Rauschgiftkriminalität in Spanien Der Kampf gegen die Drogen in La Línea

La LÍnea · Es ist ein häufig ungleicher Kampf. Spaniens Polizei versucht, die Drogenmafia in La Línea in den Griff zu bekommen. Doch die Verbrecher sind hochgerüstet und skrupellos.

 Ein Fahndungserfolg: Die Polizei hat im Hafen La Atunara Pakete mit Haschisch sichergestellt.

Ein Fahndungserfolg: Die Polizei hat im Hafen La Atunara Pakete mit Haschisch sichergestellt.

Foto: Ralph Schulze

Am helllichten Tag legen die Drogenschmuggler mit ihrem Motorboot am Strand La Atunara an. Drei Geländewagen rasen heran. Neun Männer springen heraus, laden in Windeseile braune Rauschgiftpakete vom Boot in ihre Fahrzeuge. Keine zwei Minuten brauchen sie. Als die Polizei anrückt, sind die Schmuggler mitsamt Boot und Jeeps schon wieder verschwunden. Woche für Woche geht dies im südspanischen Küstenort La Línea de la Concepción so. Die Stadt mit 63 000 Einwohnern ist wegen ihrer Nähe zu Marokko, dem größten Cannabisproduzenten der Welt, zu Europas wichtigstem Drogenhafen geworden.

Nirgendwo auf dem Kontinent kommt mehr Haschisch an, das in Marokko aus der Hanfpflanze gewonnen wird. Auch immer mehr Kokain taucht hier auf, das aus Südamerika stammt und über Nordafrika nach Spanien und dann weiter Richtung Nordeuropa geschmuggelt wird. Nach der jüngsten verfügbaren Statistik des spanischen Innenministeriums wurden in La Línea und näherer Umgebung im Jahr 2016 knapp 150 Tonnen Haschisch und zwölf Tonnen Kokain beschlagnahmt. Ein Bruchteil dessen, was wirklich übers Mittelmeer kommt. Die meisten Schmuggeltransporte werden nicht erwischt.

„La Línea ist eine Stadt ohne Gesetz“, klagt Spaniens größte Polizeigewerkschaft SUP. Die Sicherheitskräfte seien nicht mehr Herr der Lage. Die Drogenmafia könne tun, was sie wolle. Als es der Polizei kürzlich gelungen war, einen Drogenhändler festzunehmen, erschienen wenige Stunden später rund 20 Kumpanen und befreiten ihn. Eine filmreife Szene, die sich im städtischen Krankenhaus abspielte, wo der Dealer, bewacht von zwei Polizisten, behandelt worden war. Wenig später brachen die Schmuggler nachts in das Depot ein, wo die Polizei beschlagnahmte Drogenfahrzeuge aufbewahrt, und holten sich eines ihrer wichtigsten Arbeitswerkzeuge zurück: ein hochmotorisiertes, zwölf Meter langes Schnellboot für den Drogenschmuggel zwischen Marokko und La Línea.

Radarstationen, Abhörantennen und Informanten

Die PS-starken Boote können bis zu 120 Stundenkilometer erreichen. Zu schnell für die Patrouillenboote der Küstenwache, die locker abgehängt werden. Nur per Hubschrauber können die Fahnder mithalten. Doch sie haben nicht genug Helikopter, um die gesamte Meerenge von Gibraltar, in der nur wenige Kilometer Wasser Nordafrika von Südeuropa trennen, lückenlos zu überwachen.

Die Schmuggler verfügen über Radarstationen, Funkabhörantennen und ein Netz von Informanten an Land. So wissen sie genau, wann die Luft für ihre Transporte rein ist. „Sie sind uns Lichtjahre voraus“, klagte Anti-Drogen-Staatsanwältin Macarena Arroyo in der Tageszeitung „El País“.

Wenn die Polizei in La Líneas altem Fischerviertel La Atunara zur Razzia aufmarschiert, wird sie oft genug mit Steinwürfen empfangen. Auf den Straßen und auf der Uferpromenade patrouillieren die Späher der Drogenbarone. Sobald die Polizisten auftauchen, wird per Handy Alarm gegeben.

„Der Feind ist einfach zu groß“, sagt Juan Franco, Bürgermeister der Stadt. „Das ist wie mit einer Schlange, die sieben Köpfe hat: Wenn du einen Kopf abschlägst, wachsen immer neue nach.“ Franco spricht auch über die Arbeitslosigkeit, die hier mit etwa 30 Prozent so hoch ist wie sonst nirgendwo in Spanien. Davon profitiert die Mafia, die in La Línea viel Arbeit zu vergeben hat: Rund 30 Banden operieren in der Region, berichten Ermittler. Banden, die jeweils bis zu 100 Mitglieder haben.

Bislang hat die Mehrheit der Bürger von La Línea dem Treiben der Drogenmafia eher unbeteiligt zugeschaut. Weil sie sich an die Schmuggelgeschäfte gewöhnt oder weil sie Angst haben. Doch langsam scheint die Sorge größer zu werden als die Angst. Die Menschen gehen gegen die Drogenkriminalität in ihrer Stadt auf die Straße. Auf Demonstrationen rufen sie: „Wir wollen mehr Sicherheit.“ Und: „Wir fühlen uns verlassen.“

Bürgermeister Franco unterstützt diese öffentlichen Hilferufe an die spanische Regierung. Doch er glaubt, dass es nicht allein mit mehr Polizei getan ist: „Wir brauchen auch soziale Maßnahmen in Form von Arbeit und Bildung.“

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