Probleme auf dem Dach der Welt Diebe bringen Bergsteiger am Mount Everest in Lebensgefahr

Bangkok · Gedränge am höchsten Berg der Welt: 600 Menschen erklommen in diesem Jahr den Mount Everest. Die Unternehmung wurde für manchen besonders riskant: Mehrere Expeditionen berichten von verschwundenen Sauerstoffvorräten in den Camps.

 Ohne Sauerstoffgerät ist der Aufstieg zum höchsten Gipfel der Welt für die meisten Menschen nicht zu schaffen. Reserven an Atemluft können am Mount Everest überlebenswichtig sein.

Ohne Sauerstoffgerät ist der Aufstieg zum höchsten Gipfel der Welt für die meisten Menschen nicht zu schaffen. Reserven an Atemluft können am Mount Everest überlebenswichtig sein.

Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Nepals Mount Everest wandelt sich zum höchsten Rummelplatz der Welt. 600 Personen haben in diesem Jahr trotz starken Winden, schlechtem Wetter und extremer Kälte den Mount Everest bestiegen. Einer von ihnen war der Sherpa Kami Rita, der zum 21. Mal auf dem doppelbettgroßen Gipfel stand. Mindestens fünf Menschen starben. Aber die meisten Nachrichten von den Bergflanken in der Todeszone gleichen Berichten aus einem Vergnügungszentrum, in dem sich leichtsinnige Abenteurer ebenso tummeln wie gerissene Geschäftemacher, gewissenlose Kletterer, professionelle Bergsteiger – und Sauerstoffdiebe.

Bereits im vergangenen Jahr gab es Berichte, wonach mehrere der rund 500 US-Dollar teuren Flaschen mit lebenswichtiger Atemluft für erschöpfte Everest-Bezwinger auf mysteriöse Weise verschwanden. Während der vergangenen Wochen mussten gleich mehrere Gruppen beim Abstieg vom Mount Everest zu ihrem Schrecken feststellen, dass Unbekannte ihre Zelte geöffnet und für den Heimweg aufbewahrte Sauerstoffvorräte gestohlen hatten. In zumindest einem Fall überlebte ein westlicher Bergsteiger den Abstieg nur, weil sein Führer ihm seine eigene Flasche mit den letzten Resten Luft überließ.

„Der Diebstahl kann fatale Folgen haben“, warnte der britische Bergführer Tim Mosedale, der mit einem Preis von rund 45 000 US-Dollar zu den teuersten Unternehmern am Everest zählt, „viele unserer Kunden sind so erschöpft vom Aufstieg, dass sie ohne diese Vorräte dem Untergang geweiht sind“. Laut einigen Bergsteigerberichten soll mittlerweile ein schwunghafter Handel mit Sauerstoff im Basislager am Mount Everest existieren, weil verschwundene Vorräte dringend aufgefüllt werden müssen. Angesichts einer Vielzahl von Firmen, die mit einem Ausflug in die Todeszone des Berggiganten Geschäfte machen, sind Experten wenig erstaunt. In Indien ist ein Trip auf den Mount Everest für ganze 18 000 Dollar zu haben. Westliche Firmen verlangen mit 40 000 bis 45 000 Dollar mittlerweile knapp die Hälfte des Preises, der vor Jahren üblich war. „Manche Expeditionsunternehmen sind völlig unzureichend ausgerüstet“, bemängelt ein Sherpa in Kathmandu.

In diesem Jahr wurde der Sauerstoffalarm von dem Briten Mosedale ausgelöst, der schon zuvor mit einer Schreckensbotschaft helle Aufregung ausgelöst hatte. „Der Hillary Step ist verschwunden“, behauptete der Brite nach der Rückkehr ins Basislager. Benannt nach dem Australier Edmund Hillary, der im Mai 1953 mithilfe seines Sherpa Tenzing Norgay den Everest erstmals bezwang, stellte die 450 Millionen Jahre alte, mit versteinerten Stängeln von Seerosen übersäte Felsformation das letzte große Hindernis vor dem Gipfel dar. In 8770 Metern Höhe gelegen, gab es in dem Gesteinsbruch oft lange Warteschlangen, bevor schließlich getrennte Wege für Auf- und Abstieg mit Seilen gesichert wurden. Laut Mosedale führt der Weg jetzt durch einen Pfad im ewigen Schnee des Gipfels. Aber nicht nur andere Bergsteiger verweisen die Behauptung des Briten ins Reich der Fantasie. Die Behörden Nepals behaupten ebenfalls steif und fest: „Der Hillary Step ist immer noch dort, wo er immer war.“

Ein 43-jähriger Bergsteiger landet im Gefängnis

Mit Nepals Behörden am Mount Everest ist derzeit nicht zu spaßen, wie auch der in den USA lebende Südafrikaner Ryan Sean Davy erfuhr. Der 43-Jährige wurde in einer Höhle in fast 6000 Metern Höhe am Mount Everest entdeckt. Bergsteigen hatte er sich per Youtube beigebracht und dann beschlossen, seine Kenntnisse mit wenig Ausrüstung für einen Vorstoß auf eigene Faust bis in die Todeszone zu nutzen. Stattdessen landete er in Kathmandu in einer Gefängniszelle, weil Davy nach seiner Entdeckung ausfallend geworden war. Jetzt darf er zehn Jahre lang nicht mehr in Nepal bergsteigen. Der Pole Janusz Adam Adamski, mit 49 Jahren gewiss kein dummer Junge mehr, wanderte gar am Everest entlang von Nepal auf die chinesische Seite, um einer saftigen Geldstrafe zu entgehen und verkündete in einer Tageszeitung: „Berge kennen keine Grenzen.“

Das möchten gegenwärtig auch Indiens Regierung und die Familie des 27-jährigen, vor einer Woche tödlich verunglückten Inders Ravi Kumar glauben. Von seinem Sherpa zurückgelassen, stürzte er in 8400 Metern Höhe nach der Rückkehr vom Everest-Gipfel in eine 200 Meter tiefe Spalte. Nun beharren Indien und die Familie gegen alle Ratschläge darauf, dass der Tote geborgen wird. Die Leiche dürfte dank Eis mittlerweile 130 Kilo schwer sein. „Ein Bergungsversuch ist nicht nur riskant, sondern gefährlich“, kritisierte Ang Tshering Sherpa, Vorsitzender der Nepal Mountaineering Association, die Aktion, „die Überlebenschance der Helfer liegt bei 50 Prozent.“ Aber Indien ist ein wichtiger Geldgeber Nepals. „Wir würden unsere Schwäche zeigen“, erklärt Chowang Sherpa vom Unternehmen Arun Treks seine Bereitschaft, einen Bergungsversuch zu unternehmen, „es ist zu gefährlich. Aber wir werden es unter Beachtung aller Sicherheitsvorkehrungen wenigstens einmal versuchen.“ In der Vergangenheit wurden die meisten Toten auf dem Everest zurückgelassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort