Ein bizarres Medizinprojekt Doktor Frankenstein hat einen Plan

Rom · Der italienische Chirurg Sergio Canavero will noch 2017 den ersten Kopf transplantieren. Das erforderliche Ärzteteam, sagt er, habe er zusammen. Das Geld fehlt noch. Und etliche, auch ethische Fragen sind offen.

Ärzte können heute so gut wie jeden Körperteil verpflanzen. Selbst Gesichter sind ersetzbar. Eines der letzten Tabus der Medizin ist die Kopftransplantation. Technisch scheinbar unmöglich und ethisch fragwürdig, weil ein aus zwei Körpern zusammengesetztes Wesen den Frankenstein-Mythos und den Menschen als Schöpfergott ins Spiel brächte.

Es gibt einen Arzt, der unbedingt den Beweis führen will, dass eine Kopftransplantation technisch möglich ist. Er heißt Sergio Canavero und hat bis vor zwei Jahren als Neurochirurg im Universitätsklinikum von Turin gearbeitet. Dann zerstritt sich der extrovertierte Italiener mit seinen Kollegen. Seither widmet sich Canavero mit noch mehr Hingabe seinem aberwitzigen Plan. „Als die Brüder Wright das erste Flugzeug konstruierten, wurden sie auch als verrückt bezeichnet“, entgegnet Canavero seinen Kritikern.

Der medizinische Sinn: Schwere Krankheiten, insbesondere Lähmungen, aber etwa auch Krebs oder Diabetes, könnten so besiegt werden. In Wirklichkeit ist die Kopftransplantation der Austausch eines kranken Körpers durch einen gesunden. Der funktionsfähige Kopf des Empfängers bekäme den gesunden Körper eines hirntoten Menschen, des Spenders. Damit hören die Gewissheiten aber auch schon auf. Es sei denn, man heißt Sergio Canavero.

Den „Rockstar der Neurochirurgie“ nennt ihn der italienische Wissenschaftsjournalist Edoardo Rosati, mit dem Canavero ein Buch über sein Projekt geschrieben hat. Canavero ist muskulös, trägt Glatze und bezeichnet sich selbst als Einzelgänger, betreibt japanischen Kampfsport, spricht angeblich acht Sprachen. Seit über 30 Jahren beschäftigt sich Canavero mit der Kopftransplantation. In einem eigens einzurichtenden Operationszentrum mit bis zu 150 im Turnus arbeitenden Chirurgen würde dabei zunächst der zu versetzende Kopf auf bis zu zwölf Grad heruntergekühlt und dann vom gelähmten Körper abgeschnitten. Der entscheidende und medizinisch umstrittenste Schritt ist die notwendige Durchtrennung der Rückenmarksnerven des Empfängers und ihre Zusammenführung mit denen des fremden, gesunden Körpers.

1970 gelang in den USA die Kopftransplantation bei einem Affen, der jedoch gelähmt blieb und nach 36 Stunden starb. Canavero behauptet, er habe die Lösung. Ein von Spezialisten angefertigtes, extrem scharfes Messer zur glatten Durchtrennung der Nervenfasern sowie Polyethylenglykol als Klebstoff. „Die Wissenschaft interessiert sich für ihn, weil die Reparatur von zerstörten Nervenfasern ein großer Fortschritt wäre, etwa zur Heilung von Querschnittsgelähmten“, behauptet Rosati.

Diese Perspektive ist Canaveros Trumpf, die Unbekannten und ethischen Fragen sind unzählig. Einen Patienten hat Canavero immerhin schon. Der an einer unheilbaren Form des Muskelschwunds erkrankte Russe Valeri Spiridonov will der erste Mensch mit einem neuen Körper sein.

Bis zuletzt behauptete Canavero, die Operation solle noch vor Weihnachten 2017 über die Bühne gehen. Dem Problem, dass Kopf und Körper sich gegenseitig abstoßen, will Canavero mit „Virtual-Reality-Training“ und Psychotherapie beikommen. Die Finanzierung der etwa 15 Millionen Euro teuren Operation ist alles andere als gesichert. Sollte das Experiment starten, griffe Canavero nicht persönlich ein. Ihm fehlt die Operationserfahrung. Er würde im Hintergrund koordinieren, sozusagen als Kopf der ganzen Angelegenheit.

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