Die netten Helfer von nebenan Verein bringt Nachbarschaftshilfen nach Paris

Paris · Der Verein „Lulu“ bringt nachbarschaftliche Nähe ins hektische und oft unpersönliche Paris. Dienstleistungen gegen kleine Beträge gehören zum Rezept.

 Ein Kiosk als Anlaufpunkt: Wie hier am Montmartre bietet „Lulu dans ma rue“ Interessenten Basisinformationen zu seinem Angebot – und ein Plätzchen zum Plaudern.

Ein Kiosk als Anlaufpunkt: Wie hier am Montmartre bietet „Lulu dans ma rue“ Interessenten Basisinformationen zu seinem Angebot – und ein Plätzchen zum Plaudern.

Foto: Lulu

Sommer in Paris, Urlaubszeit. Doch wer gießt die Pflanzen während der Ferien? Das neue Möbelstück wurde in Einzelteilen geliefert, doch zum Zusammenbauen fehlen Zeit und Know-how? Für beides findet sich ein „Lulu“, der für zehn oder 15 Euro pro Stunde vorbeikommt. Ob Wäsche bügeln, Informatikprobleme lösen oder die Lieferung frischer Croissants am Sonntagmorgen – das „Lulu“-System umfasst alle kleinen Tätigkeiten des Alltags. Seinen Erfindern ging es um die Begegnung der Menschen in einer immer unpersönlicher werdenden Zeit – und das in einer der hektischsten Städte Europas: Paris.

„Lulu dans ma rue“, übersetzt „Lulu in meiner Straße“, heißt das Konzept der Vermittlung einfacher Servicedienstleistungen innerhalb eines Viertels. Der Symbolname „Lulu“ meint den netten Helfer – oder die nette Helferin – von nebenan. Um über die Internetseite hinaus physisch sichtbar zu sein, stehen derzeit fünf „Lulu“-Kioske in der französischen Metropole und einer im Vorort Clichy, die an sechs Tagen pro Woche besetzt sind.

Im Kiosk von Montmartre ist es Sophie, die hier vor ihrem aufgeklappten Laptop sitzt und den Passanten ihr offenes Lächeln schenkt. „Jeder kann sich hier über unsere Dienste informieren, sich setzen und plaudern“, sagt die junge Frau. Einladend deutet sie auf die Stühle vor ihrem Kiosk, in dessen Auslagen Bücher zum Ausleihen stehen: „Wir wollen ein Ankerpunkt sein, der die Leute zusammenbringt.“ Zweimal im Monat wird ein Umtrunk organisiert, mit Musik und der Möglichkeit für lokale Vereine, sich vorzustellen. Der erste „Lulu“-Kiosk eröffnete 2015 im Pariser Marais-Viertel auf eine Idee von Charles-Édouard Vincent hin, des Gründers des sozialen Hilfsvereins „Emmaüs Défi“ für die berufliche Eingliederung von Langzeitarbeitslosen oder Menschen mit sozialen Problemen. „Jeder kann dazu beitragen, eine bessere Gesellschaft aufzubauen“, sagt der Idealist Vincent. „Damit anfangen kann man hier und jetzt und zwar unten vor seiner Haustür.“ Sein Modell sei das Gegenteil eines Systems, in dem es nur noch um schnellen Profit gehe. Es basiere auf Vertrauen und persönlichen Beziehungen zwischen Menschen einerseits, die Talente und Zeit haben und Geld bräuchten – und solchen, die Hilfe bei kleinen oder größeren Handgriffen benötigten, andererseits.

Hilfen im Haushalt am begehrtesten

„Hatten wir vor drei Jahren zwischen zehn und 30 Anfragen am Tag, sind wir inzwischen bei 250 bis 300“, sagt Norma Valteau, Mitarbeiterin bei „Lulu dans ma rue“. 40 000 Kundenprofile gibt es inzwischen. Am meisten gefragt seien Hilfen im Haushalt, beim Umzug oder bei Informatikproblemen. Die 500 angemeldeten „Lulus“ seien zwischen 18 und 75 Jahre alt, Studenten oder Rentner, Berufstätige oder Arbeitslose, die so eine sanfte Rückkehr ins Berufsleben beginnen.

Inzwischen zählt das Unternehmen 30 Mitarbeiter, von denen sich acht nur um die „Lulus“ kümmern und ihnen zunächst bei verwaltungstechnischen Schritten wie der Anmeldung als Kleinunternehmer helfen. Bevor jemand babysitten, ein Paket abholen oder Gartenarbeit leisten darf, trifft ihn das Team mehrere Male.

Bei jeder Dienstleistung, die für den Kunden steuerlich absetzbar ist, behält das Unternehmen eine Kommission von 21 Prozent ein. Es gibt private Investoren sowie öffentliche Subventionen für die Kioske und deren Personal. „Wir sind gerade dabei, rentabel zu werden“, sagt Valteau. Aus aller Welt gingen Hunderte Anfragen ein von Interessenten, die das Geschäftsmodell kopieren wollen. Die „Lulus“ wollen Valteau zufolge frühestens 2020 über Paris hinaus expandieren, erst in Frankreich, dann vielleicht international. Auf der Internetseite setzt man sich keine Grenzen. Hier heißt es: „In Paris, bald in ganz Frankreich und eines Tages auf dem Mond!“

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