Kulturpolitischer Aschermittwoch in Bonn Ulrich Khuon wirbt im Haus der Springmaus fürs Theater

Bonn · Der Berliner Intendant Ulrich Khuon bricht beim kulturpolitischen Aschermittwoch des Kulturkreises Bonn im Haus der Springmaus eine Lanze fürs Theater.

 Individuelle Komplexität: Intendant Ulrich Khuon.

Individuelle Komplexität: Intendant Ulrich Khuon.

Foto: picture alliance/dpa

Ulrich Khuon ist ein weiser Mann: „Nichts ist selbstverständlich“, sagte der Intendant des Deutschen Theaters Berlin beim kulturpolitischen Aschermittwoch im Haus der Springmaus. Es war aber keine klassische Bußpredigt, die der Theatermann passend zur Fastenzeit den 100 Vertretern von Kultur und Politik verabreichte, sondern eine kühne Vision vom Theater, von der Kultur als Werkstatt des Miteinanders, die für jedermann „Möglichkeitsräume“ (Robert Musil) öffne.

Diese Räume müssten vielleicht – architektonisch und organisatorisch – anders aussehen als die heutigen Kulturtempel: Khuon plädierte für Orte, die ein breites, vielseitiges Angebot bieten, am besten rund um die Uhr. Es gehe um „den kostbaren Moment der gemeinsamen Erfahrung: Die Künste bieten uns Erleben und Reflexion in der Gesellschaft“. Das Theater als „Fest des Augenblicks und der gegenwärtigen Anwesenheit“. Das unterscheide Bühnen & Co. von den sozialen Medien. Die unterstützen, so Khuon, „Begegnungen in Ähnlichkeiten“, zeichnen sich durch die „Armut an realen Begegnungen und unmittelbaren Erfahrungen“ aus.

Da könne die Kultur gegensteuern, indem sie auch die Zerrissenheit in der Gesellschaft zum Thema mache, „die Begegnung mit dem Nichtähnlichen“ ermögliche. Khuon: „Es geht darum, das Theater nicht sicher, sondern unsicher zu verlassen, tatendurstig.“ Die Gesellschaft brauche „individuelle Komplexität“.

Das Theater sei dazu prädestiniert, „unsere Geschichten und Mythen immer neu zu erzählen“, zu deuten, sagte Khuon und zitierte den Theaterkritiker Peter Iden: „Wir müssen die richtigen Fragen zur falschen Zeit stellen.“

"Eifersüchteleien helfen nicht weiter“

Auf die konkrete Bonner Situation ging der Präsident des Deutschen Bühnenvereins praktisch nicht ein. Er habe das Gefühl, dass die freie Szene und der etablierte Kulturbetrieb in Bonn gut harmonierten, meinte er. Aufgeschnappt hatte Khuon offenbar auch das Gerücht einer Rivalität zwischen Sport und Kultur. „Eifersüchteleien helfen nicht weiter“, sagte er, Kultur und Sport seien quasi Verwandte.

So weit Khuon, sein erster Eindruck und die hehre Philosophie. Ulrich Bumann, ehemaliger Feuilletonchef dieser Zeitung und Sprecher des Kulturkreises Bonn, in dem 65 Kulturfördervereine mit rund 25 000 Mitgliedern organisiert sind, goss Wasser in den kulturpolitischen Wein. Nicht annehmbar sei, dass die Stadt zwei Säulen der freien Szene, dem Kleinen Theater und dem Euro Theater Central, den Geldhahn abdrehe.

Skandalös sei zudem, dass die Stadt Bonn keine Anstalten mache, die Musikerin Clara Schumann, die in Bonn begraben ist, in diesem Jahr gebührend zum 200. Geburtstag zu feiern.

Hausherr Andreas Etienne hatte zuvor humoristisch versucht, die Missstände der Bonner Politik aufzuspießen. „Wir können nicht mehr über den Berliner Flughafen lästern“, sagte er mit Blick auf das Beethovenhallen-Desaster. Wie Bumann geißelte auch er die Sparwut zulasten der freien Szene. Und er monierte, dass es an Nachwuchs fehle – zumal die Gründergeneration von Springmaus, Pantheon und Brotfabrik in die Jahre gekommen sei. Als er dann sagte, dass auch der Kulturkreis Bonn sparen und deshalb der Hauptgang des Aschermittwoch-Mahls ausfallen müsse, hielten das alle für einen nicht sehr originellen Fasten-Scherz. Es war keiner. Das versammelte Kulturvolk ging hungrig zu Bett.

Einen ausgesprochen aufgeräumten Eindruck machte die neue Bonner Kultur- und Sportdezernentin Birgit Schneider-Bönninger. Interessiert und gut gelaunt, aufmerksam und mit einem Lächeln machte sie die Runde, hörte zu, verabredete Termine. Erst seit wenigen Tagen ist sie im Amt – und schon mitten drin im Geschehen.

Was sie erleben konnte, waren nicht nur die Klagen der Kultur, sondern auch deren musikalische Vorzüge. Neben dem Pianisten Aeham Ahmad glänzten vor allem die hundert jungen Akteure vom Kinderchor des Theaters Bonn unter der charmanten Leitung von Ekaterina Klewitz. Mit einem tollen Programm von Mozart bis Morricone.

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