Organisierte Kriminalität Mafia begeht Vierfachmord in Süditalien

Rom · Ein Vierfachmord erschüttert die Feriengegend Gargano in Süditalien. Das Verbrechen wirft ein Schlaglicht auf eine bislang kaum beachtete Organisation von Familienclans, derer die Polizei kaum Herr wird.

 Tatort San Marco in Lamis: Ermittler bei der Spurensuche um einen Wagen, in dem eines der vier Opfer eines Mafiamordes starb.

Tatort San Marco in Lamis: Ermittler bei der Spurensuche um einen Wagen, in dem eines der vier Opfer eines Mafiamordes starb.

Foto: AP

Es gab ein ungeschriebenes Gesetz der Mafia in Apulien: Im August wird nicht getötet. Der Gargano, die Gegend am Sporn des italienischen Stiefels, ist auch bei deutschen Touristen beliebt. Verbrechen zur Hochsaison gelten als geschäftsschädigend, zumal die Organisierte Kriminalität in Apulien über die Schutzgelderpressung von Unternehmern auch vom Tourismus profitiert. Seit Mittwoch und dem Mord an vier Männern bei San Marco in Lamis gilt die alte Regel nicht mehr. Bei helllichtem Tag erschossen zwei flüchtige Killer den 50 Jahre alten Mafiaboss Mario Luciano Romito aus Manfredonia und seinen Fahrer. Zwei Bauern, die offenbar Zeugen des Verbrechens wurden, bezahlten ebenfalls mit dem Leben.

„Wilder Westen in Apulien“, titelte der „Corriere della Sera“ am Donnerstag. Innenminister Marco Minniti und Polizeichef Franco Gabrielli kündigten an, zu einer Krisensitzung in die Provinzhauptstadt Foggia zu kommen. Der Vierfachmord mitten im Ferienmonat August wirft ein Schlaglicht auf die bislang wohl am meisten unterschätzte Mafia Italiens, die nicht mit der weiter südlich operierenden Sacra Corona Unita zu verwechseln ist. Die Polizei verzeichnet 35 Morde in den vergangenen zwei Jahren. Franco Roberti, der Leiter der italienischen Antimafia-Behörde, spricht von 300 Morden in den vergangenen 30 Jahren, verursacht durch Rivalitäten verfeindeter Clans. 80 Prozent der Verbrechen seien unbestraft geblieben. Die Clans des Gargano „sind eindeutig gewalttätiger und aggressiver als die besser organisierten Mafias wie 'Ndrangheta, Cosa Nostra und Camorra“, sagte Roberti am Donnerstag.

Die Rachelogik der Clans

Auch das Verbrechen von San Marco in Lamis folgte der Rachelogik der Clans. Die einst verbündeten Familien der Romitos und der Li Bergolis sollen seit Jahren eine sogenannte Faida austragen, bei der 2009 bereits der Bruder von Mario Luciano Romito ermordet wurde. Franco Romito soll den Carabinieri Hinweise auf Mitglieder der Li Bergolis gegeben haben, seither befinden sich die Clans im Krieg. Wie brutal die Bosse dabei vorgehen, zeigen die Morde an den offenbar unbeteiligten Bauern. Weil sie zufällige Zeugen des Attentats bei einem stillgelegten Bahnhof waren, wurden auch sie Opfer der Killer, die mit einer Kalaschnikow und einem Jagdgewehr töteten. Der Tatort liegt nur wenige Kilometer vom berühmtesten Wallfahrtsort Italiens, San Giovanni Rotondo, entfernt. Sechs Millionen Pilger besuchen dort jährlich das Grab des Kapuzinermönchs Padre Pio.

Ermittler in Finanznot

„Hier gibt es einen Krieg, aber keiner nimmt davon Notiz“, sagte Antimafia-Staatsanwalt Giuseppe Volpe aus Bari. Zuletzt berichteten italienische Medien über die Organisierte Kriminalität im Raum Foggia im März, als es nach der Räumung eines illegalen, von den Clans kontrollierten Flüchtlingslagers zu Spannungen mit der Polizei kam. Unbekannte feuerten nachts auf ein Polizeifahrzeug. 28 Clans teilen die illegalen Geschäfte in der Provinz Foggia unter sich auf. Haupteinnahmequellen der laut Roberti „vierten Mafia“ sind Drogenhandel und Schutzgelderpressungen. Insbesondere im Ferienort Vieste, den jährlich zwei Millionen Touristen besuchen, sollen Erpressungen Alltag sein. Mehrere Clans haben sich außerdem auf Raubüberfälle von Geldtransportern in ganz Italien, auf die Herstellung von Falschgeld und die illegale Entsorgung von Giftmüll spezialisiert.

Bislang konnten die Mafiosi des Gargano weitgehend ungestört agieren. Aus Angst vor Racheakten gibt es so gut wie keine Anzeigen. Zuletzt arbeitete vor zehn Jahren ein Kronzeuge mit der Justiz zusammen. Die Ermittler sind zudem materiell unterversorgt. Staatsanwalt Volpe sagte, er habe ein Auto von den Carabinieri leihen müssen, um seinen ermittelnden Kollegen zum Tatort zu schicken. Der Wagen der Staatsanwaltschaft habe noch Winterreifen. Für den Reifenwechsel fehle das Geld.

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