Unglück in Genua Ermittlungen gegen Funktionäre nach Brückeneinsturz

ROM · Nach dem Einsturz der Brücke in Genua ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft gegen 20 Personen. Darunter sind auch auch Funktionäre der Autobahngesellschaft und Mitarbeiter des Verkehrsministeriums.

 Blick auf die eingestürzte Morandi-Autobahnbrücke. 43 Menschen kamen bei dem Unglück am 14. August ums Leben.

Blick auf die eingestürzte Morandi-Autobahnbrücke. 43 Menschen kamen bei dem Unglück am 14. August ums Leben.

Foto: dpa

Die Suche nach den Verantwortlichen für den Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua am 14. August mit 43 Toten ist einen Schritt weiter. Die Staatsanwaltschaft Genua ermittelt gegen 20 Personen, die möglicherweise Mitschuld an dem Einsturz der Brücke tragen. Das teilte Staatsanwalt Francesco Cozzi am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit. Unter den Verdächtigen sind Funktionäre der Autobahngesellschaft Autostrade per l'Italia, des italienischen Verkehrsministeriums sowie Mitarbeiter einer Firma, die ab Oktober Renovierungsarbeiten an der Morandi-Brücke aufnehmen sollte. Demnächst soll das Beweisverfahren eröffnet werden. Die Vorwürfe lauten unter anderem auf fahrlässige Tötung im Straßenverkehr, fahrlässige Tötung sowie auf „fahrlässige Herbeiführung einer Katastrophe“.

Unter den Verdächtigen ist auch der Geschäftsführer von Autostrade per L'Italia, Giovanni Castellucci. In einem Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ vom Freitag sagte er, er fühle sich als Betreiber der Autobahn verantwortlich, aber „nicht schuldig“. Außer gegen Castellucci ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen acht weitere Funktionäre der Autobahngesellschaft, unter anderem gegen die Verantwortlichen für Instandhaltung. „Die Brücke muss gestärkt werden“, soll der ehemalige Direktor der entsprechenden Abteilung, Mario Bergamo, bereits im Jahr 2015 festgestellt haben. Erst im Oktober diesen Jahres sollten entsprechende Renovierungsarbeiten an der Brücke beginnen.

Ermittlungen gegen Mitarbeiter im Verkehrsministerium

„Wenn im Fall Autostrade Fehler begangen wurden, wenn die Vorgänge vollständig ermittelt sind, werden die richtigen Entscheidungen getroffen“, sagte Gilberto Benetton, Mitgründer der Benetton-Familien-Holding. Die für ihre Modeprodukte bekannte Unternehmerfamilie ist über die Holding Atlantia Mehrheitseigner der Autobahngesellschaft. Die italienische Regierung um Fünf-Sterne-Bewegung und Lega brach kurz nach dem Einsturz der Brücke einen Streit mit der Betreibergesellschaft vom Zaun und schob ihr die Hauptschuld zu. Die Rede war auch vom Entzug der Betriebserlaubnis.

Die These von der Alleinschuld der Autobahnbetreiber deckt sich nicht mit den bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft. Denn ermittelt wird auch gegen sieben teilweise hochrangige Mitarbeiter des Verkehrsministeriums in Rom, die für die Sicherheit der Autobahnen im betreffenden Trakt zuständig waren. Einer der Funktionäre wurde von Verkehrsminister Danilo Toninelli in eine Kommission berufen, die den Einsturz intern ermitteln soll. Außerdem müssen sich mehrere Mitarbeiter der Firma Spea Engeneering verantworten, die mit den Renovierungsarbeiten an der Brücke beauftragt worden war. Ihre bisherigen Informationen beziehen die Ermittler aus Zeugenbefragungen, Sitzungsprotokollen, Emails und Handy-Chats. Einer der Funktionäre soll über die stählernen Tragseile, die die Statik der Morandi-Brücke gewährleisten sollten, wörtlich geschrieben haben: „Sie halten nicht.“

Tragseil riss vor Einsturz

Nach bisherigen Erkenntnissen ist es wahrscheinlich, dass mindestens eines dieser Tragseile vor dem Einsturz riss. Da die Schwäche dieser betonumhüllten Seile sowie Risse in einem Stützpfeiler bereits seit einiger Zeit bekannt waren, beauftragte die Autobahngesellschaft im Juni 2015 Spea Engeneering mit einem Sanierungsprojekt. Dies wurde von Spea Engeneering über zwei Jahre hinweg ausgearbeitet. Im Oktober 2017 gab der Verwaltungsrat von Autostrade per l'Italia grünes Licht für die 20 Millionen Euro teure Sanierung. Bis die Genehmigungen des Ministeriums vorlagen, dauerte es jedoch weitere sieben Monate. Am 14. August stürzte die Brücke ein. Warum Funktionäre und Techniker trotz des alarmierenden Zustandes des Viadukts nicht rechtzeitig handelten, will die Staatsanwaltschaft nun herausfinden.

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