"Amazonas-Bischof" Erwin Kräutler Anwalt der Unterdrückten

BONN · Der für seine Menschennähe bekannte "Amazonas-Bischof" Erwin Kräutler wird morgen 75 Jahre alt

 Bischof mit echtem Kampfgeist: Erwin Kräutler.

Bischof mit echtem Kampfgeist: Erwin Kräutler.

Foto: ap

Hätte es einer Bestätigung für das Lebenswerk von "Dom Erwin" Kräutler bedurft, dann wäre es die Papstwahl von Jorge Mario Bergoglio im März 2013. An die Ränder gehen, sich auf die Seite der Entrechteten stellen - was Franziskus fordert, hat der gebürtige Österreicher über viele Jahrzehnte getan. Als "Amazonas-Bischof" wird Kräutler landläufig bezeichnet; sein Bistum Xingu ist das flächenmäßig größte Brasiliens. Nun ist "Dom Erwin" sogar so etwas wie der Übersetzer von Papst Franziskus im deutschsprachigen Raum geworden: Er lebt das vor, was der lateinamerikanische Papst fordert.

Am Samstag wird Kräutler 75 Jahre alt - und ist als Gesprächspartner gefragter denn je. "Dom Erwin" trägt gern Turnschuhe und einen schlichten Priesterornat. Sein Platz ist in den Gemeinden im Regenwald, die sonst nur selten einen Priester zur Messfeier haben und an der Seite der entrechteten Indios, deren Lebensraum von Großunternehmen zerstört wird. Kräutler ist ein Mann des geraden Wortes. Auch wenn es bedrohlich wird, er scheut nicht zurück.

Wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Vorarlberg geboren, personifiziert "Dom Erwin" die Entwicklung der Kirche Lateinamerikas seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Den jungen Ordenspriester rief 1965 sein Onkel, Bischof Erich Kräutler, nach Brasilien. Dort lernte er zunächst die klassische Seelsorge kennen. 1968 beschlossen die Bischöfe Lateinamerikas eine grundlegende Neuordnung: Kleine Gemeinden mit viel Laienverantwortung sollten zur Keimzelle der Kirche werden; die wenigen Priester sollten möglichst viel bei den Menschen sein.

Als Bischof von Xingu und als Präsident des CIMI, des Indianermissionsrates der Brasilianischen Bischofskonferenz, kämpft Kräutler heute für die Rechte der Ureinwohner, der Landlosen im Amazonas und für den Schutz des Regenwaldes. 2010 wurde er dafür mit dem sogenannten Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Mehrere Mitarbeiter Kräutlers wurden ermordet; auch er selbst erhielt Morddrohungen. Er steht unter dauerndem Polizeischutz. 1983 schrieb Kräutler Schlagzeilen, als er während der Militärdiktatur von der Polizei verprügelt wurde. Er hatte sich mit Zuckerrohrschnittern solidarisiert, die auf ihren Lohn warteten. Kräutler, der zur Verhinderung einer Eskalation zur Demo geeilt war, wurde, wie Journalisten dokumentierten, von Sicherheitskräften abtransportiert. Kräutler selbst meint, er habe damals nur seinen Job gemacht: Er sei bei den Menschen gewesen. Diese schrien unablässig: "Lasst ihn los - er ist unser Bischof!" Das sei, sagt er rückblickend, für ihn wie eine zweite Bischofsweihe gewesen.

Kräutler soll nun Pläne für eine Dreiteilung seiner Diözese vorlegen. Mit seinem 75. Geburtstag muss er dem Papst seinen Amtsverzicht anbieten. "So kann es sein, dass ich gleich drei Nachfolger bekomme - damit käme ich ins Guinness-Buch der Rekorde." Arbeitslos wird er so oder so nicht. Unter anderem hat ihm Franziskus angetragen, an dessen Umweltenzyklika mitzuarbeiten.

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