Gewaltvorwurf gegen Bremer Polizisten Beamte sollen 28-Jährigen in einer Disco verprügelt haben

BREMEN/BONN · Mehrere Polizisten drücken einen Mann im Foyer einer Disco zu Boden, prügeln heftig auf ihn ein. Ein Beamter malträtiert ihn mit seinem Schlagstock, während weitere Polizisten andere Disco-Besucher wegdrängen.

 Der Schlagstock gehört zur Ausstattung von Polizisten. In Bremen setzte ihn ein Beamte gegen einen 28-Jährigen auf äußerst brutale Art ein.

Der Schlagstock gehört zur Ausstattung von Polizisten. In Bremen setzte ihn ein Beamte gegen einen 28-Jährigen auf äußerst brutale Art ein.

Foto: dpa

Diese Szene, aufgenommen von einer Überwachungskamera, sorgt derzeit für Aufregung, nachdem das Video der "Bild"-Zeitung zugespielt worden war.

Abgespielt haben soll sich die Szene am 23. Juni in der Bremer Disco "Gleis 9" in der Nähe des Hauptbahnhofs. Das vermeintliche Opfer: ein 28-jähriger Familienvater. Zeugen berichteten der Zeitung, dass es zuvor keinerlei Aggressionen des Mannes gegen die Beamten gegeben haben soll. Dennoch seien die insgesamt sieben Polizisten äußerst brutal gegen den Mann vorgegangen.

Nun hat die Polizei selbst Anzeige erstattet. "Es geht um den Verdacht der Körperverletzung im Amt", sagte Polizeisprecher Dirk Siemering der Nachrichtenagentur dpa. Zu Einzelheiten des Einsatzes wollte er unter Hinweis auf das laufende Verfahren aber keine weiteren Auskünfte geben. Nur so viel: Die Beamten seien aktiv geworden, weil der Mann vorher als aggressiv aufgefallen sei.

Auf den Videobildern ist zu sehen, wie mindestens sieben Beamte den 28-Jährigen im Eingangsbereich der Disco zu Boden ringen und schließlich abführen. Ein Polizist tritt heftig zu und prügelt mehrfach mit einem Schlagstock auf den Mann ein. Auf dem Video ist allerdings auch zu sehen, wie sich der Mann massiv gegen die Beamten zur Wehr setzt.

Die "Bild" berichtete, der Disco-Besucher sei anschließend mit Prellungen am Kopf, im Gesicht, an den Rippen und am Rücken in einem Krankenhaus behandelt worden. Später gemachte Aufnahmen zeigen das Opfer mit großflächigen Blutergüssen unter beiden Augen. Der Mann hat Anzeige wegen Körperverletzung erstattet.

Die Polizei erfuhr nach eigenen Angaben erst aufgrund der Berichterstattung von dem Video. Bremens Polizeipräsident Lutz Müller sagte, er erwarte eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls. Auch die Dienststelle für interne Ermittlungen beim Innensenator wurde eingeschaltet.

Doch nicht nur der Prügel-Vorwurf setzt die Bremer Polizei unter Druck. Verschiedene Medien berichteten, dass Beamte die Disco nach dem Vorfall mehrfach durchsucht und die Kamera beschlagnahmt hätten - angeblich, weil die Aufnahmen den Datenschutz verletzten. Und dennoch gelangte das Video an die Medien.

Für Wellen schlägt der neue Fall von Polizeigewalt auch deshalb, da in der jüngsten Zeit mehrere ähnliche Vorfälle in die Öffentlichkeit gerieten. So filmte zuletzt im Juni eine Passantin, wie zwei Polizisten in Westerburg im Westerwaldkreis gegen einen festgenommenen Mann gewalttätig vorgingen. In dem Video ist zu sehen, wie ein Beamter von oben mehrmals auf den am Boden sitzenden Mann einschlägt. Ein weiterer Polizist versetzt ihm einen Schlag gegen den Kopf und tritt ihm in die Seite.

Es folgen weitere Schläge ins Gesicht des Mannes, bevor er abgeführt wird. Zwei weitere Beamte sollen bei der Prügelattacke untätig zugeschaut haben. Gegen die gewalttätigen Polizisten wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, hieß es anschließend. Die beiden Beamten, die zugeschaut haben sollen, müssen sich eventuell demnächst wegen Strafvereitelung im Amt verantworten. Alle vier Beamten sind vorerst vom Dienst freigestellt.

Nach dem neuen Fall aus Bremen forderte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, keine Vorverurteilung vorzunehmen. Die Aufnahmen ließen nur ein paar Augenblicke der Gesamtsituation erkennen. "Niemand weiß, wie die Personen sich vor der Aufnahme verhalten haben."

Auch wenn Polizisten für brenzlige Situationen ausgebildet werden, steigt für die Beamten hierzulande das Risiko, vermehrt selbst Opfer von Gewalt zu werden - mit fatalen Folgen: "Mit der Anspannung steigt auch die Gefahr einer Überreaktion", schrieb Joachim Kersten, Fachgebietsleiter an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, Anfang des Jahres in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung".

Aber: "Vertreter des Gewaltmonopols müssen beim Einschreiten gegen Bürger diszipliniert handeln, Verhältnismäßigkeit ist ein Rechtsgrundsatz ohne Wenn und Aber." Kersten plädiert dafür, Instrumente einzuführen, mit denen man herausfinden könne, ob Polizisten häufig oder gar routinemäßig gegen Vorschrift und Recht verstoßen. Denn: "Die Polizei hat solche Charaktere nicht verdient."

Körperverletzung im Amt

Polizisten müssen bei Einsätzen darauf achten, angemessen vorzugehen - sonst können sie sich unter Umständen der Körperverletzung im Amt schuldig machen. Nach Paragraf 340 des Strafgesetzbuches steht darauf eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen auch nur eine Geldstrafe.

Die Polizei darf Einsatzmittel wie Schlagstöcke oder Waffen nur angemessen einsetzen. Unmittelbarer Zwang durch körperliche Gewalt, Pfefferspray, Schlagstöcke oder Waffen darf nur angewandt werden, wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen. (dpa)

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