine. Hinzukommen können Fieber, Husten und Atemprobleme, wie sie auch bei einer Grippe auftreten. Auch Kopfschmerzen oder Durchfall sind möglich. Die Inkubationszeit - der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von Symptomen - beträgt nach derzeitigem Stand meist 2 bis 14 Tage.

Vom Robert Koch-Institut hieß es, Ziel in Deutschland sei es, eine Erkrankungswelle hinauszuzögern, um zu vermeiden, dass die Covid-19- und die derzeitige Grippewelle zusammenfallen. Behörden versuchen, den Fällen mit Hochdruck nachzugehen, um eine weitere Verbreitung des Virus möglichst zu verhindern. Dadurch soll die Belastung auf das Gesundheitssystem abgemildert werden.

(mit Material von dpa)

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