"No-go-Area" für Feuerwehr Verdächtige Geräusche an Unglücksbrücke in Genua

Genua · Nach der Brücken-Katastrophe sucht Genua den Weg zurück in die Normalität. Erste Familien bekommen eine neue Bleibe. Andere dürfen nicht mal mehr in ihre Wohnungen, um persönliche Gegenstände zu holen: Die Brücke knarzt.

Aus Sicherheitsgründen haben Feuerwehrleute in Genua ihre Arbeit unter einem der beiden Brückenreste vorerst eingestellt.

Der Rumpf, der über evakuierten Wohnhäusern verläuft, mache Geräusche, die sich von denen in den vergangenen Tagen unterschieden, sagte Feuerwehr-Sprecher Luca Cari am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die Bewohner der Häuser dürften deshalb von nun an keine persönlichen Gegenstände mehr aus ihren Wohnungen holen.

Andere Betroffene hatten mehr Glück: Sie bekamen schon weniger als eine Woche nach dem verheerenden Einsturz des Polcevera-Viadukts mit 43 Toten am Montag ein neues Zuhause. Regionalpräsident Giovanni Toti überreichte fünf Familien Schlüssel für neue Wohnungen im nördlich von der Unglücksstelle gelegenen Stadtteil Bolzaneto, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Bis zum 20. September sollten weitere 40 Wohnungen zur Verfügung stehen, bis Ende des Monats weitere 100. "Innerhalb von maximal acht Wochen gibt es ein Zuhause für alle", versprach Toti auf Twitter. Mehr als 500 Genuesen hatten ihre Wohnungen verlassen müssen. Die Kommune rief die Bürger dazu auf, den nun Obdachlosen Wohnraum bereitzustellen.

Während in Rom die Diskussion um den möglichen Entzug der Konzession für den privaten Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia weiterging, bot US-Präsident Donald Trump Italiens Ministerpräsidenten Giuseppe Conte Hilfe an. In einem Telefonat habe der Staatschef Conte außerdem sein Beileid ausgesprochen, teilte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, in Washington mit.

Der als Morandi-Brücke bekannte Polcevera-Viadukt in der norditalienischen Hafenstadt war während eines Unwetters am vergangenen Dienstag eingestürzt. Mit was für einer Wucht einer der drei Pylone der Brücke umstürzte und auf die Fahrbahn krachte, machten am Montag zwei von der Finanzpolizei veröffentlichte Videos aus Überwachungskameras deutlich. Mehr als 30 Fahrzeuge waren rund 45 Meter in die Tiefe gestürzt.

Die Brücke gehörte zur Autobahn 10, die eine wichtige Verbindungsstraße in anliegende italienische Regionen und nach Südfrankreich ist. Die genaue Ursache für den Einsturz ist noch unklar. Experten vermuten aber, dass die Katastrophe durch den Riss eines Tragseils verursacht worden sein könnte.

Darauf deutet auch ein Medienbericht hin, der seit dem Wochenende Aufsehen erregte: Dem zufolge war bereits seit Februar bekannt, dass betonverkleidete Schrägseile von Rost befallen waren. Das bestätige das Protokoll einer Sitzung von mindestens sieben Ingenieuren, die den italienischen Staat und den Autobahnbetreiber vertreten hatten, berichtete das Nachrichtenmagazin "L'Espresso". Das Ergebnis der Überprüfung habe weder zu einer Sperrung noch zu einer Begrenzung des Verkehrs auf der Brücke geführt. Aus dem Verkehrsministerium verlautete, es liefen interne Prüfungen zu dieser Frage.

Der Genueser Ingenieursprofessor Antonio Brencich, der damals bei dem Treffen dabei war, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass Autostrade die Runde über die Korrosion in Kenntnis gesetzt hatte. Diese sei aber weniger dramatisch gewesen als nun berichtet. Die Stabilität der Brücke sei dadurch nicht beeinträchtigt gewesen. Es habe keinen Anlass für Einschränkungen des Verkehrs gegeben, sagte Brencich. Stattdessen habe das Unternehmen grünes Licht für ein 20 Millionen Euro schweres Projekt bekommen, das auch Stabilisierungsarbeiten später in diesem Jahr vorgesehen habe.

Die Brücke, die auch wegen ihrer Konstruktionsweise umstritten war, sei immer wieder von Autostrade überprüft worden und es habe keine Zweifel an diesen Überprüfungen gegeben, sagte der Ingenieur. Brencich ist Teil einer von der Regierung eingesetzten Kommission die die Ursache für den Brücken-Einsturz untersuchen soll.

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