Wer ist sie? Und warum lächelt sie? Vor 500 Jahren wurde die Mona Lisa erstmals erwähnt

Erst kurz vor seinem Tod trennte sich Leonardo da Vinci von ihr. Die Dame wird uns wohl immer ein Rätsel bleiben: die Mona Lisa. Ein Rückblick auf 500 Jahre.

 Hinter Panzerglas: Leonardo da Vincis exakt 77 mal 53 Zentimeter großes Gemälde der Mona Lisa hängt im Pariser Louvre.

Hinter Panzerglas: Leonardo da Vincis exakt 77 mal 53 Zentimeter großes Gemälde der Mona Lisa hängt im Pariser Louvre.

Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Diese Frau hat viel mitmachen müssen: Sie wurde entführt, mit einem Stein beworfen, mit Säure attackiert. Sie hat das alles überstanden und gibt der Welt weiterhin Rätsel auf: Wer ist sie? Was bedeutet ihr geheimnisvolles Lächeln? Vermutlich werden die Fragen um sie nie endgültig gelöst werden, aber eines gilt als sicher: Leonardo da Vincis Gemälde der Mona Lisa gilt, wie es der Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt gesagt hat, als "Bildnis aller Bildnisse" mit einer "völlig traumhaften Wirkung".

Jedes Jahr haben die acht Millionen Menschen, die den Pariser Louvre besuchen, vor allem ein Ziel: das 77 mal 53 Zentimeter große Stück Pappelholz, das Leonardo in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts bemalte.

Seitdem sind Hymnen und Analysen ohne Zahl über die Mona Lisa geschrieben worden; die erste erhaltene und überlieferte Notiz über die Existenz des Gemäldes ist 500 Jahre alt. Kardinal Luigi von Aragon, der sich immer mal wieder Hoffnungen machte, zum Papst gewählt zu werden, reist im Jahr 1517 durch Europa, er besucht Deutschland, die Niederlande, Oberitalien und Frankreich. Am 10. Oktober ist die Reisegruppe in Amboise an der Loire zu Gast. Dort wohnt und arbeitet im Herrenhaus Clos Lucé, nur wenige hundert Meter vom Schloss entfernt, der berühmte Leonardo da Vinci. Der junge Franz I., König von Frankreich, hat den alten Meister an seinen Hof geholt.

Napoleon nahm sie mit in sein Schlafzimmer

Ein gewisser Antonio de Beatis, Sekretär des Kardinals, führt ein Reisetagebuch. Für den 10. Oktober 1517 notiert er: "In einem der Dörfer besuchte der Herr mit uns den Meister Leonardo Vinci aus Florenz ..., einen der ausgezeichnetsten Maler unserer Zeit, der seiner Hochwohlgeboren drei Gemälde zeigte, eines von einer gewissen florentinischen Dame, nach der Natur gemalt auf Anregung des verstorbenen Magnifico Giuliano de' Medici; das andere zeigt einen jungen Johannes den Täufer, und noch eines, eine Madonna und ihr Kind, die beide auf dem Schoß der heiligen Anna sitzen: alle sind vollkommen."

So betritt sie die Welt, die florentinische Dame Mona Lisa. Leonardo verkauft das Gemälde, das er immer mit sich führte, kurz vor seinem Tod an den französischen König. Von Amboise wandert es nach Fontainebleau, Paris und Versailles; nach der französischen Revolution wird es im Louvre gezeigt. Napoleon nahm die Frau mit dem schwer durchschaubaren Lächeln für einige Jahre mit in sein Schlafzimmer.

Ob Kunstverstand oder Herrschergestus dabei eine Rolle spielten, ist nicht überliefert. Von der Einzigartigkeit des Gemäldes hatte Giorgio Vasari, der erste Biograf Leonardos, schon 1550 geschwärmt: "Auf diesem Angesicht aber spielte ein so liebliches Lächeln, dass es eher himmlischer als irdischer Natur zu sein schien, und das Bildnis wurde wegen seiner Lebenswahrheit als etwas ganz Wunderbares gepriesen."

Heute ist sich die Mehrheit der Kunsthistoriker einigermaßen sicher, dass die Frau eines florentinischen Kaufmanns das Modell für da Vincis Mona Lisa war, und folgt damit den Angaben des Biografen Vasari. Lisa del Giocondo soll es gewesen sein, dritte Frau des Seidenhändlers Francesco di Bartolomeo di Zanobi del Giocondo. Im Italienischen heißt das Bild folgerichtig "La Gioconda", im Französischen "La Joconde". Während Lisa Modell saß, tummelten sich, so erzählt es Vasari, Sänger, Musikanten und Spaßmacher im Raum, um ihr ein Lächeln zu entlocken.

War ein Schüler Leonardos das Modell?

Die Liste möglicher anderer Modelle ist lang und enthält mehr oder minder kühne Thesen. Sie reicht von Pacifica Brandani, der Geliebten des Giuliano de' Medici, bis zu Caterina Sforza, der illegitimen Tochter des Mailänder Herzogs Galeazzo Maria Sforza. Ganz andere Spuren verfolgen jene, die sich auf eine mutmaßliche Homosexualität Leonardo da Vincis berufen. Tatsächlich war Leonardo in Florenz in einen Prozess wegen Sodomie verwickelt. "Jünglinge", so schrieb der französische Autor George Isarlo, "waren seine bevorzugten Modelle, engelhafte Wesen".

Einer von Leonardos Schülern war Gian Giacomo de Caprotti, den man Salai nannte, ein gut aussehender junger Mann mit Lockenhaar, der im Testament des Meisters ordentlich bedacht wurde. Könnte er nicht das Modell gewesen sein für eine Mona Lisa, an der man durchaus androgyne Züge ausmachen kann? Und ist vielleicht Mona Lisa lediglich ein Anagramm für "mon Salai"?

Auch Bestseller-Autor Dan Brown hat in seinem Roman "Sakrileg" - der Originaltitel lautet "The Da Vinci Code" - einiges übrig für eine steile Buchstabenspiel-These. Sein Symbologie-Professor Robert Langdon sinniert darüber, ob es sich bei der Mona Lisa um ein Selbstporträt da Vincis handeln könne, und landet in der ägyptischen Mythologie:

Amon ist dort der Gott der Fruchtbarkeit und Isis, in der altägyptischen Bilderschrift L'Isa, die Göttin der Geburt. Daraus kann schnell eine Mona Lisa werden. "Nicht nur, dass das Gesicht der Mona Lisa androgyne Züge trägt", führt der Professor aus, "auch ihr Name ist ein Anagramm auf die göttliche Vereinigung des Männlichen mit dem Weiblichen. Und das, meine Freunde, ist da Vincis kleines Geheimnis und zugleich der Grund für das wissende Lächeln der Mona Lisa."

Entscheidend ist die "Sfumato"-Methode

Dieses Lächeln oder diese Andeutung eines Lächelns beschäftigt die Betrachter der Mona Lisa seit Jahrhunderten. Es liegt etwas Unbestimmtes in diesem Bild. Die Landschaft im Hintergrund erscheint unwirklich, der Gesichtsausdruck bleibt geheimnisvoll. Wohin man auch geht, aus welchem Winkel auch immer man das Bildnis anschaut - die Augen der Mona Lisa scheinen dem Betrachter unentwegt zu folgen.

Natürlich hat die unwirkliche Szenerie etwas mit der Maltechnik Leonardos zu tun. Er arbeitet mit einer Methode, die man "Sfumato" nennt. Der Maler legt mehrere dünne Farbschichten übereinander, die einzelnen Bildkomponenten scheinen ineinander zu fließen. Das Lächeln entsteht aus einem verwirrenden Zusammenspiel von Licht und Schatten.

"Die Gestaltwerdung der ganzen Liebeserfahrung dieser Welt" will der englische Essayist Walter Pater in der lächelnden Mona Lisa gesehen haben. George Sand, die Chopin-Freundin, befand: "Mit ihrer lächelnden Sanftmut ist sie ebenso schrecklich wie die Medusa." Auch der französische Schriftsteller Théophile Gautier geriet ins Schwärmen: "Ihr Ausdruck zieht euch unwiderstehlich an und vergiftet euch, während der sinnliche schlangenhafte Mund euch mit so viel Süße, Anmut und Überlegenheit verspottet, dass man sich ganz schüchtern fühlt."

Wer's weniger poetisch mag, kann sich der Medizin zuwenden. Mona Lisa ist die wahrscheinlich bestuntersuchte Frau der Renaissance. Manche Ärzte haben post mortem erstaunliche Diagnosen gestellt. Mal war Mona Lisa schwanger,

mal hatte sie eine Lähmung der Gesichtsmuskulatur. "Wenn man das Gesicht dieser schönen jungen Frau anschaut", versicherte der Medizin-Professor Jan Dequeker von der Universität Löwen, "kann man einen gelben Fleck in ihrem linken Augenwinkel erkennen. Das ist eine Anhäufung von Cholesterin unter der Haut." Schlechte Aussichten also für die Dame aus Florenz: Ihr Blut enthält zu viel Fett.

1911: Ein Anstreicher stiehlt das Gemälde

In der langen Mona-Lisa-Geschichte musste die Welt einige Zeit auf den Anblick der Schönen verzichten. Der italienische Anstreicher Vincenzo Peruggia ließ sich im Louvre einsperren und marschierte am 21. August 1911 mit der Gioconda unter seiner Arbeitskleidung aus dem Museum. Mehr als zwei Jahre verbrachte er allein mit dem Meisterwerk, bis er es in Florenz einem Kunsthändler anbot.

Der Anstreicher wurde in eine Falle gelockt; vor Gericht gab er sich als Nationalist, der der italienischen Nation die Mona Lisa wiederschenken wollte. Daraus wurde nichts. Nach Präsentationen in Florenz, Rom und Mailand landete das Bild wieder in Paris. In Italien hat man den Verlust nie ganz verwunden. Als die italienischen Fußballer 2006 im Endspiel gegen Frankreich die Weltmeisterschaft gewinnen, sind bei den Siegesfeierlichkeiten in Rom Plakate zu sehen, auf denen eine deutliche Forderung steht: "Jetzt wollen wir die Mona Lisa zurück."

In Paris hat man nach dem Diebstahl wenig Lust, das Gemälde jemals noch auf eine Reise zu schicken. Dem Charme von Jacqueline Kennedy freilich kann sich auch Staatspräsident Charles de Gaulle nicht entziehen. In einem unsinkbaren Klimacontainer tritt Mona Lisa, begleitet von vier Leibwächtern, im Dezember 1962 in einer Luxuskabine der SS France die Atlantiküberfahrt an, im Hafen von New York rollt man ihr den roten Teppich aus.

Vier bis fünf Sekunden Betrachtungszeit

In der National Gallery von Washington und im Metropolitan Museum of Art in New York stehen die Menschen Schlange für einen Blick auf die Florentinerin, die längst zum Pop-Star geworden ist. Später wird ausgerechnet, dass jeder Besucher etwa vier bis fünf Sekunden Betrachtungszeit hatte. Ähnliches wiederholt sich 1974 in Tokio und Moskau.

Andy Warhol sieht die Mona Lisa in New York. Er beschäftigt sich in vielen Arbeiten mit ihr und fertigt unter anderem einen Siebdruck an, der Leonardos Meisterwerk dreißigmal zeigt: "Thirty are better than one" - Kunst als Massenware. Warhol steht in einer langen Reihe von Künstlern, die sich im 20. Jahrhundert mit der Mona Lisa auseinandergesetzt haben.

Max von Schillings komponiert eine Oper, Nat King Cole singt eine romantische Ballade über die Frau mit dem mystischen Lächeln, Konzeptkünstler Marcel Duchamp verpasst der Dame einen Schnurrbart, Salvador Dalí zeichnet sich selbst als Mona Lisa, Fernando Botero bläst die Schöne aus Florenz zu einer fröhlichen Dicken auf, Sophie Matisse, Urenkelin des französischen Malers Henri Matisse, zeigt nur die Hintergrundlandschaft. "In fünf Minuten bin ich zurück" betitelt sie ihr Mona-Lisa-Bild ohne Mona Lisa. Vielleicht nicht die schlechteste Art, mit einem Kunstwerk umzugehen, das zum Massenphänomen geworden ist.

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