Recht auf Spielen Zum Weltspieltag wird die Straße zum Spielplatz

Bonn/Berlin · Die UN-Kinderrechtskonvention kennt ein Recht auf Spiel. Nur wie dieses Recht mit Leben füllen? Claudia Neumann vom Kinderhilfswerk über Räume für Kinder in Städten.

 Tierisch bunt und total verspielt: So stellt sich Künstler Janosch die ideale Stadt vor.

Tierisch bunt und total verspielt: So stellt sich Künstler Janosch die ideale Stadt vor.

Foto: JANOSCH FILM & MEDIEN AG

Frau Neumann, gibt es eigentlich ein Recht auf Spielen?

Neumann: Ja – in der UN-Kinderrechtskonvention ist es in Artikel 31 verankert: das „Recht auf Spiel, Ruhe, Freizeit und Erholung“. Es wurde vor 25 Jahren von Deutschland ratifiziert …

Ratifiziert bedeutet in diesem Fall nicht: gesetzlich verankert.

Neumann: Es ist zwar geltendes Recht in Deutschland, es fehlen aber entsprechende gesetzliche Ausführungen. In Deutschland gibt es einige Kommunen, die sich per Satzung quasi als Selbstverpflichtung darum kümmern, Spielräume für Kinder in der Stadt zur Verfügung zu stellen. Berlin hat aber als einziges Bundesland per Gesetz für sich die Losung formuliert, dass pro Einwohner ein Quadratmeter Spielfläche vorhanden sein muss.

Und geht die Rechnung auf?

Neumann: In Berlin derzeit nur zu zwei Dritteln. Eine echte Verordnung zum Thema Spielräume gibt es in der deutschen Gesetzgebung nicht – sehr wohl aber eine Stellplatzverordnung für Autos!

Warum tun sich Städte so schwer damit, dem Nachwuchs Räume zur Verfügung zu geben?

Neumann: Das Problem ist, dass wir es mit einer enormen Innenstadtverdichtung zu tun haben. Es gibt immer weniger freie Flächen in den Städten. Und die, die es gibt, werden zunehmend bebaut, um Wohnraum zu schaffen. Da steht das Thema Spielfläche nicht an vorderster Stelle.

Ist mit Spielfläche ein Spielplatz gemeint?

Neumann: Nicht unbedingt. Wenn man über Spielräume für Kinder in der Stadt nachdenkt, dann müssen das nicht immer voll durchmöblierte schicke Spielplätze sein. Kinder lieben Brachflächen, in denen es einfach einen Sandberg und ein paar Bäume und Gestrüpp gibt – wo sie ihre ganz eigene Naturerfahrung machen und selber Abenteuerspiele erfinden können.

Und diese Brachflächen verschwinden?

Neumann: Bisher ging es uns beim Kinderhilfswerk noch darum, mehr Spielräume zu schaffen – mittlerweile sorgen wir uns vor allem darum, dass die, die es gibt, nicht auch noch verschwinden.

Jetzt könnte man sagen, ein Sandkasten im eigenen Garten tut’s ja auch ...

Neumann: Es ist schön, wenn ein Kind zu Hause einen Garten hat. Aber Spielräume, wie wir es meinen, sind ja auch Räume zum Zusammentreffen mit anderen Kindern – auch Zusammentreffen mehrerer Generationen. Und es geht nicht nur um Sandkästen für kleine Kinder – auch Jugendliche brauchen ihre eigenen Räume in der Stadt.

Es gibt Jugendeinrichtungen ...

Neumann: Ja, aber Jugendliche wollen nicht immer irgendwohin, wo es Pädagogen gibt. Die wollen auch mal an einen Ort, wo sie unter sich sind. Man kann das in Städten gut beobachten, wie Jugendliche mehr und mehr auf Kinderspielplätze ausweichen. Was folgt, ist Aufregung darüber, dass auf Kinderspielplätzen Kippen herumliegen und Geräte mit Graffiti besprüht werden – bei Kindern gibt es in unserer Gesellschaft oft noch eine gewisse Akzeptanz, wenn sie beim Spielen nicht zu laut werden. Aber bei Jugendlichen hört die Akzeptanz dann schnell auf. Aber der Grund für solche Konflikte ist: Es fehlt für die Bedürfnisse der Menschen in der Stadt der Raum.

Kann eine Straße ein Spielraum sein?

Neumann: Durchaus – und zwar für jeden. Wir haben an früheren Weltspieltagen schon Aktionen veranstaltet, wo einfach für diesen Tag eine Straße verkehrsberuhigt wurde – von privaten Nachbarschaftsinitiativen. Am Anfang malten da Kinder mit Kreide auf den Asphalt, und dann guckten selbst kinderlose Erwachsene sich das Treiben an – und kamen dann plötzlich mit Badmintonschlägern und spielten auf der Straße eben ihr Spiel. Da hatte dann jeder auf seine Weise was von der Straße.

Der Weltspieltag ist ein Aktionstag – wer wie aktiv wird, ist jeder Stadt selbst überlassen. Wissen Sie von Aktionen?

Neumann: Im Wrangelkiez in Berlin soll beispielsweise eine Autostraße mit dem Aufstellen mehrerer Planschbecken verkehrsberuhigt werden. Das Deutsche Kinderhilfswerk ruft anlässlich des zehnjährigen Jubiläums zu einer deutschlandweiten Kreideaktion auf: Kinder und Erwachsene sollen auf ihre Straßen Kreidebilder von ihrer Wunschstadt malen. Im Dortmunder Westfalenpark wird so ein riesiges Bild entstehen.

Janosch hat das für das Kinderhilfswerk schon mal vorweggenommen ...

Neumann: Ja, zum zweiten Mal ist Janosch jetzt für uns aktiv geworden. Der Spot der Janosch-Gesellschaft zeigt ein echtes Straßenideal.

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