Auf offener Straße von Mann geschlagen 22-jährige Französin löst mit Video Gewaltdebatte aus

Paris · Nach einer körperlichen Attacke durch einen Mann hat die Französin Marie Laguerre ein Video von der Tat ins Netz gestellt. Nun entsteht in Frankreich eine neue Debatte rund um Gewalt gegen Frauen.

Frankreich debattiert neu über das Problem der Gewalt gegen Frauen, seit eine Studentin ein Video von einer Szene veröffentlicht hat, in der ein Unbekannter sie auf der Straße schlägt. Ein neues Gesetz ahndet künftig bereits sexistische Kommentare und Pfiffe.

Vor wenigen Tagen noch war Marie Laguerre eine der Öffentlichkeit unbekannte Architekturstudentin aus Paris. Doch nachdem ein Unbekannter sie auf offener Straße geohrfeigte hatte und sie eine Videoaufnahme des Vorfalls im Internet veröffentlichte, ist die 22-Jährige die Frau, die in Frankreich die Diskussion um Gewalt gegen Frauen neu angestoßen hat. Diese lief im Land der Feministin Simone de Beauvoir auch bereits während der #Metoo-Debatte seit vergangenem Herbst, in deren Folge Zigtausende Französinnen in den sozialen Netzwerken auch unter dem französischen Stichwort #balancetonporc, übersetzt „Denunziere dein Schwein“, von schockierenden Übergriffen berichteten. Nun zeigt das Erlebnis von Marie Laguerre, dass weiterhin viel im Argen liegt.

Rund zwei Millionen Mal wurde das Video inzwischen geklickt und tausendfach geteilt. Zu sehen ist darauf, wie ein Mann Laguerre brutal angeht. Zuvor habe er obszöne Geräusche und deplatzierte Kommentare von sich gegeben, erzählte sie später gegenüber französischen Medien. „Halt‘s Maul!“, habe sie zurückgegeben. „Dann ging alles sehr schnell, er kam auf mich zu und ich wusste, dass er mich schlagen würde“, sagte sie. Zuvor warf er noch einen Aschenbecher nach ihr und verfehlte ihren Kopf nur um ein paar Zentimeter. „Ich hatte nicht viele Optionen: Es war klar, dass ich nicht weglaufen, mich nicht entschuldigen, nicht die Augen senken würde.“

Videoaufnahme von Cafébesitzer eingefordert

Schockiert sprangen Gäste des Cafés daneben auf und näherten sich dem Mann, doch der Typ sei „wirklich gefährlich“ gewesen, berichtete Marie Laguerre. Sie sei zunächst nach Hause gegangen, um sich zu beruhigen. Dann sei sie zurückgegangen und habe den Cafébesitzer um die Videoaufnahme der Überwachungskamera gebeten, die sie daraufhin auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte. „Er ist nicht der Einzige. Belästigungen gehören zum Alltag“, schrieb sie. „Diese Männer, die glauben, dass auf der Straße alles erlaubt ist, die sich erlauben, uns zu erniedrigen und die es nicht ertragen, dass man sich darüber empört – das ist untragbar.“ Sie habe Klage eingereicht, inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft. Frauen könnten sich draußen nicht in Sicherheit fühlen, so Laguerre. Deshalb habe sie entschieden, nicht still zu bleiben, sondern die Gewalttat öffentlich zu machen. Die Solidaritätsbekundungen, so Laguerre, hätten sie überwältigt.

Die Staatssekretärin für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Marlène Schiappa, hat die 22-Jährige für ihren Mut gelobt. „Es geht um die Freiheit der Frauen, sich im öffentlichen Raum zu bewegen“, sagte Schiappa. Gerade wurde das bestehende Gesetz, das eine Gewalttat wie jene gegen Laguerre bereits sanktioniere, verschärft, ab Herbst dürften die ersten Strafen fällig werden: „Wir senken die Toleranzgrenze.“

Künftig könnten bereits sexistische Kommentare oder Pfiffe mit einer Geldstrafe von 90 bis 750 Euro geahndet werden, bei besonders gravierenden Fällen – Wiederholungstätern, Minderjährigkeit des Opfers oder gemeinschaftlicher Belästigung – sogar mit bis zu 3000 Euro. „Es kann nicht einen Polizisten für jede Frau geben“, so Schiappa. „Es geht darum, ein soziales Verbot festzulegen und es pädagogisch zu begleiten.“

Einer Studie des Forschungsinstitutes Ined zufolge wurden fast alle Französinnen bereits Opfer von verbalen oder tätlichen Belästigungen in der Öffentlichkeit – und ein Viertel der Frauen in Frankreich Opfer sexueller Gewalt.

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