Max Raabe: „Das ist mein Ding“

Der Sänger (48) geht zunächst mit einem neuen Solo-Album auf Tournee, im Sommer kommt er in Begleitung seines bewährten Palast Orchesters auf den Bonner Museumsplatz

  Max Raabe

Max Raabe

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Mit seinem Palast Orchester interpretiert Max Raabe seit mehr als 20 Jahren erfolgreich die Lieder aus der Zeit der Weimarer Republik. Doch nun hat der Wahlberliner, der unter anderem schon in der New Yorker Carnegie Hall, in Shanghai und auf der Hochzeit von Marilyn Manson sang, ein Soloalbum aufgenommen. Es heißt „Übers Meer“ und zeigt den 48-Jährigen von einer stillen, intimen und romantischen Seite. Steffen Rüth sprach mit Max Raabe im Berliner Admiralspalast.

General-Anzeiger: Herr Raabe, wie kommt es, dass Sie jetzt ein Soloalbum machen?

Max Raabe: Ich hatte einfach den Wunsch dazu, eine feinere Platte aufzunehmen. Das Palast Orchester bleibt allerdings meine Hauptbeschäftigung.

GA: „Übers Meer“ klingt ruhiger, balladesker als ihre Musik mit dem Palast Orchester. Was war das Konzept?

Raabe: Das Wort, also meine Stimme, steht mehr im Vordergrund. Begleitet werde ich lediglich von meinem langjährigen Pianisten Christoph Israel, der wie ich aus Lünen stammt. Bei dieser Platte haben wir uns ernsthafte und getragene Stücke vorgenommen– nur unterbrochen von ein oder zwei lustigen Titeln. Unterm Strich aber ist diese Platte sarkasmusfrei, während wir mit dem Palast Orchester immer viel schwarzen Humor pflegen.

GA: Was haben Sie als Westfale, der in Berlin lebt, mit dem Meer zu schaffen?

Konzerttipps Max Raabe & Christoph Israel, Düsseldorf, Schauspielhaus, Di 20. April (20h); Eintritt 29,90 bis 57, 50 Euro
Max Raabe & Palast Orchester, Bonn, Museumsplatz, Sa 21. August (19h); Eintritt 46,20 bis 60,20 EuroRaabe: Meine Eltern haben meinen ältere Bruder und mich immer nach Sylt geschickt. Ich habe dort jedes Jahr meine Ferien mit anderen Kindern verbracht und fand es immer großartig. Die Geschichte hinter dem Titel ist jedoch eine andere.

GA: Nämlich?

Raabe: „Übers Meer“ deshalb, weil ab 1933 nicht mehr nur Musikstücke von Europa nach Amerika gereist sind, sondern auch Textdichter und Komponisten übers Meer gehen mussten, da sie in Deutschland nicht mehr arbeiten konnten. Die Lieder haben Schwermut, Sehnsucht und Melancholie, ohne dass deren spätere Bedeutung beim Komponieren vorgeahnt werden konnte. Als diese Stücke so um 1930 geschrieben wurden, da haben die Autoren, die allesamt Juden waren, noch geglaubt, sie könnten weiter in Deutschland arbeiten.

GA: Das Grundthema ist die Liebe in all ihren Schattierungen. Haben Sie etwas über die Liebe gelernt bei der Arbeit an diesem Album?

Raabe: Mein Herr, bei der Liebe lernt man nie aus. Da sind immer wieder verblüffende Wendungen festzustellen.

GA: Man weiß wenig über ihr Privatleben. Lassen Sie das absichtlich außen vor?

Raabe: Es macht mir mehr Spaß, über das zu sprechen, was ich tue. Und nicht darüber, was ich am liebsten esse oder mit wem ich zusammen wohne. Ich halte nichts zurück, aber mir ist es unangenehm, viel über mich zu sprechen.

GA: Versuchen wir es trotzdem. Haben Sie als Kind schon gesungen?

Raabe: Ja.

GA: Fanden Ihre Eltern das gut?

Raabe: Sie haben mich gerne singen gehört, aber sie waren nicht begeistert, als ich die Musik zum Beruf gewählt habe. Bei uns in der Familie hatte es vor mir noch nie Künstler gegeben.

GA: Was machen Sie nach einer Tournee?

Raabe: Dann sitze ich auf dem Sofa und freue mich, dass ich wieder zu Hause bin. Ich schlafe aus und fange danach an, mich zu rühren, melde mich bei Freunden. Ich lade zum Essen ein - oder lade mich zum Essen ein.

GA: Sie haben bei der - längst wieder geschiedenen - Hochzeit von Marilyn Manson und Dita von Teese gesungen. Haben Sie noch Kontakt zu Manson?

Raabe: Wir haben uns einige Male getroffen, aber das ist keine Freundschaft. Eher ein gegenseitiger Respekt.

GA: Der Schockrocker und der Feingeist - sind das nicht zwei verschiedene Welten?

Raabe: Absolut.

GA: Habt ihr vielleicht mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick denkt?

Raabe: Er ist sehr zurückhaltend, scheu und klug. Während der Hochzeit hat er seine Gäste immer mit so einem Schmunzeln beobachtet, das hat mir gefallen. Auf der Bühne hat er, genau wie ich, eine klar definierte Figur geschaffen, die eine klar umrissene Rolle spielt.

GA: Welche Rolle spielt denn Max Raabe auf der Bühne?

Raabe: Ich bin auf der Bühne wesentlich sorgsamer und genauer als sonst. Ich überlege mir vor einem Auftritt exakt, was ich sage und mache. Meine ganze Bühnenhaltung ist sehr minimalistisch. Es entspricht auch meinem Charakter, wenn ich manchmal vorne stehe und singe, aber dann auch wieder zur Seite trete und dem Orchester den Vortritt lasse. Das heißt: Ich muss auch privat nicht permanent das Wort führen. Das Ego ist ganz gut ausbalanciert.

GA: Freuen Sie sich, wenn die Touristen auf der Straße rufen: „Da vorne läuft Max Raabe“?

Raabe: In Berlin gibt es eine solche Dichte an bunten Vögeln, dass man nicht belästigt wird. Wenn ich möchte, dass die Leute in meine Konzerte kommen, dann muss ich damit zurechtkommen, dass man mich erkennt.

GA: Könnten Sie sich auch woanders wohlfühlen als in Berlin?

Raabe: Ich bin wirklich glücklich, hier seit einem Vierteljahrhundert zu leben. Die Stadt hat alles, was man braucht. Und dazu kommt ein wunderbares, dünn besiedeltes Umland. Da mache ich dann Sachen im Wasser oder ich reite.

GA: Sie reiten?

Raabe: Natürlich. Jeder Westfale kann reiten.

GA: Ihr Erfolg hält sich seit Jahren auf einem beständig hohen Niveau. Woran liegt das?

Raabe: Ich habe eine wirkliche Liebe zu diesen Stücken aus der Weimarer Zeit. Und ich fing damit an, als sich noch niemand vorstellen konnte, dass man damit Erfolg haben könnte. Ich auch nicht. Der Erfolg hat sich dann später eingesellt. Ich finde es toll, dass ich ohne Kalkül und nur mit meiner Liebe zu der Musik so ein Publikum gefunden habe.

GA: Ist Max Raabe mit Frack, gegeltem Haar und dem rollenden „R“ inzwischen eine Marke?

Raabe: Es hat sich dahin entwickelt. Ich habe mich nie verbogen oder danach geschielt, besonders erfolgreich zu sein. So wie ich mich auf der Bühne gebe, das ist mein Ding und mein Geschmack. Privat laufe ich nicht im Frack herum, sondern eher so wie jetzt mit Stoffhose, Pullover und Sakko. Aber für die Bühne ist ein Frack einfach genau das Richtige.

GA: Kann man gutes Benehmen von Max Raabe lernen?

Raabe: Die Grundlagen, ja. Ich würde zum Beispiel nicht als Tourist mit kurzen Hosen und Sandalen in ein Restaurant gehen.

GA: Gibt es den typischen Max-Raabe-Konzertbesucher?

Raabe: Typisch ist: querbeet. Manchmal sitzen fünf- oder sechsjährige Kinder ganz aufrecht in ihrem Sessel und hören zu. Ansonsten geht das durch die gesamte Altersstruktur - bis hin zu den Zuhörern aus der Entstehungszeit unseres Repertoires.

GA: Wirklich?

Raabe: Ja. Vor einem Freiluftkonzert rief letzten Sommer jemand an und fragte „Kann ich meinen eigenen Stuhl mitbringen? Ich bin nämlich jetzt 100.“

Max RaabeGeboren am 12. Dezember 1962 als Sohn einer Bauernfamilie in Lünen bei Unna (Westfalen)

Besucht ein katholisches Internat. Singt bereits in der Kantorei seiner Schule und im Kirchenchor

Eine alte Schellack-Platte im Plattenschrank der Eltern weckt sein Interesse an der Musik der Weimarer Republik

Geht mit 18 nach Berlin, studiert Gesang an der Hochschule der Künste. Abschluss 1995 als Opernsänger. Fach: Bariton

1986 gründet er mit gleichgesinnten Musikern das Palastorchester. Das Ensemble spezialisiert sich auf deutsche Lieder im Stil der 20er und 30er Jahre

Mit „Kein Schwein ruft mich an“ gelingt ihm 1992 der Durchbruch

Das Ensemble covert gelegentlich auch die Hits von Kollegen, u.a. „Sex Bomb“ von Tom Jones und „Supreme“ von Robbie Williams

Unternimmt zahlreiche Tourneen, u. a. in China, Japan und USA. 2005 Auftritt in New York (Carnegie Hall). Im gleichen Jahr spielt er bei der Hochzeit des Rockmusikers Marilyn Manson

Raabe arbeitet regelmäßig mit seinem Jugendfreund Christoph Israel (Piano) zusammen. Mit ihm hat er auch sein erstes Soloalbum „Übers Meer“ eingespielt, das Mitte Januar veröffentlicht wurde

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