Buchtipp Wie Andy Warhol den Maler Jean Michel Basquiat traf

Bonn · Der König der Pop Art Andy Warhol trifft den jungen Maler Jean Michel Basquiat: Der Taschen Verlag veröffentlicht eine einzigartige Fotostrecke.

Der eine war ein Multikünstler und Weltstar in mittleren Jahren, der weit mehr als die selbst propagierte Viertelstunde Ruhm, die jedem Menschen gegönnt sei, auf sich vereinigt hatte. Der andere war ein aufstrebender, junger Maler, ein Riesentalent, ein hübscher Junge allemal. Man ahnt es, aber weiß es eigentlich nicht, was Andy Warhol an Jean Michel Basquiat fand. 1982 bis 1987 dauerte diese intensive Verbindung, die offenbar mehr als eine höchst kreative künstlerische Kollaboration war.

Auf unserem Bild blickt Warhol ziemlich intensiv auf den jugendlichen Basquiat, der eher posiert, als ernsthaft zu trainieren scheint. Dabei lächelt er in die Kamera. Die beiden haben sich mit der Trainerin Lidija Cenjic in Warhols Studio am Broadway 860 getroffen. Es ist Montag, der 15. August 1983. An diesem Tag und in den nächsten Tagen entstehen Fotos von Andy, Jean Michel und Lidija. Warhol kommentiert sie, denkt über sich nach, stellt sich missmutig vor, wie Basquiat mit seiner Geliebten Paige Powell schläft. Am Montag drauf fotografiert Warhol Basquiat in einem knappen Suspensorium.

Nahezu jeden Tag entsteht ein Foto von Basquiat oder Warhol oder beiden. Man trifft die New Yorker Szene beim Essen oder in der Vernissage – Grace Jones und Keith Haring, Fela Kuti, Francesco Clemente, Madonna, David Hockney, Robert Mapplethorpe, Alex Katz, Julian Schnabel, Jerry Hall und Dolly Parton. Eine bunte Truppe.

Wie ein Besessener hat Warhol zeitlebens fotografiert. Um die Beziehung zwischen ihm und Basquiat zu dokumentieren, griff Michael Dayton Hermann jetzt auf verschiedene Quellen zurück: Einmal die „Andy Warhol Diaries“, die Tagebücher, die Warhol in seinem letzten Lebensjahrzehnt Pat Hackett diktierte; ferner die „Time Capsules“ (Zeitkapseln), in denen er Fotos, Zeichnungen und Dokumente versammelte (610 solcher Kapseln gibt es insgesamt); schließlich das gesamte Fotoarchiv Warhols, das 130 000 Negative und 3600 Kontaktbögen umfasst.

Bizarres Ende einer Freundschaft

Warhol und Basquiat wurden am 4. Oktober 1982 einander vorgestellt: Der eher blasse Warhol ist 54, der kraftstrotzende Basquiat 21 – ein Foto dokumentiert diesen Moment. Dayton Hermann, selbst Künstler und Lizenzmanager bei der Warhol Foundation, zeichnet nun mit großteils unveröffentlichtem Bildmaterial Zusammenkünfte der beiden Künstler nach. Wobei die Bewertung der durchaus fruchtbaren künstlerischen Kooperation gegenüber dem Society-Glamour eindeutig zu kurz kommt. Immerhin einige Bilder und das Foto einer Ausstellungskritik über die Gemeinschaftsbilder der beiden in der New York Times (1985) sind dabei. Wie die Beziehung wirklich beschaffen war, verraten die Bilder nicht. Dass Warhol in den jungen Maler verliebt war, lässt sich aber kaum verhehlen, auch nicht die tiefe Bewunderung und Zuneigung, die Basquiat offenbar für den König der Pop Art hegte.

Die 400 Bilder umfassende Fotostrecke, die ein einzigartiges Panorama der New Yorker Kunstszene der 1980er bietet, endet bizarr, gespenstisch: Mit Bildern einer Halloween-Party am 31. Oktober 1986, auf denen Basquiat mit einer Maske aus Aluminiumfolie zu sehen ist, einer Notiz von Warhol vom Januar 1987 von einem Telefonat mit Basquiat um drei Uhr früh und einer Zeichnung Basquiats, „Andy Sleeping“, um 1984-85. Dazu die Notiz über Warhols unerwarteten Tod im Februar 1987.

Basquiat überlebte sein Idol nur knapp: Am 12. August 1988 stirbt er an einer Überdosis Heroin. Basquiat wird 27.

Info:Warhol on Basquiat. The Iconic Relationship Told in Andy Warhol's Words & Pictures. Taschen Verlag, 312 S., 50 Euro

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