Nachbarschaftsprobleme besonderer Art Londoner Luxusleben auf dem Präsentierteller

London · Die Aussicht von der Besucherplattform der Londoner Tate Gallry of Modern Art aus ist spektakulär. Und das nicht nur aufs Stadtbild, sondern in die großzügig verglasten Apartments der betuchten Nachbarschaft. Das führt zu Ärger.

 Enge Nachbarschaft: Die Tate Modern (links) und Gebäude mit großzügig verglasten Apartments.

Enge Nachbarschaft: Die Tate Modern (links) und Gebäude mit großzügig verglasten Apartments.

Foto: picture alliance / dpa

Im Sekundentakt spucken die Fahrstühle Touristen im zehnten Stock aus. Im obersten Level der Londoner Tate Gallery of Modern Art bietet sich ihnen ein atemberaubender Panoramablick auf die Themse, die Kathedrale St. Paul's, die City, die im Horizont verschwindende Metropole – und auf einen gegenüberliegenden Block, der Luxus-Apartments beherbergt. Deren großzügige Fenster gewähren Einblick ins Leben der Superreichen, das Neo-Bankside-Gebäude liegt nur einige Meter Luftlinie von den Kunstbesuchern entfernt. Ein handfestes Problem.

Ein Hinweisschild bittet die Touristen zwar darum, „die Privatsphäre der Anwohner zu respektieren“. Aber täglich tauchen Bilder und Videos dieser Wohnungen in den sozialen Netzwerken auf – zum Ärger der Bewohner dieser Apartments, die bis zu sechs Millionen Pfund kosten. Sie sträuben sich, „wie auf dem Präsentierteller“ zu leben. Die Tate Modern habe ihre Wohnungen in „Goldfischbecken“ verwandelt, sie stünden unter „fast ständiger Beobachtung“.

Beschwerten sie sich über die Situation im vergangenen Jahr lediglich lautstark, ziehen fünf der Nachbarn nun rechtliche Konsequenzen und verklagen das Museum. Sie fordern eine Sichtschutzwand. Seitens der Tate heißt es, dass „das Design des Gebäudes stets eine Terrasse für die Öffentlichkeit auf höchster Ebene“ vorgesehen habe – was die nun erzürnten Anwohner der Tate offenbar ignorierten. Als sie einzogen, befand sich die Erweiterung des berühmten Kunstmuseums noch in der Errichtungsphase.

Im Juni 2016 eröffnete der spektakuläre Anbau, das Switch House, das mit ockerfarbenen und versetzt gestapelten Ziegelsteinen ummauert wurde. Die neue Galerie, die von den Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron entworfen wurde, lockte seitdem eine Rekordzahl von Besuchern an. Die Ausstellungsfläche hat sich um 60 Prozent vergrößert. Und zu den Attraktionen gehört eben auch die Aussichtsplattform, deren Besuch wie auch der Eintritt ins Museum kostenfrei ist.

Eine Lösung für den Streit, die der ehemalige Tate-Chef Nicholas Serota vor einigen Monaten vorschlug, klang zunächst naheliegend: Wie es denn wäre, schlichtweg Gardinen oder Rollläden anzubringen? Doch offenbar scheint diese Art von Sichtschutz nicht zum luxuriösen Stil der Bewohner zu passen. Sie gingen jedenfalls nicht auf den Ratschlag ein. Etliche Kommentatoren lästerten daraufhin über die reiche Oberschicht, die vor ihren Fenstern im Normalfall keine Gardinen brauche. Zu abgehoben wohnten deren Mitglieder.

Ein Tate-Besucher, der in einem der Apartments ein Teleskop am Fenster entdeckte, befand via sozialer Medien, das Switch House habe einen demokratisierenden Effekt. Während die Menschen in dem Wohnblock ein Fernrohr nutzen mögen, um auf „das einfache Volk niederzuschauen“, das an der Themse entlangspaziert, habe die Öffentlichkeit durch die Aussichtsplattform nun die Chance, zurückzustarren.

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